Nervenschmerzen und psychische Ursachen

Nervenschmerzen können am gesamten Körper auftreten und vielfältige Ursachen haben, wie Grunderkrankungen, Unfälle oder Operationen. Sie äußern sich in unterschiedlichen Symptomen, die oft anfallsartig auftreten. Ein früher Behandlungsbeginn ist wichtig, um eine Chronifizierung zu verhindern.

Wie äußern sich Nervenschmerzen?

Die Symptome können in ihrer Intensität variieren und treten oft plötzlich und stark auf. Typischerweise treten Nervenschmerzen in Ruhe auf und können kurz oder auch über längere Zeiträume andauern. Sie unterscheiden sich von anderen Schmerzen dadurch, dass sie nicht an den Nervenendigungen, sondern dort auftreten, wo die Nervenbahn geschädigt ist. Dies führt zu Veränderungen in der Sensibilität der Haut, wobei äußere Reize wie Temperatur oder Druck anders wahrgenommen werden. Weitere Beschwerden wie Allodynie oder Hyperalgesie sind möglich. Neben den Gefühlsstörungen kann es auch zu Fehlfunktionen der mit den Nerven verbundenen Muskeln kommen.

Ursachen von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen sind die Folge von gereizten oder geschädigten Nervenfasern des zentralen oder peripheren Nervensystems. Nervenschädigungen haben unterschiedliche Ursachen, wodurch die Nervenschmerzen in ihrer Ausprägung variieren. Die Gefühlsstörungen im peripheren Nervensystem können lokal begrenzt, multifokal oder generalisiert auftreten.

Mögliche Ursachen sind:

  • Diabetes mellitus: Dauerhaft erhöhter Blutzucker schädigt die Nervenfasern.
  • Vitamin-B12-Mangel: Führt zur Rückbildung der Myelinscheiden, die für die Reizweiterleitung verantwortlich sind.
  • Engpass-Syndrome wie das Karpaltunnelsyndrom.
  • Akute oder chronische Radikulopathie: Schädigung oder Reizung einer Nervenwurzel.
  • Verschiedene Medikamente.

Wann sollte man bei Nervenschmerzen einen Arzt aufsuchen?

Nervenschmerzen gehören zum Formenkreis der chronischen Schmerzen und lassen sich je nach Ursache unterschiedlich erfolgreich behandeln. Dies kann die betroffene Person psychisch und physisch oft erheblich belasten und die Lebensqualität möglicherweise stark einschränken. Ein früher Behandlungsbeginn ist daher sehr wichtig, um zu verhindern, dass die Nervenschmerzen chronisch werden. Sobald die Nervenschmerzen auftreten, ist es sinnvoll, in der hausärztlichen Praxis vorstellig zu werden. Besteht der Verdacht auf eine neurologische Erkrankung, erfolgt eine Überweisung an die entsprechenden Fachärzte.

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Diagnose von Nervenschmerzen

Als Erstes erfolgt die Anamnese. Bei diesem ausführlichen Gespräch zur Krankengeschichte erkundigt sich der Neurologe über Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus. Auch frühere Operationen oder Unfälle könnten Nerven verletzt haben und für die Beschwerden verantwortlich sein. Neben der Art der Symptome erfragt der Arzt zudem, wie schmerzhaft diese sind. Dem Gespräch folgt die neurologische Untersuchung, mit der sich neuropathische Beschwerden aufdecken lassen, die der betroffenen Person möglicherweise nicht bewusst waren. Direkt zu erkennen sind geschädigte, große Nerven mittels bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) oder der Computertomographie (CT). Darüber hinaus entnimmt der Neurologe möglicherweise eine Probe aus einem betroffenen Nerv, um sie auf Veränderungen zu untersuchen.

Weitere Untersuchungsmethoden:

  • Quantitative sensorische Testung (QST): Messung der Reizwahrnehmung mittels Temperatur oder mechanischer Reize.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Bei der Trigeminusneuralgie handelt es sich um heftige, attackenartige, meist einseitige Gesichtsschmerzen, die vom fünften Hirnnerv (Trigeminusnerv) ausgehen. Sie basieren auf einer Funktionsstörung des Nervs, die häufig mit einer Entzündung einhergeht. Außerdem ist bei der Trigeminusneuralgie meist eine Rückbildung (Degeneration) der Nervenstränge mit einem Abbau der außen liegenden Isolierschicht (Demyelinisierung) zu beobachten.

Die Erkrankung ist insgesamt nicht sehr häufig, Schätzungen zufolge sind etwa vier bis 13 von 100.000 Menschen betroffen. Eine Trigeminusneualgie kann in jedem Alter auftreten, am häufigsten jedoch tritt sie bei über 60-Jährigen auf.

Mediziner unterscheiden zwischen einer klassischen, sekundären und idiopathischen Trigeminusneuralgie.

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Der Trigeminusnerv ist der größte Hirnnerv und teilt sich in drei Äste auf. Diese versorgen den Großteil des Gesichts, insbesondere die Haut von der Stirn, den Augen, der Nase, den Wangen und der Kieferregion sowie die Schleimhäute in Mund und Nase sowie Zähne. Von hier leitet der Nerv Sinneseindrücke wie Berührungen, Temperaturempfinden oder Schmerz an das Gehirn. Der Trigeminusnerv versorgt zudem die Kiefer- und Zungenmuskulatur und steuert deren Bewegungen. Er ist so zum Beispiel für das Kauen verantwortlich.

Ursachen der Trigeminusneuralgie

Je nach der Ursache teilt die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) gemäß der internationalen Kopfschmerzklassifikation (ICHD-3) die Trigeminusneuralgie in drei Formen ein:

Klassische Trigeminusneuralgie

Bei einer klassischen Trigeminusneuralgie entstehen die Schmerzen dadurch, dass benachbarte Blutgefäße auf den Nerv drücken (neurovaskuläre Kompression) und so die Umhüllung des Nervs (Myelinscheide) schädigen. Ein solch krankhafter Kontakt zwischen Gefäß und Nerv ist wahrscheinlicher, wenn die Wände der Schlagadern (Arterien) verdickt und starr sind. Das ist bei einer Arterienverkalkung (Arteriosklerose) der Fall. Diese erhöht deshalb das Risiko einer Trigeminusneuralgie.

Zudem besteht meist nicht nur ein Kontakt zwischen Gefäß und Nerv: Die betreffende Arterie verdrängt bei einer klassischen Trigeminusneuralgie außerdem den Nerv, was diesen zusätzlich reizt und eine Gesichtsnerventzündung sowie Funktionsstörungen hervorruft.

Sekundäre Trigeminusneuralgie

Eine sekundäre Trigeminusneuralgie liegt vor, wenn sich anhand radiologischer Bildgebung oder durch eine Operation eine andere Erkrankung als eindeutige Ursache für die Schmerzattacken nachweisen lässt. Zu diesen möglichen Ursachen zählen:

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  • Krankheiten, bei denen die Schutzhüllen der Nervenfasern (Myelinscheiden) im Nervensystem zerstört werden ("Entmarkungskrankheiten"): z. B. Multiple Sklerose (MS)
  • Gehirntumoren, vor allem sogenannte Akustikusneurinome: Das sind seltene, gutartige Tumoren des Hör- und Gleichgewichtsnervs. Sie drücken auf den Trigeminusnerv oder ein benachbartes Blutgefäß, sodass beide gegeneinandergedrückt werden. Das kann zusätzlich zur Trigeminusnerventzündung führen und löst die Schmerzen aus.
  • Schlaganfall (Apoplex)
  • Gefäßmissbildungen (Angiom, Aneurysma) im Bereich des Hirnstammes

Patienten mit einer sekundären Trigeminusneuralgie sind im Durchschnitt jünger als Menschen mit der klassischen Krankheitsform.

Idiopathische Trigeminusneuralgie

Bei der idiopathischen Trigeminusneuralgie, die deutlich seltener auftritt, lässt sich keine andere Erkrankung oder Gewebeveränderung an beteiligten Gefäßen und Nerven als Ursache für die Beschwerden feststellen (idiopathisch = ohne bekannte Ursache).

Emotionale beziehungsweise psychische Faktoren wie Stress oder Aufregung reizen die Nerven und gelten ebenfalls als Auslöser für eine Trigeminusneuralgie. Psychische Ursachen sind jedoch oft nicht eindeutig festzumachen.

Untersuchungen und Diagnose bei Trigeminusneuralgie

Nicht bei jedem Schmerz im Gesichtsbereich handelt es sich um eine Trigeminusneuralgie. Beispielsweise lösen auch Kiefergelenksprobleme, Erkrankungen der Zähne oder Clusterkopfschmerz Schmerzen im Gesicht aus.

Es gilt also, die Trigeminusneuralgie gegen die zahlreichen anderen Formen von Kopf- und Gesichtsschmerzen abzugrenzen. Anhand des typischen Schmerzverlaufs ist meist auch der Hausarzt in der Lage, eine Trigeminusneuralgie zu identifizieren. Der richtige Ansprechpartner für die Diagnose und weiterführenden Untersuchungen bei dieser Erkrankung ist aber ein Facharzt für Neurologie oder ein Facharzt für Neurochirurgie.

Der erste Schritt bei Verdacht auf eine Trigeminusneuralgie ist die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese): Der Arzt befragt den Patienten ausführlich zu seinen Beschwerden. Mögliche Fragen dabei sind:

  • Wo genau haben Sie Schmerzen?
  • Wie lange dauern die Schmerzen jeweils an?
  • Wie empfinden Sie den Schmerz, zum Beispiel als stechend, drückend, stromstoßartig?
  • Haben Sie neben den Schmerzen andere Beschwerden wie Gefühlsstörungen an anderen Körperstellen, Sehstörungen, Übelkeit oder Erbrechen?
  • Machen Ihnen die Schmerzattacken seelisch sehr zu schaffen?

Im Anschluss führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Dabei achtet er zum Beispiel darauf, ob das Empfindungsvermögen (Sensibilität) im Gesichtsbereich normal ist.

Weitere Untersuchungen klären dann, ob eine auslösende Erkrankung der Trigeminusneuralgie zugrunde liegt oder nicht. Je nach Beschwerdebild führt der Arzt eine oder mehrere der folgenden Untersuchungen durch:

  • Magnetresonanztomografie (MRT): Anhand der Magnetresonanz- oder Kernspintomografie überprüft der Arzt, ob eine Erkrankung wie Multiple Sklerose, Hirntumor, Schlaganfall oder Gefäßmissbildung (Aneurysma) die Trigeminusneuralgie auslöst.
  • Entnahme und Analyse des Nervenwassers: Mit einer dünnen, feinen Hohlnadel entnimmt der Arzt eine Probe des Nervenwassers (Hirn-Rückenmarksflüssigkeit) aus dem Wirbelkanal (Liquorpunktion). Im Labor untersucht Fachpersonal, ob der Patient unter Multipler Sklerose leidet.
  • Computertomografie (CT): Damit begutachten Ärzte vor allem die knöchernen Strukturen des Schädels. Eventuelle krankhafte Veränderungen sind eine mögliche Ursache der Schmerzattacken.
  • Angiografie oder Kernspin-Angiografie (MRA): Anhand einer Röntgen-Untersuchung der Blutgefäße (Angiografie) im Schädelbereich lassen sich eventuelle Gefäßmissbildungen erkennen. Bei der Kernspin-Angiografie erfolgt die Röntgen-Darstellung der Gefäße mittels Kernspintomografie. Die Bildgebung der Blutgefäße ist auch vor einer Operation sinnvoll, damit der Neurochirurg sieht, wo genau die Blutgefäße im Operationsgebiet verlaufen.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Dazu gehören zum Beispiel Trigeminus-SEP (Überprüfung der Funktionsfähigkeit sensibler Nervenbahnen, zum Beispiel Berührungs- und Druckempfinden), Überprüfung von beispielsweise Lidschlussreflex und Kaumuskelreflex (Masseterreflex).
  • Sonstige Untersuchungen: Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen nötig, zum Beispiel beim Zahnarzt, Kieferorthopäden oder HNO-Arzt.

Verlauf und Prognose der Trigeminusneuralgie

Der Krankheitsverlauf bei der Trigeminusneuralgie ist sehr variabel. Es ist kaum vorhersehbar, wie viel Zeit bis zur nächsten Schmerzattacke vergeht. Manchmal liegen Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre zwischen einzelnen Attacken.

Bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt es sogar bei einem einmaligen Anfall von Trigeminusneuralgie. Bei den meisten Menschen treten die Attacken anfangs nur ab und zu auf, häufen sich aber im Laufe der Zeit. Nehmen die Attacken zu oder treten häufig hintereinander auf, ist damit zu rechnen, dass diese Betroffenen entsprechend länger krank und für diese Zeit arbeitsunfähig sind.

Die Trigeminusneuralgie beeinträchtigt das Alltagsleben der meisten Betroffenen massiv - nicht nur durch die heftigen Schmerzattacken an sich, sondern auch durch die Angst vor der nächsten Attacke. Auch das seelische Wohlbefinden leidet entsprechend darunter. Deshalb entwickeln manche Patienten zusätzlich eine depressive Verstimmung. In diesen Fällen ist es sinnvoll, eine medikamentöse und/oder operative Therapie der Trigeminusneuralgie um eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung zu ergänzen.

Mit dem richtigen Behandlungsplan lassen sich die Schmerzen einer Trigeminusneuralgie zumindest eine Zeitlang reduzieren oder vertreiben. Komplett heilen lässt sich die Erkrankung derzeit aber nicht. Bislang ist auch nicht bekannt, ob und wie sich einer Trigeminusneuralgie vorbeugen lässt.

Therapie von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen lassen sich durch die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung lindern. Dies gibt den Nervenfasern die Möglichkeit, sich zu erholen und möglicherweise neu aufzubauen. Zusätzlich zu dieser Behandlung empfinden viele Betroffene physikalische Therapien als hilfreich.

Was kann man selbst bei Nervenschmerzen tun?

Nervenschmerzen lassen sich in der Regel nicht gezielt vorbeugen, dafür sind die Ursachen zu vielfältig. Grundsätzlich ist es allerdings sinnvoll, auf einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen und gesunden Ernährung und einem achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper und der Psyche zu achten.

Stress als Faktor bei Nervenschmerzen

Der Alltag mit seinen Stressfaktoren kann unsere Nerven überstrapazieren: Reizüberflutung, Fremdbestimmung oder überzogene Ansprüche führen auf Dauer zu Anspannung, Überforderung und Erschöpfung. Wenn wir „viel um die Ohren“ haben, fährt unser Körper auf Hochtouren - mit besonderen Anforderungen an den Energiestoffwechsel und das Nervensystem. Psychische Belastungen können sich negativ auf den Bewegungs- und Stützapparat auswirken. Es ist ein Teufelskreis: Psychische Belastungen bewirken, dass sich die Muskulatur verspannt, was zu Beschwerden insbesondere im Bereich von Nacken, Schultern und Rücken führt.

Tabelle: Faktoren, die Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) beeinflussen

Faktoren Beschreibung
Physische Faktoren Körperlich belastende Arbeitsbedingungen und -anforderungen
Organisatorische und psychosoziale Faktoren Belastungen, die sich aus der Art der Arbeitsorganisation bzw. den Anforderungen an die Psyche ergeben oder die in Verbindung mit sozialen Bedürfnissen stehen
Individuelle und soziostrukturelle Faktoren Vorerkrankungen, Lebensstil, physische Leistungsfähigkeit und den Zugang zur Gesundheitsversorgung

Chronische Schmerzen und Psyche

Psychische Vorerkrankungen wie Depressionen oder auch Angststörungen können ebenso die Chronifizierung von Schmerzen begünstigen. Eine gezielte Behandlung kann erst beginnen, wenn die Symptome als psychosomatisch diagnostiziert werden. Für Betroffene ist es oft schwer zu akzeptieren, dass ihre Beschwerden psychisch und nicht körperlich begründet sind.

Vorbeugung und Umgang mit chronischen Schmerzen

Die Empfehlung für Schmerzpatienten lautet, möglichst rasch wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren und im Rahmen des Möglichen körperlich aktiv zu bleiben, um den Teufelskreis des sozialen und beruflichen Rückzugs zu durchbrechen. Umso wichtiger ist es, bereits präventiv im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung und beim Setzen von betrieblichen Präventionsmaßnahmen Führungskräfte und alle Mitarbeiter für das Thema „chronische Schmerzen“ zu sensibilisieren und entsprechende Informationen zugänglich zu machen.

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