Bei Menschen mit einer bipolaren Störung treten extreme Stimmungsschwankungen auf. Unter einer bipolaren Störung versteht man eine psychische Erkrankung, die zu den affektiven Störungen zählt. Früher nannte man die bipolare Störung auch manisch-depressive Erkrankung. Das Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch wiederholte Episoden deutlich beeinträchtigender Stimmung und Veränderungen im Aktivitätsniveau.
Betroffene erleben dabei wechselnde Phasen, die sich durch manische und depressive Episoden kennzeichnen. Meist überwiegen depressive Phasen mit Symptomen wie vermindertem Antrieb, Gefühlsleere oder Appetitverlust. Auf eine depressive Phase folgt eine manische: Sie lässt Betroffene vor Energie strotzen und treibt sie zu Höchstleistungen - bis der Absturz in die Depression kommt. Zwischen zwei Episoden können auch beschwerdefreie Phasen liegen. Es gibt auch Mischformen, bei denen depressive und manische Phasen gleichzeitig auftreten. Eine leichte Form der Manie wird auch als Hypomanie bezeichnet.
Die bipolare Störung beginnt meist im frühen Erwachsenenalter und betrifft Frauen und Männer etwa gleich häufig. Schätzungen zufolge leiden etwa 400.000 bis 800.000 Österreicher:innen an moderaten Formen dieser Erkrankung. In Österreich leiden zwischen 85.000 und 170.000 Personen (1 bis 2 Prozent der Allgemeinbevölkerung) an schweren Verlaufsformen der bipolaren Störung. Menschen mit schweren Krankheitsverläufen haben meist ein erhöhtes Suizidrisiko.
Mögliche Gründe für die Entstehung einer bipolaren Störung sind auf multifaktorielle Aspekte zurückzuführen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei biologisch-genetische Faktoren sowie zusätzlich soziale und psychische Faktoren. Außerdem können Umwelteinflüsse und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften die Entwicklung einer bipolaren Störung beeinflussen.
Verschiedene Episoden der bipolaren Störung
Bei der bipolaren Störung können verschiedene Episoden auftreten wie depressive, manische, hypomanische und gemischte Phasen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass zwischen Episoden auch eine beschwerdefreie Phase liegt. Die depressive Episode einer bipolaren Störung unterscheidet sich nicht von schweren Stadien einer unipolaren Depression. In exzessiven Hochstimmungsphasen (Manie) haben Betroffene große Probleme mit der eigenen Wahrnehmung. Sie zeigen oft ein rücksichtsloses Verhalten zu ihrer Umwelt. Während manischer Episoden kann die Stimmung der Betroffenen von sorgloser Heiterkeit bis hin zu unkontrollierbarer Erregung gekennzeichnet sein. Die Vorstufe zur Manie wird - mit abgeschwächten Beschwerden - auch als Hypomanie bezeichnet.
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Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Dies zeigt sich z.B. in gesteigertem Antrieb trotz depressiver Stimmung.
Diagnose und Abklärung
Zu Beginn wird eine ausführliche Krankengeschichte (Anamnese) und Probleme der Patient:in erhoben. Es erfolgen genaue klinische Unterscheidungen zur Abklärung der Beschwerden (z.B. Klinisch-psychologische Diagnostik, CT/MRT, EEG). Die Zyklothymie zeigt anhaltende Stimmungsschwankungen zwischen leichter Depression und leichter Euphorie. Zudem können bestimmte Medikamente, insbesondere Antidepressiva, ähnliche Symptome wie Manie oder Hypomanie auslösen.
Therapie und Behandlung
Bei der Akuttherapie geht es vordergründig darum, die depressiven bzw. (hypo-) manischen Symptome zu lindern. Die Akuttherapie erfolgt in der Regel in einem Krankenhaus oder in einer Tagesklinik.
Ziel ist es den erreichten Zustand zu stabilisieren und für circa 6 Monate rückfallsfrei zu bleiben. Betroffene können im Rahmen einer Psychotherapie neben der medikamentösen Behandlung Unterstützung bekommen. Gemeinsam mit der Patient:in werden Therapieziele festgelegt, wie zum Beispiel das Verständnis und Milderung der Symptome oder ein besserer Umgang mit Gefühlen und Alltagsprobleme.
Die Rückfallprophylaxe beschreibt die letzte Phase der Behandlung und dient dazu, den Patient:innen mithilfe präventiver Strategien mit ihrer Erkrankung besser umzugehen. Es geht um eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden. Wichtig ist es, die verordneten Medikamente regelmäßig einzunehmen, auch wenn der Zustand stabil ist.
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Stress zählt zu den möglichen Auslösern einer Episode.
Die meisten Patienten mit einer bipolaren Störung erleben nur wenige Krankheitsepisoden. Nur einer von zehn Patienten erleidet mehr als zehn Episoden in seinem Leben.
Die Dauer von depressiven und manischen Episoden variiert zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und (sehr selten) einigen Jahren. Im Schnitt beträgt sie bei unbehandelten Patienten vier bis zwölf Monate. Zwischen diesen Episoden können Betroffene mehr oder weniger lange symptomfrei sein.
Bei der Sonderform namens Rapid Cycling treten über das Jahr verteilt mindestens vier Phasen einer Manie oder Depression auf, und die instabile Stimmungslage bleibt oft auch in den Intervallen dazwischen erhalten.
Die bipolare Störung macht sich meist erstmals im Alter zwischen 15 und 25 Jahren bemerkbar. Dabei gilt: Je früher die bipolare Störung auftritt, desto ungünstiger ist meist der Verlauf. Laut Studien besteht bei jungen Patienten eine höhere Suizidalität, und es treten oft weitere psychische Störungen auf.
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Experten schätzen die Rate an Suiziden bei bipolaren Patienten auf circa 15 Prozent.
Neben einem jungen Ersterkrankungsalter gibt es noch weitere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bei bipolarer Störung, sprich für häufig wiederkehrende Episoden. Dazu zählen weibliches Geschlecht, schwerwiegende Lebensereignisse, gemischte Episoden, psychotische Symptome (wie Halluzinationen) sowie ungenügendes Ansprechen auf die phasenprophylaktische Therapie. Sehr häufig wiederkehrende Krankheitsepisoden gibt es auch bei der Erkrankungsform Rapid Cycling.
Studien zeigen überdies, dass Menschen mit bipolaren Störungen ein doppelt so hohes Sterberisiko haben wie die Gesamtbevölkerung. Auch leben sie im Schnitt etwa neun Jahre weniger. Zudem sind sie gefährdeter, körperliche Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes zu bekommen, als psychisch gesunde Menschen. Eine rechtzeitige und umfassende medizinische Betreuung ist für Betroffene daher besonders wichtig.
Wichtig für die Prognose ist, eine bipolare Störung möglichst früh zu diagnostizieren und zu behandeln. Unbehandelt treten die manischen und depressiven Phasen immer öfter auf. Je mehr solcher Krankheitsepisoden ein Patient durchgemacht hat, desto schlechter wirkt in der Regel die Behandlung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine rechtzeitige fachgerechte Therapie den Verlauf deutlich verbessern kann.
Leider können aber auch dann Rückfälle nicht ausgeschlossen werden. Die Symptome der bipolaren Störung und damit der Leidensdruck lassen sich durch die Medikamente (und andere Behandlungsmaßnahmen) aber deutlich abschwächen.
Die Lebenszeitprävalenz von Bipolar I-Störungen (BPI), also der klassischen manisch-depressiven Krankheit, beläuft sich weltweit auf 0,3 bis 1,5 Prozent. Durch Einbeziehung der subsyndromalen Formen im Rahmen des so genannten bipolaren Spektrums steigt die Prävalenz der Allgemeinbevölkerung, je nach Definition und breite des Spektrums auf 5 bis 15% an. Ein anderer Subtypus ist die Bipolar II Störung (BPII) mit depressiven Episoden, welche von hypomanen Episoden begleitet werden.
Sogenannte Rapid Cycling Verläufe (≥ 4 Episoden / Jahr egal welcher Auslenkung) werden nicht als spezielle Subtypen angesehen, da diese, obschon sie mit zunehmender Dauer der Erkrankung häufiger auftreten auch wieder verschwinden können. Die Episoden können in beliebiger Reihenfolge und Kombination auftreten, fließend ineinander übergehen oder durch zeitweise bestehende Euthymie voneinander abgegrenzt sein.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich hier auch einfach die geschlechtsspezifischere höhere Vulnerabilität für Depressionen bei Frauen widerspiegelt; das Geschlechterverhältnis bei Bipolar-IIStörungen wird im Allgemeinen mit 2:1 (Frauen vs. Männer) angegeben, während es bei Bipolar-I-Störungen ausgeglichen erscheint.
Insgesamt scheint also die Depression bei Bipolar-II-Patienten stabiler und im Verlauf eher chronifizierend, mit all ihren negativen Konsequenzen. Das Offensichtlichste ist sicher die hohe Rate an Suizidversuchen und vollendeten Suiziden bei Bipolar-II-Patienten, die diejenige von Bipolar-I-Patienten und Patienten mit unipolaren Depressionen übertrifft.
Die Lebenszeitprävalenz für Substanzmissbrauch und -abhängigkeit bei Bipolar-II-Patienten liegt in industrialisierten Ländern bei etwa 40 Prozent. Im Vergleich zu Patienten mit Bipolar- I-Störungen scheint sich jedoch der Substanzmissbrauch bei Bipolar- II-Patienten generell auf einem etwas niedrigeren Niveau zu bewegen.
Die US-amerikanische STEP- BD-Kohortenstudie beschreibt komorbide Angsterkrankungen mit einer Lebenszeitprävalenz von 52,8 Prozent bei Bipolar-I- und 46,1 Prozent bei Bipolar-II-Patienten.
Bipolar- II-Patienten weisen ein fast identisches Profil kognitiver Einbußen wie Bipolar-I-Patienten auf und schneiden im Vergleich zu Kontrollen insbesondere schlechter in den Bereichen psychomotorische Geschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis und Handlungsausführung (executive functioning) ab.
Eine große Vergleichsuntersuchung konnte zeigen, dass Bipolar-II-Patienten im FAST genauso schlecht abschneiden wie Bipolar-I-Patienten, und zwar in allen getesteten sechs Domänen: Selbstständigkeit, Beruf, Denk-und Handlungsfähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen, Regelung der Finanzen, Freizeitgestaltung.
Trotz vieler Parallelen von Verlauf und Symptomen ist die Bipolar-IIStörung nicht nur eine abgeschwächte Form der Bipolar-I-Störung. Im Gegenteil, die höhere Rate an depressiven Episoden und Suiziden stellen eine besondere Herausforderung in der Behandlung dar.
Probleme und Defizite durch die Erkrankung haben ebenfalls eine andere Gewichtung bei Bipolar- II-Patienten. Während sie Belange des Alltags überwiegend gut bewältigen können, empfinden sie mehr Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Dieses unterschiedliche Profil sollte in der Behandlung, insbesondere einer begleitenden Psychotherapie, unbedingt Berücksichtigung finden.
Es gibt Patienten, bei denen die manisch-depressiven Episoden mit dem Alter schwächer werden, nur noch selten auftreten oder ganz ausbleiben. Andere begleitet die Erkrankung ein Leben lang. Methoden zur sicheren Heilung gibt es nicht.
Bipolare Störungen sind hoch rezidivierende Stimmungserkrankungen. Die Jahresinzidenzrate mit episodischen Auslenkungen entweder nach oben in die (Hypo)-Manie oder nach unten in die Depression, ist im Vergleich zur unipolar depressiven Störung doppelt so hoch (0,4 vs. 0,2). 5 % der Patienten erleben nur eine Episode. 15 bis 20 % aller Patienten durchleben einen chronischen Verlauf.
In einer Kohortenstudie waren die Patienten fast 46 % der Zeit erkrankt. Depressive (32 %) kamen dreimal öfters als manische Symptome (9 %) vor; Mischzustände waren in 6 % der Fälle vorhanden. Manische Episoden persistieren sechs Wochen, majore depressive Episoden 12 und gemischte Episoden 45 Wochen.
Junges Alter in der Index Episode, Dauer der Index Episode, sowie der Schweregrad der depressiven Symptomatik (ev. einer komorbiden psychotischen Symptomatik oder Substanzgebrauch) sind negative Prädiktoren für den Krankheitsverlauf.
Die auffälligste Form der „manisch-depressiven Störung“, ist die, die wir als „Bipolar I“ bezeichnen, mit sehr ausgeprägten Symptomen in der Manie und starkem Rückzug, bzw.
Die Beschwerden werden nicht als Krankheit empfunden. Der Zusammenhang der einzelnen Episoden, beziehungsweise der zeitliche Ablauf der unterschiedlichen Stimmungslagen von gehoben euphorischer über gereizt, aggressive bis hin zu energieloser gedrückter Stimmung über die Jahre wird nicht erkannt.
Die zeitliche Dauer der einzelnen Episoden erstreckt sich über einen Zeitraum von wenigen Tagen, meist mehreren Wochen bis hin zu Monaten. Zwischen den einzelnen Episoden liegen Zeiträume mit „normaler“ Stimmungs- und Antriebslage.
Um die Dauer der einzelnen Episoden zu verkürzen, werden Antidepressiva bei depressiven Episoden oder Phasen bzw. Medikamente zur Behandlung von Manien (atypische Antipsychotika, Lithium, Vaölproat) eingesetzt.