Eine drogeninduzierte Psychose ist eine psychotische Störung, die durch eine oder mehrere psychotrope Substanzen ausgelöst wurde. Es handelt sich um eine substanzinduzierte, exogene psychotische Störung. Exogen bedeutet in diesem Fall, dass sich die Ursache der Psychose und das Auftreten der vorwiegend psychischen Symptome auf den Drogenkonsum zurückführen lassen.
Schätzungen zufolge leiden ungefähr 10 bis 70 Prozent aller PatientInnen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind, gleichzeitig an einer Suchterkrankung. Eine primäre Schizophrenie kann durch Einnahme von bestimmten Stoffen ausgelöst werden, aber der weitere Verlauf der Erkrankung kann unabhängig vom weiteren Drogenkonsum sein.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Umstände, die zur Entstehung einer drogeninduzierten Psychose führen, sind nicht vollständig geklärt. Das bedeutet, dass sich der Zeitpunkt, an dem eine Psychose auftritt, nicht eindeutig benennen lässt.
Es gibt sogar Fälle, in denen Betroffene bereits nach einem einmaligen Konsum der Droge unter den typischen Symptomen einer Psychose leiden, während andere Konsumenten die ersten Anzeichen erst nach einem jahrelangen, oftmals exzessiven Missbrauch der Substanz verspürten. Eine substanzinduzierte Psychose betrifft nicht jeden Konsumenten.
Aktuelle medizinische Erkenntnisse gehen davon aus, dass die Ausbildung einer Psychose nach der Einnahme von Drogen wie Kokain mit der individuellen Disposition zusammenhängt. Ähnlich wie bei einer durch Cannabis oder Amphetamine ausgelösten Psychose sind oft mehrere, zusammenwirkende Ursachen auszumachen.
Lesen Sie auch: Moderne Psychosebehandlung mit Depotspritzen
Die Veranlagung des Einzelnen, gesundheitliche Voraussetzungen, aber auch äußere Einflüsse wie Stress an der Arbeit oder Probleme in der Familie, die möglicherweise als Trigger fungieren könnten, spielen eine Rolle. Und es gilt, je jünger das Gehirn, desto anfälliger ist es für die Entwicklung einer drogeninduzierten Psychose. Zudem ist davon auszugehen, dass die Dauer und Menge des Drogenmissbrauchs ebenfalls als Einflussgröße bewertet werden kann.
Psychoaktive Substanzen wie Kokain oder andere Drogen können als Nebenwirkung grundsätzlich immer psychotische Symptome auslösen. Bei halluzinogenen Substanzen wie LSD sind Halluzinationen und realitätsferne Erfahrungen sogar explizit gewünscht. Im Gegensatz zu diesen bewusst herbeigeführten Halluzinationen sehen die Symptome im Rahmen psychotischer Zustände anders aus.
Am häufigsten werden von Schizophrenen Patienten Nikotin, Cannabis und Alkohol, gefolgt von Kokain und Halluzinogenen konsummiert.
Symptome
Die schizophrenen Störungen sind im allgemeinen durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate oder verflachte Affekte gekennzeichnet.
Sie besitzen meist eine beängstigende Komponente und gehen häufig mit Paranoia, Angst und Panikattacken einher. Die Betroffenen fühlen sich verfolgt, nehmen bedrohliche Dinge und Situationen wahr, die nicht real sind, und entwickeln einen Hang, sich selbst oder andere zu verletzen.
Lesen Sie auch: Forschung zu Omega-3 und Psychosen
Charakteristisch für eine Psychose, die durch den Konsum von Crack oder Koks ausgelöst wurde, ist häufig der sogenannte Dermatozoenwahn. Hierbei sind die Betroffenen davon überzeugt, dass sich Insekten oder Würmer unter ihrer Haut befinden. Diese wahnhafte Vorstellung kann derart starke Ausmaße annehmen, dass die Patienten sich selbst verletzen oder sogar Suizidversuche unternehmen.
Bei den sogenannten taktilen Halluzinationen spürt der Betroffene körperlich und für ihn komplett real, dass die Würmer oder Insekten über die Haut krabbeln und sich beispielsweise durch den Körper bewegen. So sind taktile Halluzinationen manchmal schwer von sog. Zönästhesien zu unterscheiden, bei denen der Patient das Gefühl hat, dass sich der Körper von außen verändert, zerfressen wird, verbrannt, usw.
Ein Kokainkonsum kann zu körperlichen, psychischen und sozialen Problemen führen. Auch Jahre später ist unter Umständen noch mit Folgen und Beeinträchtigungen zu rechnen. Interessenlosigkeit, Apathie, Konzentrationsstörungen, sozialer Rückzug und vieles mehr, können auch im Nachhinein auftreten.
Außerdem können sich drogeninduzierte Psychosen entwickeln (Kokainpsychose) mit Halluzinationen, paranoiden Wahnvorstellungen und Beeinträchtigungen des Realitätsbezuges, die sich teils zurückbilden. Ein Dermatozoenwahn, bei dem Betroffene glauben, Insekten, Parasiten oder Würmer würden sich unter der Haut befinden und bewegen, kann im Zusammenhang mit Kokain ebenfalls vorkommen.
Wird ein lange andauernder und/oder intensiver Kokainkonsum eingestellt oder reduziert, zeigen sich nach einigen Stunden bis Tagen Entzugssymptome. Ein intensiver Kokainkonsum geht oft mit dem Konsum anderer teils illegaler Substanzen einher, die nach Beendigung des Konsums ebenfalls zu Entzugserscheinungen führen können.
Lesen Sie auch: Auf der Spur des Morgensterns
Entzugssymptome von Kokain
Wird der Konsum eingestellt, kann sich vor allem bei intensiver und lange andauernder Verwendung von Kokain ein Entzugssyndrom zeigen. Der Entzug von Kokain läuft im Groben in mehreren Phasen ab und kann anhand eines Drei-Phasen-Modells beschrieben werden:
- Crash-Phase: Nach wenigen Stunden bis Tagen tritt die Phase des „Zusammenbruchs“ ein. Sie ist dominiert von teils starker depressiver Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Energiemangel, Müdigkeit, (starker) Dysphorie, Selbstzweifeln und Schlafstörungen.
- Entzugsphase: Diese dauert eine bis einige Wochen. Bemerkbar macht sich ein ausgeprägtes Verlangen nach Kokain (Craving), begleitet von Mattigkeit, starkem Selbstzweifel, Depressivität und Antriebslosigkeit etc.
- Löschungsphase: Es zeigen sich Albträume, die in Zusammenhang mit Drogen und Rauscherlebnissen stehen und immer wiederkehren. Ein starkes Verlangen nach der Substanz kann sich immer wieder äußern.
Diagnostik
Eine Diagnose klärt ab, ob tatsächlich eine Abhängigkeit vorliegt. Dazu führt die Ärztin/der Arzt ein Gespräch und macht sich - durch verschiedene körperliche Untersuchungen, die unterschiedliche Körperfunktionen mit einbeziehen - ein Bild vom körperlichen Gesundheitszustand der/des Betroffenen. Bedeutend ist außerdem die psychische sowie soziale Situation.
Der Nachweis illegaler Drogen erfolgt über Laboruntersuchungen. Weitere Informationen finden Sie in der Laborwertetabelle unter Kokain/Urin. Neben dieser Laboruntersuchung können Tests auf weitere Drogen vorgenommen werden. Laborparameter wie z.B. Leberwerte, Blutgase, Blutgerinnungsstörungen sind für die Ärztin/den Arzt ebenfalls ausschlaggebend. Erkrankungen wie beispielsweise eine Myokardischämie werden u.a. per Labor abgeklärt.
Für die Abklärung einer möglichen Infektion (beispielsweise Hepatitis, HIV) sind ebenfalls spezielle Laboruntersuchungen unumgänglich.
Behandlung
Die Therapie orientiert sich an den Bedürfnissen der Einzelnen/des Einzelnen. Sie kann stationär (oftmals), ambulant oder teilambulant erfolgen. Die Ärztin/der Arzt entscheidet über die erforderlichen Maßnahmen. Nicht selten müssen Patientinnen/Patienten von der Notwendigkeit einer Beendigung des Konsums und der Inanspruchnahme von Hilfe überzeugt sowie zu einem Behandlungsbeginn und später zum Weiterführen der Behandlung motiviert werden.
Das Überwinden einer Abhängigkeit sowie die Behandlung von Entzugssymptomen und Begleiterkrankungen sind wesentliche Pfeiler der Therapie. Es können jedoch auch akute Komplikationen/medizinische Notfälle im Vordergrund stehen.
Im Rahmen der Therapie eines Kokainrausches, aber auch bei Entzugssymptomen ist die Beruhigung der Betroffenen wesentlich („Talking down“). Kommt es zu ausgeprägten Angst- und Panikzuständen bzw. starker psychomotorischer Erregung, können Medikamente notwendig sein (z.B. Benzodiazepine).
Besondere Bedeutung kommt der psychischen Situation der Betroffenen zu. Neben medizinischen Problemen - körperlichen wie psychischen Erkrankungen und Beschwerden - zählen außerdem zwischenmenschliche Konflikte im sozialen Umfeld (z.B. Familie, Freundeskreis) sowie fehlende soziale Integration zu den Problemfeldern bei Kokainkonsumentinnen/-konsumenten. Auch finanzielle und juristische Probleme können vorliegen.
Bei Bedarf werden Entzugsphasen, aber auch nachfolgende Therapien medikamentös unterstützt (Psychopharmaka). Um einen Entzug durchzuführen, kann ein stationärer Aufenthalt unumgänglich sein.
Generell ist bei Kokain oftmals der starke innere Drang, die Droge zu konsumieren, besonders ausgeprägt. Betroffene versuchen häufig verzweifelt und durch verschiedenste Mittel und Wege, die Substanz zu erhalten. Auch lange nach der Zeit des Entzugs ist es möglich, dass ein - teils heftiges - Verlangen nach Kokain auftritt. Die Rückfallgefahr ist dementsprechend groß.
Die Behandlung von Begleit- und Folgeerkrankungen wie beispielsweise des Herz-Kreislauf-Systems, chronische Infektionen (Hepatitis C, HIV etc.), Störungen der Leberfunktion u.v.m. gehören bei entsprechender Diagnose zum Behandlungsplan.
Erster Ansprechpartner ist oftmals eine ambulante Einrichtung (z.B. Suchtberatungsstelle) oder die entsprechende Ambulanz eines Krankenhauses. Außerdem kann die Hausärztin/der Hausarzt gegebenenfalls Überweisungen in die Wege leiten. Bei Jugendlichen sind Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ansprechpartner.
In den Diagnoseprozess sind Ärztinnen/Ärzte verschiedener Fachrichtungen sowie klinische Psychologinnen/Psychologen involviert. Eine Behandlung erfolgt interdisziplinär und oftmals stationär (auf Sucht spezialisierte Klinik, entsprechende Abteilung eines Krankenhauses).
Die Kosten für die ärztliche Untersuchung zur Abklärung einer Abhängigkeit werden im Normalfall von den Sozialversicherungsträgern übernommen. Die interdisziplinäre Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen (inklusive Psychotherapie) findet auch in spezialisierten ambulanten und stationären Einrichtungen statt, die Verträge mit den Krankenversicherungsträgern abgeschlossen haben. Für diese Behandlungsfälle werden im Regelfall die Kosten zur Gänze übernommen. Bei bestimmten Leistungen (z.B. Psychotherapie bei niedergelassenen Psychotherapeutinnen/ Psychotherapeuten) kann u.a. ein Antrag auf Kostenzuschuss durch den Krankenversicherungsträger gestellt werden.
tags: #drogeninduzierte #psychose #diagnostik