Deutsche Rentenversicherung, Rehakliniken und Depressionen: Ein umfassender Überblick

Die Reha-Klinik Montafon, eingebettet in die einzigartige Naturlandschaft Vorarlbergs, ist eine modern ausgestattete Einrichtung, die sich seit ihrer Eröffnung im April 2010 zu einer angesehenen Rehaklinik entwickelt hat. Unsere Patienten sind unser Gäste! Die Reha-Klinik Montafon ist ein Ort, an dem Energie getankt und neue Lebensqualität gewonnen wird.

Die Gesundheitseinrichtung hat sich auf orthopädisch-traumatologische, kardiologische, neurologische-neurochirurgische Rehabilitation sowie psychische Gesundheit spezialisiert. Interessante und abwechslungsreiche Arbeit erwarten Dich im professionellen und innovativen Team.

Stationäre tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie der Depression: STOP-D

Die generelle Wirksamkeit ambulanter und stationärer tiefenpsychologisch orientierter Psychotherapie ist belegt. STOP-D analysiert die stationäre tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie. Dagegen stehen Studien zur Wirksamkeit stationärer tiefenpsychologisch orientierter psychosomatischer Krankenhausbehandlung auf depressive Störungen noch aus.

Deshalb wurde STOP-D als naturalistische Multicenterstudie mit eingangs 487 depressiv erkrankten stationär psychotherapeutisch behandelten Frauen an 15 psychosomatischen Krankenhausabteilungen mit tiefenpsychologischem Behandlungskonzept (keine Rehakliniken) durchgeführt.

Die ersten Publikationen belegen nun anhand sehr hoher Effektstärken die Wirksamkeit auf depressionstypische Symptome; neben der symptomatischen Besserung kleine bis hohe Effekte auf psychodynamisch-relevante Zielmaße wie Adaptivität der Abwehr und der Konfliktbewältigung; nachhaltige Stabilität der erreichten Verbesserungen auch sechs Monate nach der Entlassung; durch die erreichten Verbesserungen wurde in der Regel die ambulante Behandlungsfähigkeit erreicht (knapp 80 Prozent der Patienten profitierten, ca. 20 Prozent veränderten sich nur wenig, nur einzelne Patienten verschlechterten sich); dass Patienten, die zusätzlich Antidepressiva erhielten, bei Aufnahme, Entlassung und in der Nachuntersuchung insgesamt stärker durch depressionstypische Symptome beeinträchtigt waren.

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Sie wiesen allerdings von den erreichten Effekten her keinen besseren Verlauf auf als die Patienten, die ausschließlich psychotherapeutisch behandelt wurden; dass Patienten, die zusätzlich an einer Persönlichkeitsstörung litten, generell etwas weniger von der Behandlung profitierten, entsprechend sind für diese Patienten Modifikationen der Behandlungsangebote möglicherweise sinnvoll; dass zusätzlich bestehende Schlafstörungen zu einem schlechteren Ansprechen auf die stationäre Psychotherapie führen und deshalb eine besondere therapeutische Herausforderung darstellen, die möglicherweise zu wenig Beachtung findet.

wir2: Wirksame Unterstützung für Alleinerziehende

1,6 Mio. Alleinerziehende sind in Deutschland seit Jahrzehnten unverändert großen Armuts- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt - 90 Prozent von ihnen sind Mütter. Ihr Depressionsrisiko ist dreimal höher als bei Müttern in Paarfamilien. Dies kann auch die Entwicklung der mitbetroffenen Kinder beeinträchtigen. Daher wurde an der Universitätsklinik Düsseldorf das bindungsorientierte und emotionsfokussierte Elterntraining wir2 entwickelt (www.wir2-bindungstraining.de). Wir2 wurde speziell für Alleinerziehende entwickelt, die sich professionelle Unterstützung wünschen, um Kraft und Selbstbewusstsein für das Leben als Familien-Alleinverantwortliche zu finden.

Das Programm ist manualisiert und besteht aus vier aufeinander aufbauenden Modulen. Im Mittelpunkt stehen die Gefühlswahrnehmung und der Umgang mit den bindungsrelevanten Basisaffekten Angst, Trauer, Wut und Freude sowie der emotionale Austausch zwischen Eltern und Kind. Die Gruppen werden über 20 Sitzungen hinweg von zwei speziell geschulten Fachkräften geleitet.

wir2 reduziert die psychische Belastung der Eltern und fördert ihre Elternkompetenzen und die Feinfühligkeit gegenüber den Signalen ihrer Kinder. Die starken und nachhaltigen positiven Effekte von wir2 auf die Depressivität und Zufriedenheit der Mütter sowie auf kindliches Problemverhalten wurden in einer RCT-Studie nachgewiesen. Das Programm wurde aufgrund seiner hohen Wirksamkeit mit dem renommierten Heigl-Preis ausgezeichnet, in die höchste Evidenzklasse der „Grüne Liste Prävention“ aufgenommen sowie von der Walter Blüchert Stiftung mit hohem Engagement gefördert.

wir2 erfüllt alle Qualitätskriterien eines modernen psychosozialen Unterstützungsprogramms und wird deshalb jetzt auch in psychosomatischen Rehabilitationskliniken (Psychosomatische Fachklinik Schömberg und Dekimedklinik Bad Elster), finanziert von der Deutschen Rentenversicherung, als sechswöchige Eltern-Kind-Maßnahme angeboten. Das neue Präventionsgesetz ermöglicht seit 2018 erstmals auch die Umsetzung von wir2 in kommunalen Settings (Kitas, Familienzentren) unter finanzieller Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen und des vdek („Kasseler Modell“).

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Hürden bei der Reha-Genehmigung und mögliche Lösungen

Eine reha wird nur mit begründung abgelehnt. Am Freitag hatte ich dann Post im Briefkasten - der Antrag wurde abgelehnt. Was jetzt? Ich habe mich so schwer damit getan mich nochmal für einen Klinikaufenthalt zu entscheiden - wollte das eigentlich nicht mehr. Ich würde auch Widerspruch einlegen.

Aus deinen Beiträgen hört es sich nicht so an, als ob du bisher irgendwie ambulant therapie gemacht hättest. das hat für den rentenversicherer definitiv vorrang. ohne ambulanten therapie versuch wird es um so schwerer eine stationäre therapie genehmigt zu bekommen. Dann hilft nur noch eine reine akutklinik, denn die muss die krankenkasse bezahlen wenn der arzt dich einweist.

Die meisten Kuren werden in der "1. Instanz" abgelehnt. Wenn Du Widerspruch einlegst (dazu müßte etwas im Bescheid stehen), noch einmal eine Begründung des verordnenden Arztes (Dein Hausarzt vermutlich) und vielleicht ein untertstützendes Schreiben deines Therapeuten oder eines Facharztes beilegst ( falls es eine entsprechende körperliche Indikation gibt) sind deine Chancen normalerweise gut. Unter Umständen verlangt der Kostenträger eine Untersuchung durch den medizinischen Dienst. Nur Mut, laß Dich nicht abschrecken.

Nun weiß ich ja nicht was der Ausgangspunkt für dich ist und weiß auch nicht warum du einen Antrag bei der RV gestellt hast. Es ist dann wohl die Frage der Zuständigkeit und die RV sieht sich nicht zuständig. Wenn die Rente zahlt um dich berufsfähig zu machen, ist es doch unlogisch, dass die Rentenkasse zahlt, wenn du arbeitest. Das werden wohl die Gesichtspunkte der RV sein.

Lege Widerspruch ein, begründe Ihn und lass deine Therapeuten auch begründen, dass Akut nicht notwendig ist. In der Regel wird jeder Reha- Antrag vom Rentenversicherer erst einmal abgelehnt. Die dort am Schreibtisch sitzen haben von den Krankheitsbilder auch keine Ahnung sind ganz normale Sachbearbeiter.

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Da viele den Widerspruch scheuen spart der RV eine ganze Menge Geld. Oft wird die Reha aber im Widerspruchsverfahren genehmigt. War bei mir bei allen 4 Reha`s so. Vorbeugung ist schon etwas anderes als wenn eine Erkrankung bereits besteht. Kann man in die Klinik denn nicht auf normalen Weg reinkommen?

Also, es gibt Rehakliniken, für die sind die Rentenversicherungsträger zuständig, weil es um die Wiedererlangung/Erhalt deiner Arbeitskraft geht. Akutkliniken haben einen ganz anderen Status, das ist keine Kur oder sowas, sondern es geht dir einfach aktuell so schlecht, dass du einen stationären Aufenthalt brauchst. Das ist das ganze Geheimnis drum.

Ob das nun Essstörungen, Depressionen oder was auch immer sind, tut gar nichts zur Sache. Es geht einzig und allein darum, wie man das Ganze deklariert und wo man den Schwerpunkt setzt. Dass die RV jetzt abgelehnt hat und auf den Akutstatus verweist, liegt meines Erachtens darin begründet, dass sie schlicht und ergreifend ihre Leistungspflicht weiterreichen wollen.

Außerdem hab ich noch nie davon gehört, dass Aufenhalt in Akutkliniken abgelehnt werden können, weil du da normalerweise nur eine Einweisung eines Facharztes brauchst. Der sollte es allerdingss schon sein, bei Hausärzten sieht es schlecht aus. Alternativ könntest du ja in der Akutpsychiatrie ein Vorgespräch machen und dir dann von denen bestätigen lassen daß ein akutstationärer Aufenthalt nicht notwendig notwendig ist. Mach es über eine Krankenhauseinweisung auf Krankenkassenkosten.

Vor einer Woche bekam ich die Nachricht, dass ich zum Gutachter soll. Einerseits finde ich das gut, da es besser als eine erneute Ablehnung ist. Andereseits finde ich es ganz schrecklich! Ich habe einen Fragebogen vom Gutachter zugeschickt bekommen, den ich ausfüllen soll. Ich muss alles, wirklich alles beschreiben, erzählen.

Ich glaube das die Gutachten recht verschieden ablaufen. Also bei mir wurden allgemeine körperliche Untersuchungen vorgenommen, wobei da lt. deinen Diagnosen die Psyche im Vortergrund steht, wohl mehr um zu sehen ob du für Reha geeignet bist. Wenn du jetzt schon einen Fragebogen zugeschickt bekommen hast, besteht ja die möglichkeit alles in Ruhe auszufühlen und das der Arzt bereits das wesentliche weiß und dann nicht mehr so in Detail gehen muss.

Leider gibt es für die RV eingige Krankheiten, wo sie eine akutstationäre Einweisung erstmal für wichtig halten. Da mitlerweile aber Rehakliniken und akutkrankehäuser bei Essstörungen / persönlichkeitsstörungen u.ä. fast gleich behandeln, solltest du dir überlegen ob du dich zusätzlich in einem akut Krankenhaus anmeldest. Zumal dort die Wartezeiten i.d.R. sehr lang sind. Bis über den Widerspruch entgültig entschieden wird, werden voraussichtlich noch ein paar Monate verstreichen.

Kritik an psychosomatischen Rehas bei Long Covid

Die Deutsche Rentenversicherung verkündet per Presseerklärung den wissenschaftlichen „Beleg“ für den Nutzen psychosomatischer Rehabilitation bei Long Covid. Doch die zugrundeliegende Studie veröffentlicht sie nicht - und sie erntet vehementen Widerspruch. Selbsthilfegruppen sind empört, Patienten berichten von Fehlbehandlungen; ausgerechnet auch in jener Reha-Klinik, in der die Studie gemacht wurde.

Drei Tage lang habe er nach Kräften versucht, sein Reha-Programm durchzuziehen, berichtet Tobias Kaiser - dann sei erst einmal nichts mehr gegangen. "Am vierten Tag hatte ich den totalen Zusammenbruch", sagt der Pädagogik-Student aus Halle, 31 Jahre alt und seit zwei Jahren an Post Covid erkrankt. Erschöpfungszustände und Brain Fog hatten ihn, der in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, dazu gezwungen, sein Studium vorerst aufzugeben.

Nachdem Ärzte auch den - später bestätigten - Verdacht auf die Multisystemerkrankung ME/CFS, die wohl schwerste Ausprägung von Post Covid, bei Kaiser diagnostizierten, trat er Mitte Februar seine Reha in Norddeutschland an, verbunden mit großer Hoffnung. Ärzte der psychosomatisch ausgerichteten Klinik hätten ihm unterstellt, zu simulieren, und ihn zu weitaus mehr Bewegung anleiten wollen, als er bewältigen konnte. Bis zu acht Anwendungen jeden Tag standen auf dem Programm, Therapiepläne belegen das.

Immer wieder ging es um körperliche Aktivierung, von Wassergymnastik bis Gewichtestemmen. Vieles habe er abgesagt - stets in Sorge, dass ihm dies zu seinem Nachteil ausgelegt werden könnte. Schließlich ist er auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen und bei der Reha zur Mitwirkung verpflichtet. "Das war auch der einzige Grund, warum ich die Reha nicht abgebrochen habe", sagt Kaiser.

Irgendwie habe er die drei Wochen durchgezogen und mitgemacht, so gut es ging, auch wenn auf den großen noch mehrere kleine Zusammenbrüche gefolgt seien. Ganz anders liest sich da eine Presseerklärung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Braunschweig-Hannover. "Studie belegt: Bei Long Covid hilft eine psychosomatische Rehabilitation", ist die Mitteilung vom 8. Juni 2023 überschrieben.

Bei Selbsthilfegruppen stößt sie auf heftige Kritik, weil Schilderungen wie die von Tobias Kaiser sich häufen. Auch Patient:innen ausgerechnet jener Einrichtung, in der die Studie gemacht wurde, berichten von schlechten Erfahrungen. Was also ist richtig: Nutzt eine psychosomatische Reha - oder schadet sie sogar?

Fehlende Transparenz und methodische Mängel

Grundlage der Presseerklärung bildet eine Studie mit Rehabilitanden des Rehazentrums Oberharz im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld. Träger der Einrichtung: die DRV Braunschweig-Hannover selbst. Überprüfen lässt sich die Untersuchung - eine Masterarbeit - nicht. Die DRV interpretiert zwar deren Ergebnisse, machte die Studie aber nicht öffentlich. Wissenschaftliche Transparenz war offenbar nicht vorgesehen: Auf die Bitte, die Studie zu übersenden, sagte eine Sprecherin, man müsse sich erst um eine "Freigabe" bemühen.

Bis zum Erscheinen dieses Artikels gelang dies nicht. "Unserem Haus wurde die Veröffentlichung einer Zusammenfassung gestattet. Dieses Einverständnis bezieht sich ausschließlich auf die in der Pressemitteilung dargestellten Inhalte", so die Sprecherin. Weitergehende Fragen zur Methodik beantwortete sie unter Verweis auf den "Urheberschutz" nicht.

Den veröffentlichten Angaben lässt sich entnehmen, dass für die Studie 187 Long Covid-Patienten mit "Fatigue" beziehungsweise "Erschöpfungssymptomen" befragt wurden. Ihr Gesundheitszustand habe sich in der Reha "deutlich verbessert". Das spreche für die Passgenauigkeit des Reha-Konzeptes, heißt es in der Pressemitteilung. Es gab keine Kontrollgruppe im eigentlichen Sinne.

Eine Kontrollgruppe im eigentlichen Sinne gab es demnach nicht: Long-Covid-Rehabilitanden wurden verglichen mit Menschen, die an ganz anderen Erkrankungen, onkologischen und psychosomatischen, leiden. Wie genau die Verbesserung gemessen wurde, geht aus den Angaben nicht hervor - ebenso wenig, welche Patienten überhaupt befragt wurden: Für Long Covid sind mehr als 200 Symptome beschrieben, es ist kein einheitliches Krankheitsbild.

Auch "Fatigue" und "Erschöpfung" sind dehnbare Begriffe, sie treten als Begleiterscheinung vieler Ausprägungen von Long Covid auf und werden teilweise auch synonym für ME/CFS verwendet. Wie wurden die Teilnehmer für die Studie ausgewählt? Antworteten auch solche, die die Reha abbrachen? Alles das bleibt offen.

Erfahrungen von Rehabilitanden

Es gebe eine große Unzufriedenheit unter den Post-Covid-Patienten, berichtet eine Frau, die vor einem Monat in der Klinik behandelt wurde. Ein aktueller Rehabilitand, den zuvor bereits eine experimentelle somatische Therapie aus der Bettlägerigkeit gebracht hat, dem aber Erschöpfungszustände noch zu schaffen machen, äußert sich dagegen positiv: Der Reha-Plan werde individuell zugeschnitten, das sei "eine gute Erfahrung".

Fünf andere Patienten berichten dagegen, dass die Konzepte aus ihrer Sicht eines gerade nicht waren: passgenau. Seit der Reha auf den Rollstuhl angewiesenDrei der Rehabilitanden, die sich so äußern, wiesen anhand von Dokumenten nach, dass sie im Rehazentrum Oberharz waren.

Sie sei sehr freundlich behandelt worden und habe sich atmosphärisch wohlgefühlt, betont eine von ihnen. Wegen der Zeit, sich um sich selbst kümmern zu können, ziehe sie durchaus Gutes aus dem Aufenthalt im Herbst 2022 - allerdings eher trotz statt wegen des Programms.In der Klinik seien alle Patienten in entweder onkologische oder psychosomatische Gruppen eingeteilt worden. Post-Covid-Erkrankte mit hauptsächlich organischen Beschwerden seien durchs Raster gefallen.

Für sie selbst sei nach "Schema F" ein auf körperliche Aktivierung setzendes Programm aufgelegt worden. Ständig habe sie dafür kämpfen müssen, Anwendungen absagen zu können, um ihre Belastungsgrenze einzuhalten, sagt die Frau - doch am nächsten Tag habe das Programm wieder genauso ausgesehen, ohne Anpassungen. Eine andere Frau berichtet dasselbe von ihrem Aufenthalt Anfang 2023.

Ihr Fazit: "Das war wirklich skurril und wirklich furchtbar." Ihre Diagnosen - Post-Covid und ME/CFS - seien psychologisiert worden, Ärzte hätten ihr einen unerfüllten Kinderwunsch unterstellt. Das Kardinalsymptom von ME/CFS, die Post-Exertionelle Malaise - eine mitunter bleibende Zustandsverschlechterung nach Überlastung, auch als Belastungsintoleranz bezeichnet - haben man in Clausthal als Belastungsangst fehlinterpretiert, meint die Rehabilitandin.

Ihr sei ein Aktivierungsprogramm auferlegt worden, das ihr nicht genutzt, sondern geschadet habe. Seit der Reha sei sie "teilweise auf den Rollstuhl angewiesen"."Mein Sohn hat einen Riesen-Rückschritt gemacht. Es geht ihm seit der Reha anhaltend deutlich schlechter", sagt auch der Vater eines weiteren Rehabilitanden, der die Klinik vor gut einem halben Jahr besuchte.

Um Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente nicht zu gefährden, sei der junge Mann zur Teilnahme an der Reha verpflichtet gewesen. Obwohl er immer wieder sogar zu schwach gewesen sei, sein Essen einzunehmen, habe die Klinik das Sportprogramm nicht reduziert. Ärzte hätten Covid als psychische Erkrankung eingestuft und dem Patienten erklärt, er solle seine Belastungsgrenze bewusst überschreiten.

Kritik von Selbsthilfeverbänden

Insgesamt sind die, naturgemäß subjektiven, Erfahrungen also bestenfalls gemischt. Die pauschal positive Aussage zu psychosomatischen Rehas in der DRV-Erklärung stößt bei Selbsthilfeverbänden auf Kritik. Das sei "aus wissenschaftlicher Sicht nicht evidenzbasiert", sagt die Ärztin Claudia Ellert, Sprecherin des Verbands Long Covid Deutschland.

Sie hält es für möglich, in Reha-Kliniken einzelne Symptomkomplexe von Post-Covid-Betroffenen graduell zu verbessern - Voraussetzung dafür: Das Programm muss flexibel auf die individuelle Belastbarkeit reagieren. Eine noch unveröffentlichte Befragung des Verbandes legt nahe, dass dies keineswegs der Standard ist.

Rund 11.000 postviral Erkrankte hatten Anfang des Jahres online Selbstauskunft zu ihren Reha-Erfahrungen gegeben - von den Ergebnissen ist bisher bekannt, dass mehr Menschen von einer Verschlechterung durch körperliche Aktivierung berichten als von Verbesserungen. Viele bemängelten, dass die Diagnose Belastungsintoleranz im Reha-Konzept nicht berücksichtigt wurde. Auch im Rehazentrum Oberharz?

Stellungnahme des Ärztlichen Direktors

Der Ärztliche Direktor, Bernhard Koch, nimmt auf Anfrage ausführlich Stellung zu den Kritikpunkten. Eine "zeitlich befristete Erschöpfung nach einer Belastung" sei bei einer stufenweisen Aktivierung nicht auszuschließen, dies sei "das Wesen der Fatigue". Für einen "dauerhaften Körperschaden" durch Post-Exertionelle Malaise (PEM) sieht Koch jedoch keine wissenschaftliche Evidenz.

Das Konzept seines Rehazentrums sehe vor, bei möglichst viel Aktivität die individuellen Grenzen zu achten: "Ein planvolles Überschreiten der Belastungsgrenze wird von uns nicht angestrebt. Dies wäre auch kontraproduktiv." In einer Stellungnahme der Bundesärztekammer wird PEM als "unverhältnismäßige Zunahme der Symptomatik" beschrieben, die bei ME/CFS "manchmal wochenlang" anhalten können.

Die Rolle der Zuweisung und die Notwendigkeit individueller Konzepte

Doch weshalb landeten manche der Patienten überhaupt in Clausthal? In einer Stellungnahme zum Post-Covid-Syndrom fordert die Bundesärztekammer eine "genaue Erfassung der unterschiedlichen Symptome", um "passgenaue […] Rehabilitationskonzepte anzubieten".

Eine konsensbasierte S2-Leitlinie zur Reha nach Covid-19-Erkrankungen stuft eine psychosomatische Reha nur dann als "sinnvoll" ein, wenn "die psychische Krankheitsfolgen" wie eine Depression "im Vordergrund stehen" - andernfalls solle "primär in der entsprechenden somatischen Indikation behandelt werden".

In jedem Falle seien bei einer psychosomatischen Rehabilitation die Abstimmung des Programms auf die individuelle Belastbarkeit "von besonderer Bedeutung". All dies bestätigt Bernhard Koch - und beobachtet selbst immer wieder das "Unverständnis" von Rehabilitanden, sich in einer psychosomatischen Klinik wiederzufinden. Die Einrichtung allerdings ist das letzte Glied der Kette, denn die Zuweisung der Patienten liegt in der Hand der Kostenträger.

Koch jedenfalls geht davon aus, mit dem Konzept im Oberharz Menschen, bei denen sich kein "klinisch nachweisbarer Organschaden" nachweisen lässt, helfen zu können - vor allem auch bei der Verarbeitung der Krankheit. Dabei werde auch an psychologischen, die Krankheit "aufrechterhaltenden" Faktoren gearbeitet, ohne damit die körperlichen Ursachen einer Fatigue zu psychologisieren.

ME/CFS und die Gefahr von Überlastung

Für Selbsthilfegruppen ist das eine hochsensible Debatte. Vor allem bei ME/CFS haben Therapien, die Belastungsgrenzen überschreiten, eine lange Tradition. In zahlreichen Erfahrungsberichten sprechen Betroffene von Fehlbehandlungen durch überfordernde Aktivierung. Die helfe bei vielen Krankheitsbildern, gilt bei Post-Exertioneller Malaise jedoch als riskant.

Bei ME/CFS ist daher "Pacing" die Strategie der Wahl: Ein Konzept, mit seiner Energie so zu haushalten, dass keine Grenzen überschritten und Verschlechterungen riskiert werden. Als das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vor wenigen Wochen seinen Bericht zum Wissen über ME/CFS im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums vorlegte, erkannte es an, dass verbreitete Aktivierungsansätze "schwerwiegende Nebenwirkungen" auslösen könnten.

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