Psychiatrische Notfälle: Ein Leitfaden für den ersten Dienst

Dieser Leitfaden soll Ihnen helfen, während Ihrer ersten Dienste in der Psychiatrie die Nerven zu behalten. Er beinhaltet kurz und knapp alle wichtigen Dinge, die man im Auge behalten muss - vom konkreten Ablauf der Anamnese über die genaue Dosierung von Notfallmedikamenten bis hin zum praktischen Vorgehen bei Unterbringung und Zwangsbehandlung.

Was ist ein psychiatrischer Notfall?

Bei einem psychiatrischen Notfall liegt meist eine akute psychische Erkrankung bzw. ein akutes körperliches Leiden vor, das zu psychiatrischen Symptomen führen kann. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung). Daher ist bei einem psychiatrischen Notfall rasche medizinische Hilfe unumgänglich!

Sofortige medizinische Hilfe ist notwendig, da es sich um teils lebensbedrohliche Zustände handelt. Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen.

Symptome und Anzeichen

  • Störungen des Bewusstseins
  • Störung des Realitätsbezugs
  • Überflutende Gefühle
  • Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten
  • Hochgradige Erregung

Krisenintervention: Hilfe in akuten Situationen

Um Menschen in akuten psychosozialen Krisen zu helfen, haben Fachleute die Methode der Krisenintervention entwickelt. Krisenintervention kommt in einer akuten Phase einer psychosozialen Krise zum Einsatz. Krisenintervention ist eine Methode der Beratung bzw. A: Ansatz zur Problembewältigung bzw. die rasche Linderung bzw. Im Mittelpunkt steht dabei, eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung aufzubauen.

Krisenintervention soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten und orientiert sich in ihren Zielen stark an der Lebenssituation und den Bedürfnissen von Betroffenen. Bei der Krisenintervention führen geschulte Fachleute entlastende Gespräche. Manchmal leiten sie auch Übungen zur Entspannung und Bewältigung von schwierigen Situationen an. Ebenso kommt die sogenannte Psychoedukation zur Anwendung. Im Rahmen der Krisenintervention finden bei Bedarf auch ärztliche Untersuchungen und Behandlungen statt. Diese umfassen z.B. die Abklärung körperlicher Symptome oder die Anwendung von Medikamenten. In sehr akuten Fällen kann auch ein Spitalsaufenthalt notwendig sein.

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Eine Krisenintervention ist zeitlich begrenzt. In der Folge können bei Bedarf zum Beispiel auch eine weiterführende Psychotherapie oder eine psychiatrische Behandlung stattfinden.

Der Unterschied zwischen psychiatrischem Notfall und psychosozialer Krise

Psychosoziale Krisen sind von einem psychiatrischen Notfall zu unterscheiden. Im Unterschied zur psychiatrischen Krise besteht bei einer psychosozialen Krise keine unmittelbare Gefährdung. Sie ist jedoch ebenso sehr belastend und kann zu einem Notfall werden. Eine psychosoziale Krise wird durch belastende Lebensereignisse und/oder veränderte Umstände ausgelöst. Betroffene können diese momentan nicht mit ihren üblichen Problemlösungsstrategien bewältigen. In der Folge haben sie Schwierigkeiten, ihr Berufsleben sowie ihr soziales Leben zu meistern.

Suizidalität: Erkennen und Handeln

Im Rahmen einer psychosozialen Krise kann es auch zu Suizidgedanken kommen. Suizidalität umfasst alle Handlungen sowie Gedanken, die darauf abzielen, sich das Leben zu nehmen. Suizidalität stellt für sich selbst keine Diagnose dar, sondern entsteht ganz überwiegend im Gefolge psychiatrischer Erkrankungen oder akuter Krisen durch Lebensveränderungen oder Traumata.

Jede Suizidäußerung oder -ankündigung ist ernst zu nehmen. Studien weisen darauf hin, dass die Häufigkeit und Relevanz eines Suizidversuchs vom Personal der Notaufnahme unterschätzt wird und Suizidalität oft unentdeckt und unbehandelt bleibt. Nach einem erfolgten Suizidversuch ist die Aufnahme einer Beziehung mit dem Patienten durch den Ersthelfer von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf.

Teil des Gesprächs soll ein Antisuizidpakt sein, d.h. eine freiwillige, aber verlässliche Selbstverpflichtung des Patienten, aktuell keinen Suizid zu begehen. Jeder Patient nach Suizidversuch soll zur Diagnostik und Therapie auch gegen seinen Willen in eine Notaufnahme oder Klinik gebracht werden.

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Was tun bei Suizidgedanken?

Wenn Sie Suizidgedanken haben oder jemanden kennen, der betroffen ist, holen Sie sich Hilfe. Es gibt sie.

Erregungszustände

Erregungszustände können, je nach Intensität, einen psychiatrischen Notfall darstellen, weil sich aus ihnen unkontrollierte Aggression und damit Eigen- und Fremdgefährdung entwickeln können. Die klinische Symptomatik besteht aus innerer Gespanntheit und Unruhe, ängstlich-misstrauischer Grundstimmung und einer Steigerung des Antriebes und der Psychomotorik, begleitet von vegetativen Symptomen (z.B. Erhöhung von Blutdruck und Puls, Schwitzen).

Ursache von Erregungszuständen kann fast jede psychiatrische Erkrankung sein, besonders im Rahmen von schizophrenen Psychosen, Manien, Panikattacken, Traumafolge- und Persönlichkeitsstörungen. Weitere Ursachen sind Intoxikationen und Entzug psychotroper Substanzen, diverse neuropsychiatrische, neurologische und internistische Erkrankungen sowie Arzneimittelwirkungen.

Bei ausgeprägten Erregungszuständen kann es erforderlich sein, vor einer Diagnostik und spezifischen Therapie symptomatische Maßnahmen zur Deeskalierung durchzuführen. Vorrangig sind dies nicht-medikamentöse Strategien, um Zustimmung und Mitarbeit des Patienten zu gewinnen. Im Vordergrund steht dabei der Schutz des Personals und des Patienten.

Intoxikationen

Die akute Intoxikation (Rausch) ist ein vorübergehender Zustand, der durch die pharmakologische Wirkung eingenommener Substanzen (wie Alkohol, Drogen, etc.) ausgelöst wird. Typischerweise sind Bewusstsein, kognitive Fähigkeiten, Wahrnehmung, Affekt und Verhalten beeinträchtigt. Als Folge einer Intoxikation können medizinische Komplikationen wie z. B. Trauma, Aspiration, Delir, Koma, Krampfanfälle oder eine Enzephalopathie auftreten. Intoxikationen sind der häufigste psychiatrische Notfall.

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Die Therapie bei Intoxikationen ist symptomatisch. Der Erregung, Unruhe und Agitation sollte zunächst durch beruhigendes Gespräch, Reorientierung etc. begegnet werden. Wenn dies nicht ausreicht, sollten bei Drogenintoxikationen primär Benzodiazepine (Lorazepam, Diazepam) eingesetzt werden. Bei psychotischen Symptomen sollten Antipsychotika gegeben werden, z.B. Haloperidol. Die Kombination von Benzodiazepinen mit Haloperidol ist möglich und sinnvoll zur Reduktion von Nebenwirkungen.

Diagnostik und Behandlung

Akut psychisch erkrankte Patienten befinden sich häufig in einer angstvollen Situation. Im Erstkontakt zum Arzt ist es daher erforderlich, eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen und die Notwendigkeit diagnostischer Maßnahmen zu erklären. Die Diagnose fußt auf drei Elementen: (i) Anamnese (möglichst mit Fremdanamnese), (ii) körperliche und neurologische Untersuchung; (iii) psychopathologischer Befund.

Die körperliche Untersuchung soll die Bestimmung der Vitalparameter (Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung) einschließen. Weiters soll ein EKG aufgenommen werden sowie Blutzucker, Blutbild, Elektrolyte, Transaminasen und Retentionswerte bestimmt werden. Zu einem psychopathologischen Befund gehören die Beurteilung von Bewusstsein und Orientierung, Affekt und Antrieb, der Denk- und Wahrnehmungsleistung, der kognitiven Leistung sowie von Suizidalität und Fremdgefährdung.

Für die medikamentöse Behandlung des psychiatrischen Notfalls sind Antipsychotika und Benzodiazepine geeignet; andere Substanzgruppen sollten nicht eingesetzt werden.

Wichtige Anlaufstellen

Menschen in psychischen Krisen brauchen unverzüglich, unbürokratisch und professionell Hilfe. Der Sozialpsychiatrische Notdienst (SND) steht daher rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer 01 31330 zur Verfügung.

Der Sozialpsychiatrische Notdienst kann rund um die Uhr qualifizierte Hilfestellung auf drei Ebenen bieten: telefonisch, ambulant, mobil. Das Leistungsangebot reicht von Beratungs- und Entlastungsgesprächen, Hilfe und Rat für Angehörige, medizinischen Akut-Interventionen, über medikamentöse Unterstützung bis zu psychosozialer und psychotherapeutischer Kurzbetreuung.

Verhaltensweisen in Notfallsituationen

  • Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen.
  • Rasch Hilfe holen: Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
  • In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen!
  • Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen.
  • Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage.

Zusammenfassung

Die Leitlinie bietet eine notwendige Standardisierung in der Diagnose und Behandlung psychischer Störungen bei Notfallpatienten. Deshalb erscheint diese Leitlinie als sehr nützlich und sollte als Nachschlagewerk z.B.

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