Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist durch Probleme im zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet. Die Symptomatik beginnt meist im frühen Jugendendalter, erreicht sein Maximum mit ca. und flacht dann langsam ab.
Epidemiologie und Verlauf
Die Lebenszeitprävalenz wird auf ca. 5% geschätzt. Das heißt, etwa 5 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Borderline-Störung. Die Punktprävalenz wird hingegen auf ca. geschätzt, was bedeutet, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ca. gleichzeitig eine Borderline-Diagnose vorliegt. Viele Betroffene suchen psychologische oder psychotherapeutische Hilfe auf. Studien zeigen, dass sich Betroffene nach einem Zeitraum von ca. nicht mehr die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllen. Dies lässt sich nicht durch Studien untermauern.
Ursachen und Entstehung
Für die Entstehung der Borderline-Störung lässt sich das Biopsychosoziale Modell heranziehen. Demnach spielen sowohl biologische Faktoren, psychische Faktoren als auch soziale Faktoren eine Rolle, die die Erkrankung hervorrufen können. Es gibt eine genetisch bedingte, erhöhte emotionale Sensitivität. Betroffene reagieren demnach mit stärkeren Emotionen als andere. Diese Emotionen werden dann vom sozialen Umfeld (z.B. traumatisch erlebten Invalidierung) nicht adäquat beantwortet. Invalidierung bedeutet, dass Bezugspersonen die Emotionen eines Kindes runterspielen, als nicht passend bezeichnen oder sogar bestrafen. In der Folge kann es zu Schwierigkeiten kommen, umzugehen und diese zu regulieren.
Ein weiteres Problem kann sein, dass Betroffene häufig eine sogenannte "sekundäre" Emotion zeigen. Das bedeutet, dass sie beispielsweise Wut oder Aggression zeigen, obwohl es eigentlich primär Angst oder Traurigkeit verspürt. Durch diese Erfahrungen lernen Betroffene oft, sich weder auf sich selbst, noch auf andere verlassen zu können. Dies kann die Folge sein.
Diagnostische Kriterien nach ICD-11
Die Diagnostik erfolgt vorweg auf einer allgemeinen und danach auf einer spezifischen Ebene. Zunächst muss geprüft werden, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu gehört, dass die Betroffenen Schwierigkeiten mit ihrem Selbstbild und ihrer Identität haben. Des Weiteren müssen Probleme im zwischenmenschlichen Bereich bestehen und die Schwierigkeiten müssen über einen längeren Zeitraum bestehen. Außerdem darf das Verhalten nicht altersentsprechend sein und muss von der soziokulturellen Umgebung abweichen. Wenn all diese Kriterien erfüllt sind, kann der Subtypus der Persönlichkeitsstörung abgeklärt werden.
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Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung zeigen sich vor allem Schwierigkeiten in den Affekten sowie eine ausgeprägte Impulsivität. Zu den spezifischen Kriterien gehören:
- Affektive Instabilität und extreme Stimmungsschwankungen (z.B. von intensiver Traurigkeit zu plötzlicher Reizbarkeit)
- Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgabe, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Essanfälle)
- schwere dissoziative Symptome (z.B. Depersonalisation, Derealisation)
Es ist wichtig zu erwähnen, dass Persönlichkeitsstörungen grundlegend neu definiert wurden. Die Diagnostik nach ICD-11 auch in der Praxis zum Standard wird, kann es noch einige Jahre dauern, da einerseits nur eine Entwurfsfassung vor und andererseits gibt es eine Übergangsfrist von mehreren Jahren. Von den ursprünglichen Kategorien der Persönlichkeitsstörungen im ICD-10 (z.B. Borderline, Dissoziale, Ängstlich-Vermeidende) sind lediglich die allgemeine Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sowie die Diagnose einer "Persönlichkeitsstörung - unspezifiert" übrig geblieben, wobei auch die Symptomatik sehr ähnlich definiert wurde.
Sofern die allgemeinen Kriterien als erfüllt betrachtet werden, kann der Schweregrad der Persönlichkeitsstörung eingeschätzt werden.
Diagnostik in der Praxis
In meiner Praxis wird vor jeder Behandlung eine ausführliche Diagnostik durchgeführt. Zum Einsatz kommen dabei (halb-)strukturierte Interviews (z.B. DIPS, SKID-II) und Fragebögen (z.B. BSL-23, IPO-R, Persönlichkeitsakzentuierungen - IKP). Diese helfen festzustellen, ob die entsprechenden Kriterien des DSM-V bzw. der ICD-11 eine Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Muster (bzw. vom Borderline-Typ) rechtfertigt. Außerdem wird geprüft, ob möglicherweise eine komorbide psychische Störung, wie eine Angststörung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.
Hinweis: Der folgende Test dient lediglich Ihrer eigenen Einschätzung der Symptomatik. Auf eine Interpretation wird verzichtet, da dies ausschließlich in Absprache mit einer dafür ausgebildeten Person erfolgen soll. Welche der folgenden Aussagen treffen auf Sie zu?
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Therapeutische Ansätze
Nach der Diagnosestellung folgt die Psychoedukation. Dabei werden die Betroffenen über die Entstehung, die Symptomatik und die aufrechterhaltenden Bedingungen der Erkrankung aufgeklärt. Ein zentraler Therapieansatz ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Ziel der DBT ist es, eine Veränderung herzustellen. Ein wichtiger Bestandteil ist die Akzeptanz der eigenen Gefühle. Es geht darum, die eigenen Emotionen zunächst einmal wahrzunehmen, damit diese dann auch leichter akzeptiert werden können. Das bedeutet nicht, die Gefühle gutheißen zu müssen, sondern sie zunächst einmal anzuerkennen (z.B. "Ich bin traurig").
Viele Borderline-Betroffene versuchen, zum Beispiel gegen unangenehme Gefühle anzukämpfen, um sie loszuwerden. Dies führt jedoch häufig dazu, dass die Gefühle noch stärker werden. Durch die Akzeptanz kann man sich davon distanzieren und sie aktiv gestalten kann, um mit diesem Gefühl adäquat umzugehen. Diese Akzeptanz wird dann in der Therapie geübt und in den Alltag übertragen.
Einen weiteren Schwerpunkt nimmt das sogenannte Skills- oder Fertigkeitentraining ein. Hier werden verschiedene Strategien und Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, besser mit der Borderline-Symptomatik klar zu kommen. Eines dieser Skills ist Achtsamkeit.
Weitere Skills beziehen sich auf die Stresstoleranz. Hier werden Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, die Anspannung zu regulieren und abzuschwächen. Wenn sich Betroffene beispielsweise auf einem Anspannungsniveau von ca. 8 von 10 befinden, können sie beruhigende Skills einsetzen, um die Anspannung zu reduzieren. Wenn die Anspannung jedoch sehr hoch ist und mit einem gewissen Kontrollverlust einhergeht sind hingegen radikalere Fertigkeiten erforderlich. Hier bieten sich zum Beispiel eiskaltes Duschen, auf einer Chilischote kauen oder auf einen Boxsack einschlagen an.
Ein adäquater Umgang mit emotional belastenden Emotionen wird ebenfalls gelernt. Hier kommen dann Prinzipien der Emotionsfokussierten Therapie zum Tragen. Es wird analysiert, welche Emotionen angemessen sind und welche zu stark, übertrieben oder unangemessen sind. Außerdem werden die zugrunde liegenden Bedürfnisse analysiert (z.B. das Bedürfnis nach Nähe, Autonomie, Sicherheit, Grenzen, Selbstwert, Lust, usw.).
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Borderline-Betroffene zeigen auch häufig dysfunktionale Denkmuster (z.B. "Ich bin wertlos" oder "Man kann anderen nicht trauen"). Diese gilt es, zu hinterfragen, zu überprüfen und wenn notwendig, durch neue, hilfreiche und realistische Gedanken zu ersetzen. Durch die Therapie soll sich auch der Selbstwert verbessern und das Selbstbild stabilisieren. Je nach Bedarf können weitere Therapiebausteine, wie beispielsweise die Bearbeitung traumatischer Erfahrungen, das Erlernen sozialer Fertigkeiten oder die Behandlung etwaiger zusätzlicher psychischer Störungen, ergänzt werden.
Es gibt kein Medikament, dass primär zur Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde. Allerdings können bestimmte Medikamente eingesetzt werden, um Begleitsymptome wie Depressionen, Angstzustände oder Schlafstörungen zu behandeln gilt.
Literatur: Bohus, M. (2019). Borderline-Störung.
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