Traumatische Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter können unterschiedliche schwerwiegende psychische Folgen mit sich bringen. Sexueller Missbrauch erhöht das Risiko für spätere mentale Erkrankungen um das 2,4-fache, bei physischem Missbrauch steigt das Risiko um das 1,5-fache an. Psychische Erkrankungen als wahrscheinliche Folge von Traumata in Kindheit und Adoleszenz beinhalten sowohl internalisierende Probleme wie Depression und Anpassungsstörungen als auch externalisierende Auffälligkeiten wie Probleme mit Peers, aggressives und dissoziales Verhalten.
Zudem zeigen misshandelte Kinder und Jugendliche oft Beeinträchtigungen der Exekutivfunktionen (beispielsweise Aufmerksamkeit oder Verarbeitungsgeschwindigkeit) sowie der motorischen und sprachlichen Fähigkeiten. Laut einer erst kürzlich veröffentlichten Untersuchung von Völkl-Kernstock et al. fanden Zusammenhänge zwischen verschiedenen traumatischen Erfahrungen und höheren klinischen Werten bezüglich Depression, Wut, posttraumatischem Stress und Dissoziation während Resilienz-Faktoren verhältnismässig gering ausgeprägt waren. Zudem besteht zunehmend Evidenz dafür, dass Kindesmisshandlung und -vernachlässigung einen bedeutenden Risiko-Faktor für die Entwicklung einer PTBS sowie von Dissoziationssymptomen darstellt.
Das Auftreten einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist nach physischen, und hierbei vor allem nach sexuellen Angriffen mit einer Prävalenzrate von 55 % besonders hoch. Gerade im Kindes- und frühen Jugendalter (unter 14 Jahren) werden traumatische Erfahrungen häufig mit einer PTBS assoziiert. Um den gravierenden Auswirkungen von traumatischen Erlebnissen entgegen zu wirken, sind frühzeitige Diagnostik und daran orientierte Interventionsmaßnahmen notwendig.
Aufgrund der hohen Komorbiditätsraten von PTBS mit anderen psychischen Erkrankungen empfiehlt sich neben spezifischen diagnostischen Verfahren der zusätzliche Einsatz von Fragebögen wie CBCL und YSR, die ein breites Spektrum an psychischen Auffälligkeiten ressourceneffizient erfassen. Der Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen (CBCL) und der Fragebogen für Jugendliche (YSR) des Achenbach System of Empirically Based Assessment sind weit verbreitete, kosten- und zeiteffiziente Messinstrumente für eine Reihe von psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter. Auch im deutschsprachigen Raum werden sie standardmäßig eingesetzt.
Die diskriminante Validität der deutschsprachigen Version des CBCL ist laut Schmeck et al. mit der englischsprachigen Version vergleichbar und weist eine gute Sensitivität (83,3 %) sowie Spezifität (83,9 %) auf. Aufgrund der hohen Sensitivität ermöglicht die Diagnostik mittels CBCL ein frühzeitiges Erkennen verschiedener psychischer Probleme. Der „Total Problem Score“ eignet sich zudem ausgezeichnet als Screening für psychische Erkrankungen des Kindes und Jugendalters.
Lesen Sie auch: Dissoziatives Verhalten erkennen und behandeln
Die Vorgabe der CBCL erwies sich bei der Identifikation einiger psychischer Erkrankungen, wie beispielsweise Autismus-Spektrum-Störung, ADHS, und Zwangsstörungen als nützlich. Obwohl die CBCL-Skalen nicht zur Erfassung von Dissoziation und PTBS entwickelt worden sind, erscheint die Vorgabe der CBCL und des YSR auch bei PTBS im Sinne eines Breitbandscreenings als sinnvoll.
So zeigte eine Studie von Gavranidou et al., dass minderjährige Flüchtlinge mit einer PTBS sich auf den Skalen „ängstlich-depressiv“, „schizoid-zwanghaft“, „aggressives Verhalten“, „Internale Auffälligkeiten“ und „Gesamtbelastung“ des YSR signifikant häufiger auffällig beschreiben als Flüchtlinge ohne PTBS. Die Berücksichtigung von verschiedenen Informationsquellen ist in der Diagnostik von psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter eine gängige und empfohlene Methode.
Da CBCL und YSR vergleichbare Items beinhalten, werden sie häufig im Sinne einer Kreuzvalidierung eingesetzt. Eine Reihe von Untersuchungen beschäftigten sich mit der Übereinstimmung zwischen Elternratings (CBCL) und solchen der Kinder und Jugendlichen selbst (YSR), die vor allem beim Vorhandensein von Auffälligkeiten eher als moderat bis gering zu bezeichnen ist. Schon Plück et al. fanden mittelstarke Zusammenhänge zwischen den Einschätzungen der Jugendlichen und denen der Eltern, bei stark erhöhter Auffälligkeit war eine Übereinstimmung sogar nur in 30 % der Fälle gegeben.
Eine in Deutschland durchgeführte Studie fand ebenfalls mittelstarke Eltern-Kind-Übereinstimmungen, besonders niedrig war der Zusammenhang bezüglich der Skala zu kognitiven Schwierigkeiten. Jugendliche aus nicht-klinischen Stichproben schätzen sich in den meisten Untersuchungen auffälliger ein als ihre Eltern dies tun, während sich das Bild bei klinischen Stichproben genau umdreht. Großteils fällt die Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdurteilen bei externalisierenden Items höher aus als bei internalisierenden.
Eine wahrscheinliche Erklärung hierfür liegt darin, dass externalisierende Symptome im Gegensatz zu internalisierenden leichter beobachtbar sind und daher von Eltern und Lehrern eher bemerkt sowie angegeben werden. Um Ursachen der Beurteilungsdiskrepanzen zu verstehen, wurden einige Studien zu assoziierten Faktoren durchgeführt. Diese fokussierten insbesondere auf Geschlecht und Alter der Kinder bzw. Jugendlichen.
Lesen Sie auch: Wirksame ADHS-Behandlungen
Während das Geschlecht für die Eltern-Kind Diskrepanzen irrelevant erscheint, ist die Datenlage zum Einfluss des Alters der Kinder bzw. Jugendlichen inkonsistent. Weitere untersuchte assoziierte Faktoren betreffen unter anderem Depression, Ängste oder Stress der Bezugsperson sowie kontrollierendes Erziehungsverhalten. Trotz der hohen Beurteilungsdiskrepanzen zwischen Kindern bzw. Trotz der weltweiten Verbreitung der CBCL in Forschung sowie Praxis gibt es im deutschsprachigen Raum vergleichsweise wenige Untersuchungen zur Nützlichkeit und Verwendung der CBCL bei PTBS.
Sowohl für Forschungszwecke als auch um wirksame, empirisch unterstützte Behandlungen zu entwickeln, ist die ressourceneffiziente Erfassung von PTBS und assoziierten Symptomen bei Kindern und Jugendlichen wichtig. Dadurch stellt sich die Frage, bezüglich welcher Symptomskalen der CBCL bzw. YSR sich Kinder und Jugendliche mit und ohne PTBS unterscheiden, welche in der vorliegenden Studie untersucht werden soll. Es existiert bereits eine Vielzahl an Studien zur Eltern-Kind Übereinstimmung mittels CBCL und YSR, jedoch wurden diese bisher noch nicht unter dem Gesichtspunkt von Traumatisierung untersucht.
Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die vergleichende Analyse der Selbstbeurteilungen von Kindern und Jugendlichen, die eine oder mehrere traumatische Erfahrungen gemacht haben und der Einschätzung deren Eltern bezüglich emotionalen sowie Verhaltensauffälligkeiten anhand der standardisierter Fragebögen CBCL und YSR. Die vorliegende Studie wurde an der Forensischen Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien durchgeführt.
Die Eltern aller Patienten unterzeichneten vor der Teilnahme an der Untersuchung eine Einwilligungserklärung nach einer ausführlichen Patienteninformation. Ebenso wurden alle befragten Patienten über die Studie vollständig informiert und stimmten einer Teilnahme zu. Insgesamt wurden 41 Patienten (26 weiblich, 15 männlich) im Alter von 11,0 bis 17,11 (M = 14,00; SD = 1,988) sowie jeweils ein Elternteil pro Patient (38 Mütter; 3 Väter) befragt.
Alle Patienten wurden an die forensische Ambulanz wegen akuter Belastungen oder nach traumatisierenden Gewalterfahrungen zugewiesen. Während bei 18 (13 weiblich, 5 männlich) Patienten im Anschluss an die psychologische Diagnostik ein Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, F43.1) diagnostiziert wurde, war dieses bei 23 (13 weiblich, 10 männlich) nicht der Fall.
Lesen Sie auch: Mehr über delinquentes Verhalten bei Kindern erfahren
Die Patienten wurden im Zeitraum zwischen 1 Monat und 6 Monaten nach dem traumatisierenden Ereignis diagnostiziert, neben einer ausgiebigen Exploration wurden Fragebogenverfahren unter zusätzlicher zur Hilfenahme strukturierter klinischer Interviews (SKID-I; [57]) durchgeführt, um die Diagnose abzusichern. Patienten, welche keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache aufweisen konnten, sowie Patienten, die an einer anderen körperlichen oder einer diagnostizierten psychiatrischen Erkrankung vor dem Ereignis litten, wurden nicht in die Studie eingeschlossen.
CBCL: Die Child Behavior Checklist (CBCL) stellt eine Fremdbeurteilung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6-18 Jahren durch die Eltern zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten, sowie sozialen und emotionalen Problemen, aber auch körperlichen Beschwerden dar. Eine passende Form zur Selbstbeurteilung für Jugendliche von 11-18 ist direkt von der CBCL abgeleitet.
Beide Beurteilungsverfahren beinhalten die internalisierenden Skalen a) Sozialer Rückzug, b) körperliche Beschwerden, c) Angst/Depression, d) soziale Probleme, e) schizoide, repetitive und Schlafprobleme, sowie d) Aufmerksamkeitsschwierigkeiten; darüber hinaus inkludieren die Verfahren externalisierende Verhaltensweisen wie e) delinquentes, oppositionelles Verhalten und f) aggressives Verhalten. Eine zusätzliche Skala im YSR erfragt selbstverletzende und selbstschädigende Verhaltensweisen (Autoaggression).
Um das multifaktorielle Geschehen bei PTBS auf den Symptomskalen der CBCL/YSR abbilden zu können wurden in der Folge internalisierende und externalisierende Symptome bei Jugendlichen und deren Eltern mit und ohne einer PTBS-Diagnose direkt verglichen, was durch die beiden Hauptskalen des CBCL/YSR ermöglicht wird (internalisierende vs.
Die statistische Analyse für die Berechnung der Unterschiede in der Symptombeschreibung der Jugendlichen mit und ohne PTBS, sowie deren Eltern wurde mittels einer Varianzanalyse für abhängige Stichproben mit Diagnose (PTBS vs. keine PTBS) als Zwischensubjektfaktor durchgeführt.
In der Skala Sozialer Rückzug konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Symptombeschreibungen der Jugendlichen und der Eltern festgestellt werden (F(1,39) = 5442; p = 0,025; par. η² = 0,122). Keinen Effekt hatte hingegen die Diagnose der Jugendlichen auf die Einschätzung des sozialen Rückzugs (F(1,39) = 0,960; p = 0,333; par. η² = 0,024). Diese Ergebnisse sind jedoch aufgrund des signifikanten Wechselwirkungseffektes (F(1,39) = 4,181; p = 0,048; par. η² = 0,097) dahingehend zu sehen, dass besonders Jugendliche ohne PTBS-Diagnose niedrigere Werte im sozialen Rückzug berichten als ihre Eltern.
Hinsichtlich der Körperlichen Beschwerden sind nur bei einer Erhöhung des Alphaniveaus auf 10 % signifikante Unterschiede zwischen Jugendlichen und Eltern (F(1,39) = 4003; p = 0,052; par. η² = 0,093) festzustellen, sowie kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Diagnose (F(1,39) = 0,395; p = 0,533; η² = 0,010) zu beobachten.
In der Skala Angst und Depression gibt es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich den Bewertungen der Jugendlichen und deren Eltern (F(1,39) = 0,890; p = 0,767; par. η² = 0,002). Ein signifikanter Unterschied ist jedoch zwischen den Diagnosegruppen festzustellen (F(1,39) = 11.521; p = 0,002; η² = 0,002), wobei Jugendliche mit PTBS und deren Eltern die Symptome von Angst und Depression signifikant negativer beschreiben, als Jugendliche ohne PTBS und deren Eltern.
Eine signifikante Wechselwirkung zeigt an, dass Eltern von Jugendlichen mit PTBS höhere Werte angeben, als Eltern von Jugendlichen ohne PTBS (F(1,39) = 20.652; p < 0,001; par. η² = 0,346). Keine signifikanten Unterschiede zwischen Jugendlichen und deren Eltern ergeben sich auch hinsichtlich der Bewertung sozialer Probleme (F(1,39) = 0,167; p = 0,685; par. η² = 0,004). Auch hinsichtlich der Jugendlichen mit und ohne PTBS konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden (F(1,39) = 0,958; p = 0,334; par. η² = 0,024).
Die Angaben von Jugendlichen und ihren Eltern unterscheiden sich in der Skala schizoide, repetitive und Schlafprobleme nur bei einer Erhöhung des Alphaniveaus auf 10 % signifikant (F(1,39) = 3467; p = 0,070; par. η² = 0,082), jedoch gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Bewertungen hinsichtlich der Diagnose in der Beschreibung von Jugendlichen und deren Eltern (F(1,39) = 7087; p = 0,011; par. η² = 0,154).
Ein signifikanter Wechselwirkungseffekt (F(1,39) = 13.583; p = 0,001; par. η² = 0,258) deutet darauf hin, dass besonders Jugendliche mit PTBS mehr schizioide, repetitive und Schlafprobleme berichten als andere Jugendliche ohne PTBS. Darüber hinaus sind die Beschreibungen einer Aufmerksamkeitsstörung bei Jugendlichen und deren Eltern signifikant unterschiedlich (F(1,39) = 5096; p = 0,030; par. η² = 0,116), wobei Jugendliche niedrigere Werte selbst berichten.
Dieses Ergebnis ist jedoch besonders auch in Bezug darauf zu interpretieren, dass signifikante Unterschiede zwischen den Berichten über oder von einem Patienten mit oder ohne PTBS-Diagnose zu beobachten sind (F(1,39) = 5489; p = 0,024; par. η² = 0,123). Ein signifikanter Wechselwirkungseffekt (F(1,39) = 7815; p = 0,008; par.
Neben den gerade beschriebenen internalen Symptomen, sind auch externalisierende Symptome bei PTBS vielfach vorherrschend. Hinsichtlich delinquentem Verhalten ergeben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Berichten der Jugendlichen und deren Eltern (F(1,39) = 1712; p = 0,198; par. η² = 0,...
Tabelle 1: Komorbiditäten und Diagnosen nach ICD-10
| Diagnose nach ICD-10 | Patienten mit PTBS (n=18) | Patienten ohne PTBS (n=23) | Durchschnittliches Alter |
|---|---|---|---|
| F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung | 18 | - | 14,2 |
| F90.0 ADHS | 5 | 3 | 13,9 |
| F32.9 Depressive Episode | 7 | 4 | 14,1 |
Tabelle 2: Mittelwerte und Standardabweichungen der Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen
| Skala | Gruppe | Mittelwert | Standardabweichung |
|---|---|---|---|
| Sozialer Rückzug | Jugendliche mit PTBS | ... | ... |
| Sozialer Rückzug | Eltern von Jugendlichen mit PTBS | ... | ... |
| Angst und Depression | Jugendliche mit PTBS | ... | ... |
| Angst und Depression | Eltern von Jugendlichen mit PTBS | ... | ... |
tags: #elternfragebogen #adhs #auswertung