Psychose ist ein Überbegriff für schwere psychische Störungen, bei denen die Betroffenen den Bezug zur Realität verlieren. Dadurch nehmen sie sich selbst und ihre Umwelt verändert wahr: Typische Anzeichen sind Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Zudem entwickeln sich oft Störungen im Denken und in der Motorik.
Was ist eine Psychose?
Der Begriff Psychose umfasst verschiedene schwere psychische Störungen, bei denen der Bezug zur Realität gestört ist. Wie sich das äußert, stellt sich recht unterschiedlich dar. Beispielsweise leiden Psychotiker unter Umständen unter Ich-Störungen, Angstzuständen, depressiver Stimmung und/oder Erregungszuständen bis hin zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Oft zeigen die Betroffenen keine Krankheitseinsicht, sondern sind vielmehr überzeugt, Veränderungen in der Umwelt wären verantwortlich.
Psychosen haben ganz unterschiedliche Ursachen (Erkrankungen, Verletzungen, Medikamente, Drogen) oder sind in ihrer Entstehung noch teilweise ungeklärt (endogene Psychose). Es gibt vorübergehende (akute) oder anhaltende (chronische) Störungen.
Experten gehen davon aus, dass weltweit etwa ein Prozent der Bevölkerung einmal im Leben eine Psychose entwickelt (Lebenszeitprävalenz). Meist passiert dies zwischen der Pubertät und dem 35. Lebensjahr. Frauen sind dabei ebenso häufig betroffen wie Männer.
Formen von Psychose
Es gibt verschiedene Formen von Psychosen.
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- Eine organische Psychose (exogene Psychose) basiert auf einer organisch feststellbaren Ursache wie etwa einer Verletzung oder Entzündung des Gehirns, einem Hirntumor oder einer Epilepsie.
- Eine durch Medikamente oder Drogen (Alkohol, LSD, Cannabis und andere) hervorgerufene Psychose wird als substanzinduzierte Psychose bezeichnet oder - im Falle von Drogen - als Drogen-Psychose.
- Bei einer nicht-organischen Psychose (endogene Psychose) wie der Schizophrenie sind die genauen Ursachen zum Teil noch unbekannt. Man geht von verschiedenen Faktoren wie genetischen, psycho-sozialen und teilweise organischen Ursachen wie etwa einer Störung der Hirnchemie aus.
- Als schizo-affektive Psychose bezeichnen Fachleute die Kombination aus Symptomen, die jeweils die Kriterien einer Schizophrenie und einer affektiven Störung erfüllen. Unter einer affektiven Störung versteht man eine psychische Störung, bei der die Stimmung krankhaft verändert ist - sie ist auffällig gehoben (Manie) oder gedrückt (Depression) oder wechselt zwischen diesen Extremen hin und her (bipolare Störung).
- Eine paranoide Psychose (wahnhafte Störung) ist eine akute psychotische Störung, bei der Wahnvorstellungen (wie Verfolgungswahn) im Vordergrund stehen. Die Grenzen zu anderen psychischen Störungen mit Wahnsymptomen sind fließend.
- Der Begriff postpartale Psychose steht für eine im Wochenbett auftretende Psychose.
Es gibt auch Mischformen verschiedener Psychosen.
Die Bipolare Störung
Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Die Betroffenen erleben sowohl depressive als auch manische Episoden. Während der depressiven Episode können die Symptome denen einer Depression ähneln. Während der manischen Episode erleben die Betroffenen ein übersteigertes Selbstbewusstsein, vermehrte Energie und Aktivität sowie impulsives Verhalten.
Die Manie kann eine eigene Störung sein oder Teil einer bipolaren Störung und wird durch einen Zustand des übermäßigen Hochgefühls und der Hyperaktivität gekennzeichnet. Die Betroffenen können ungewöhnlich euphorisch sein, impulsiv handeln und wenig Schlaf benötigen. Sie können auch Halluzinationen oder Wahnvorstellungen haben.
An einer Manie Erkrankte haben während der manischen Phase typischerweise keinerlei Krankheitseinsicht; sie fühlen sich nicht seelisch krank, sondern blendend und voller Tatendrang. Wenn die Phase abgeklungen ist, sitzen die Erkrankten vor einem großen Scherbenhaufen und sind voller Schamgefühle wegen ihres Verhaltens.
Eine abgeschwächte Form der Manie wird als Hypomanie bezeichnet (Vorstufe der Manie).
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Symptome einer Manie
In der Episode der Manie zeigen sich mindestens eine Woche lang 3 der der folgenden Symptome:
- starke Überaktivität, physische Rastlosigkeit, innere Getriebenheit
- vermehrte Gesprächigkeit
- gesteigerter Gedankenfluss oder das Gefühl "schneller zu denken"
- Unfähigkeit, Begonnenes zu vollenden
- Keine Sensibilität für die Bedürfnisse und Gefühle anderer
- Enthemmung, distanzloses Verhalten
- vermindertes Schlafbedürfnis; Patienten schlafen typischerweise nur wenige Stunden pro Nacht
- gesteigertes Selbstwertgefühl oder Größenwahn
- Ablenkbarkeit oder ständiges Ändern von Handlungen oder Plänen
- Kaufrausch, Drogenkonsum, Alkoholexzesse oder ähnliches Sucht-Verhalten ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen
- erhöhter sexueller Antrieb
Bei einer psychotischen Manie hat der Patient wahnhafte Zustände oder Halluzinationen. Mitunter kann sich der Zustand zu einer einem Delirium ähnlichen Verwirrtheit entwickeln, die einer sofortigen Therapie bedarf.
Wird die manische Person in ihrem Tatendrang und ihrer Willensfreiheit nicht ernst genommen oder behindert, kann die exzessive Hoch-Stimmung schnell umschlagen: Sie wird aggressiv, rechthaberisch, ungeduldig, abwertend, rücksichtslos, sehr gereizt und evtl. sogar handgreiflich. Besonders ihre Familie und ihr Bekanntenkreis haben meist sehr unter diesen extremen Stimmungswandlungen zu leiden, da sich der Maniker nicht stoppen oder belehren lässt.
Ursachen einer Manie
Die Ursachen für eine Manie sind noch nicht vollständig geklärt, allerdings wurde in Untersuchungen im Gehirn ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin festgestellt. Stress und psychische Belastungen (affektive Psychosen) wie eine Scheidung, Jobverlust, Tod eines Angehörigen etc. können manische Phasen auslösen.
Genetische Faktoren
Anhand von Familien-, Zwillings- und Adoptionsuntersuchungen konnte gezeigt werden, dass genetischen Faktoren eine erhebliche Bedeutung bei der Entstehung bipolar affektiver Störungen zukommt.
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Bei eineiigen Zwillingen (deren DNA im Zellkern sich nahezu 100% gleicht) steigt das Risiko für den zweiten Zwilling, wenn sein Konterpart an einer bipolar affektiven Erkrankung leidet, auf bis zu 70% und auch erstgradig Verwandte eines an einer bipolar affektiven Störung Erkrankten haben mit 5-10% ein immer noch deutlich erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung mit 0,5-1,5%.
Sicher ist, dass es sich dabei nicht um nach den mendelschen Regeln vererbten Erkrankungen handelt und die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bipolar affektive Störungen genetisch komplexe Erkrankungen sind, bei denen verschiedenste Gene und auch epigenetische, psychische und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.
Psychose und Stimmenhören
Psychose ist ein Überbegriff für schwere psychische Störungen, die mit einem Realitätsverlust verbunden sind. Bei den Betroffenen kann es unter anderem zu Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen. Häufig treten diese Symptome bei schizoaffektiven Störungen und Schizophrenie auf.
Das kann so weit führen, dass Betroffene Stimmen hören und Dinge sehen, die nicht vorhanden sind, oft sind es die Angehörigen, die bei diesem manischen Verhalten aktiv werden.
Betroffene:r hört Stimmen, sieht oder spürt etwas, das nicht real ist (z. B. der Denkprozess geht langsamer vor sich, das Gesagte ist unzusammenhängend, wahnhafte Gedanken entstehen (z. B. Betroffene:r hat das Gefühl, dass Gedanken ihm nicht allein gehören bzw.
Diagnose
Wenn Sie bei sich eine Psychose vermuten, sollten Sie dringend einen Arzt aufsuchen. Der Verlust des Realitätsbezugs birgt nämlich die Gefahr, dass Sie sich selbst oder andere gefährden.
Erster Ansprechpartner bei Psychose-Verdacht ist der Hausarzt. Er wird Sie bei Bedarf an einen niedergelassenen Psychiater oder in eine psychiatrische Klinik überweisen.
Um sich ein Bild zu machen, wird Ihnen der Arzt im Erstgespräch (Anamnese) beispielsweise folgende Fragen stellen:
- Hören Sie Stimmen oder sehen Sie Dinge, die andere nicht hören oder sehen?
- Haben Sie das Gefühl, verfolgt zu werden?
- Haben Sie viel Kontakt zu Familienangehörigen und/oder Freunden?
- Sind Sie in letzter Zeit ungewöhnlich reizbar?
- Fühlen Sie sich oft bedrückt oder aufgedreht?
Nach dem Erstgespräch steht eine körperliche Untersuchung an. Sie gibt gegebenenfalls Hinweise auf eine organische Ursache der Psychose. Anhand von Blut- und Urinproben stellt der Arzt etwa fest, ob Drogenmissbrauch, Entzündungen oder Stoffwechselstörungen hinter den Symptomen stecken. Mithilfe von neurologischen Tests lassen sich Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose und Epilepsie erkennen.
Stellt der Arzt keine Ursache fest, ist ein Fachmann wie ein Psychiater der richtige Ansprechpartner, der Sie auf mögliche psychische Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolare Störung oder Depression untersucht. Dabei helfen ihm klinische Fragebögen, die sich an den Klassifikationssystemen psychischer Störungen orientieren.
Diagnostisch können Erkrankungen mit psychotischen Symptomen erst im langfristigen Verlauf sicher in Klassifikationssysteme wie die ICD-10 eingeordnet werden. Denn durch den phasenhaften Verlauf ist zunächst unklar, ob es sich nur um ein einmaliges Ereignis handelt (z. B. vorübergehende akute psychotische Störung) oder sich ein langfristiger Verlauf entwickelt.
Behandlung
Zur Behandlung einer akuten Manie werden Lithiumpräparate, Antiepileptika oder atypische Neuroleptika eingesetzt, die genau nach ärztlicher Vorschrift eingenommen werden müssen. In der Akutphase der Erkrankung können Beruhigungsmittel (Tranquilizer) hilfreich sein, um die Erregung der Patienten zu dämpfen oder ihnen Schlaf zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden meist Benzodiazepine oder Neuroleptika eingesetzt.
Wenn der Patient Einsicht zeigt, dass er sich einer Behandlung unterziehen muss, ist eine Psychotherapie sehr hilfreich. Sie kann mit positiv beeinflussenden, helfenden Gesprächen bzw.
Es ist von großer Bedeutung, dass die Betroffen:e über die eigene Erkrankung Bescheid weiß - die Vermittlung dieses Wissens nennt man Psychoedukation. Eine vertrauensvolle und offene Gesprächsbasis mit der behandelnden Ärzt:in ist zudem wichtig. Betroffene müssen unbedingt ehrlich angeben, ob sie ihre Medikamente einnehmen, damit keine Fehldosierung passiert. Außerdem sollten Betroffene bereit sein, sich unter Anleitung einer Ärzt:in auf verschiedene therapeutische Methoden und Medikamente einzulassen, um das beste Behandlungsmittel für die vorliegenden Störungen zu finden.
Krankheitsverlauf und Prognose
Psychosen galten lange Zeit als schwer behandelbar oder gar unheilbar. Das hat sich jedoch dank verbesserter Therapieoptionen mittlerweile in vielen Fällen geändert. Grundsätzlich hängt die Prognose wesentlich von der Art der Psychose ab. Beispielsweise bestehen etwa bei einer akuten organischen Psychose oft gute Aussichten, während eine chronische organische Psychose vielfach einen chronisch fortschreitenden Verlauf nimmt. Bei endogenen Psychosen haben affektive Psychosen im Allgemeinen eine günstigere Prognose als eine Schizophrenie.
Im Einzelfall sieht die Prognose einer Psychose mitunter anders aus. Generell ist es wichtig, eine Psychose möglichst frühzeitig zu behandeln (Medikamente, Psychotherapie). Alles, was dem Leben der Betroffenen zusätzlich Stabilität verleiht, verbessert die Prognose weiter. Dazu gehören stabile soziale Bindungen und ein berufliches Umfeld, das Psychose-Patienten nicht überfordert.
Vorbeugung
Generell lässt sich einer Psychose nicht vorbeugen, da es verschiedene Ursachen gibt, die zum Teil noch nicht bekannt sind. Allerdings lässt sich in vielen Fällen eine beginnende Psychose bereits in einer frühen Form erkennen - insbesondere, wenn es bereits in der Vergangenheit psychotische Episoden gegeben hat. Eine möglichst frühe und konsequente Behandlung hilft oft, eine akute Psychose vorbeugend zu verhindern.