Reizbarkeit ist ein weit verbreitetes Phänomen, das viele von uns in bestimmten Phasen des Lebens erleben. Doch was, wenn die Reizbarkeit anhält und zum ständigen Begleiter wird? Die Ursachen und Auslöser von Reizbarkeit sind enorm vielfältig und können sowohl mentaler als auch körperlicher Natur sein.
Was ist Reizbarkeit?
Unter Reizbarkeit versteht man eine schwankende, unsichere oder auch haltlose Stimmung. Man könnte den emotionalen Zustand auch als labil - das Gegenteil von stabil - bezeichnet. Schon geringe äußere Faktoren oder Reize reichen bei erhöhter Reizbarkeit aus, um bei einem Menschen negative Reaktionen im Verhalten hervorzurufen. Die Gereiztheit ist demnach ein sogenanntes unspezifisches, psychisches Symptom, das durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden kann.
Reizbarkeit zeichnet sich dadurch aus, dass schon geringe äußere Reize dazu führen können, dass Menschen negative Verhaltensweisen zeigen. Somit macht sich die anhaltende Gereiztheit auch im Umgang mit anderen bemerkbar.
Die Reizbarkeit gilt als Allgemeinsymptom einer Vielzahl an unterschiedlichen Phasen sowie Erkrankungen. Demnach ist sie häufig zu beobachten. Besonders unter Jugendlichen scheint Gereiztheit aktuell im Zuge psychischer Beschwerden verbreitet zu sein. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation kommt zu dem Schluss, dass rund 25 % der Jugendlichen zumindest einmal pro Woche gereizt sind oder nicht einschlafen können.
Ursachen von Reizbarkeit
Denn hinter ständiger Reizbarkeit können verschiedene harmlose bis ernstzunehmende Ursachen stecken. Abgesehen davon, dass erhöhte Reizbarkeit negative Auswirkungen und Folgen im Sozialleben sowie auch im beruflichen Umfeld haben kann, können dahinter auch behandlungsbedürftige Erkrankungen stecken. Darum sollte weder chronische Gereiztheit noch akut auftretende Gereiztheit, für die keine erkennbare Ursache vorhanden ist, auf die leichte Schulter genommen werden.
Lesen Sie auch: Ursachen von THC-Panikattacken
Bei manchen reicht womöglich bereits der Umstand, an einem Tag ohne Kaffee auskommen zu müssen, andere sind leichter gereizt als sonst, wenn sie z. B. bedingt durch Sportverletzungen weniger Sport zum Ausgleich von Stress betreiben können. An dieser Stelle ist es auch bedeutsam, zwischen gelegentlicher Reizbarkeit und einer chronischen Gereiztheit zu unterscheiden.
Wenn man kaum geschlafen hat und Kopfschmerzen bekommt, reagiert man vielleicht an diesem Tag leichter gereizt als an anderen Tagen. Manche Menschen werden für phasenweise auftretende Reizbarkeit demnach auch dem Alltag geschuldete Erklärungen finden. Die Auslöser für Reizbarkeit sind vielfältig.
Selbst wenn keine krankhafte oder aus dem Lebensstil erklärbare Ursache hinter der Gereiztheit liegt, gelten manche Menschen als deutlich schneller reizbar als andere. Warum ist das so? Diese Frage ist Gegenstand der medizinischen Forschung und auch die Psychotherapie widmet sich solchen Fragestellungen. Mögliche Antworten liefern zum Beispiel Unterschiede in der Emotionsregulation der Menschen oder Verschiedenheiten in der Verarbeitung von Reizen im Gehirn. Wie bei den meisten mentalen Fragestellungen scheint die Antwort auch hier ein Zusammenspiel aus bio-psycho-sozialen Faktoren zu sein.
Psychische Ursachen
Wie bereits weiter oben erwähnt, können Nervosität und innere Unruhe mit Reizbarkeit einhergehen. Sie können allerdings ebenso der Grund für die übermäßige Gereiztheit sein. Wer anhaltend unruhig ist, erlebt mental sowie körperlich eine chronische Form von Stress. Ein drohendes Burn-out kann sich unter anderem in einer Wesensveränderung zeigen, zu der beispielsweise eine verstärkte Reizbarkeit gehören kann.
- Depressionen: Während bei einer Depression die meisten von uns an Symptome wie Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Interessensverlust oder Antriebslosigkeit denken, kann sich die Erkrankung der Psyche bei Männern häufig ganz anders darstellen.
- Psychische Störungen: Bestimmte psychische Störungsbilder können ebenso Grund für erhöhte Reizbarkeit sein.
Körperliche Ursachen
- Schlafprobleme: Wir alle haben schon einmal erlebt, dass wir uns bei anhaltender Müdigkeit im übertragenen Sinn dünnhäutiger fühlen und uns vielleicht schneller kränken, rascher Angst bekommen oder ungewöhnlich emotional werden. Schlafprobleme können demnach ebenso zu einer erhöhten Reizbarkeit führen. Ein Mangel an Schlaf z. B.
- Schilddrüsenprobleme: Eine Überfunktion der Schilddrüse kann zu einer Reihe psychisch-mentaler Beschwerden und Symptome führen. Dazu gehören beispielsweise Nervosität und Aggressivität. Betroffene einer Schilddrüsenunterfunktion können leicht irritierbar, schreckhaft und über die Maßen ängstlich sein.
- Hormonelle Schwankungen: Während des monatlichen weiblichen Zyklus kann es zu Schwankungen der Hormone kommen, die unter anderem für das Prämenstruelle Syndrom (PMS) verantwortlich sind. Ein Leitsymptom von PMS ist die Reizbarkeit, die sich zusammen mit anderen mentalen und körperlichen Beschwerden in der Zeit kurz vor der Periode zeigt. Auch während der Wechseljahre und in der Menopause selbst kann der veränderte Hormonhaushalt zu einem vermehrten Gefühl von Gereiztheit führen.
Reizbarkeit als Symptom der Depression bei Männern
Depressionen sind bei Männern schwer zu erkennen, da sie nicht in die Schablone passen. Depressive Männer sind meist nicht nur verstimmt und bedrückt, sondern legen - anders als depressive Frauen - oft auch gereiztes und impulsives Verhalten an den Tag. "Oftmals treten betroffene Männer geradezu feindselig und aggressiv auf und haben eine nach außen gerichtete Vorwurfshaltung sowie eine niedrige Stresstoleranz", erläutert Mathias Berger von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Berlin. Auch neigen Männer in dieser Situation zu übertriebenen Reaktionen, könnten wegen Kleinigkeiten ausrasten, erklärte der Experte.
Lesen Sie auch: Kognitive Beeinträchtigungen bei Depressionen
Im Nachhinein empfinden sie ihr Verhalten zumeist selbst als unpassend oder übertrieben und bereuten oder bedauerten ihren Wutausbruch. Allgemeine Unzufriedenheit mit sich selbst und dem eigenen Verhalten seien wiederum typisch für Depressionen bei Männern.
Neben aggressivem Auftreten seien bei ihnen auch riskante Verhaltensweisen wie beispielsweise waghalsiges Autofahren oder antisoziales Benehmen möglich. Vermehrter Alkoholkonsum könne ebenso ein Anzeichen einer nahenden oder bestehenden Depression sein, sagte Berger.
Männer führen nach Angaben Bergers Befindlichkeitsstörungen häufig auf Stress und berufliche Belastungen zurück und zögen eine psychische Erkrankung eher nicht in Betracht. "Auch trägt das männliche Rollenbild, das von Unabhängigkeit und Selbstsicherheit gekennzeichnet ist, dazu bei, dass sie erst sehr spät Hilfsangebote aufsuchen oder sich selbst nur schwer eine mögliche Erkrankung eingestehen", betont der Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Freiburger Universität.
Dysthymie: Eine chronische Form der Depression
Dysthymia ist eine abgeschwächte Form der Depression. Die auftretenden depressiven Symptome dauern jedoch mehrere Jahre lang an. Sie schränken das Leben der Betroffenen somit erheblich ein und verursachen großes Leid.
Die Symptome einer Dysthymie entsprechen denen einer klassischen Depression - in weniger ausgeprägter Form. Es gehören dazu: Verminderter Antrieb, Schlafstörungen, Geringes Selbstvertrauen, Konzentrationsschwierigkeiten, Sozialer Rückzug, Interessenverlust, Verminderte Gesprächigkeit, Pessimistische Zukunftssicht, Schwierigkeiten mit Routineaufgaben, Tendenz zum Weinen, Hoffnungslosigkeit.
Lesen Sie auch: Psychischer Stress als Auslöser für Netzhautablösung?
Nach der Definition der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) müssen folgende Kriterien für die Diagnose der Dysthymia vorliegen: Die depressiven Symptome zeigen sich konstant über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren oder treten in dieser Zeit regelmäßig auf. Phasen mit normaler Stimmungslage dauern kaum länger als einige Wochen an. Eine leicht gesteigerte Stimmung (Hypomanie) kommt nicht vor. Die Phasen sind nicht so schwer, dass sie die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllen. Mindestens drei der typischen Depressions-Symptome liegen während einer depressiven Phase vor.
Was tun bei Reizbarkeit?
Bei chronischer Reizbarkeit sollten Sie generell ärztlichen Rat in Anspruch nehmen, um mögliche körperliche Ursachen wie Schilddrüsenprobleme, Vitaminmangel oder andere Blutwerte abzuklären.
Nachdem die Reizbarkeit ein Symptom und keine Erkrankung an sich ist, gibt es keine Behandlung gegen die Gereiztheit an sich. Allerdings können sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen, die der Reizbarkeit zugrunde liegen, medizinisch bzw. psychotherapeutisch behandelt werden. Die Behandlung der Reizbarkeit richtet sich also nach der Ursache und hat zum Ziel, die zugrundeliegende Ursprungserkrankung zu therapieren.
Bei erhöhter Reizbarkeit kann man sich an medizinisches, klinisch-psychologisches und psychotherapeutisches Fachpersonal zur weiteren Abklärung der Gereiztheit wenden.
Strategien zur Reduktion von Reizbarkeit
- Schlafhygiene: Sollte der Grund für die Gereiztheit in einem Mangel an Schlaf liegen, sollten Sie darauf achten, ausreichend Schlaf zu bekommen. Gehen Sie daher zeitgerecht ins Bett, anstatt das Schlafengehen chronisch aufzuschieben.
- Stressmanagement: Stress ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um das Symptom der Gereiztheit geht. Anhaltender, chronischer Stress kann zu einem Gefühl der permanenten Anspannung, Wachsamkeit und eben auch zu erhöhter Reizbarkeit führen. Nicht immer ist es in unserem fordernden Alltag möglich, stressige Phasen komplett zu vermeiden. Neben einem aktiven Stressmanagement kann bewusstes Entspannen einen wertvollen Beitrag zu mehr Gelassenheit leisten und zu einer Reduktion von Reizbarkeit beitragen. Ob Sie dafür bestimmte Entspannungsübungen nutzen oder etwa auf Meditation zurückgreifen, bleibt ganz Ihnen überlassen.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen, den Körper mit ausreichenden Vitaminen und Nährstoffen zu versorgen. In Bezug auf Gereiztheit ist das deshalb wichtig, weil beistimmte Mangelerkrankungen mit dem Symptom der Reizbarkeit einhergehen. So ist das Gefühl, gereizt zu sein, beispielsweise auch ein Symptom der durch Vitamin B1-Mangel entstehenden Erkrankung Beriberi.
- Bewegung: Vielleicht kennen Sie das gute Gefühl nach einem Kraft- oder Ausdauertraining? Abgesehen davon, dass sich durch Bewegung Stress und Anspannung abbauen lassen, tun wir auch unserem Körper etwas Gutes, wenn wir moderat trainieren. Regelmäßige Bewegung in der Natur wirkt sich nachweislich positiv auf unser Gemüt aus.
- Phytotherapie: Der Phytotherapie kommt gerade beim Symptom der Reizbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Der Grund: Mit der Arzneipflanze Rosenwurz ist beispielsweise ein Kraut gewachsen, das einen Faktor für Reizbarkeit bekämpft, nämlich Stress. Ein pflanzlicher Extrakt aus der Rhodiola rosea hilft dem Körper nicht nur dabei, sich besser an vorhandenen Stress anzupassen, sondern spendet gleichzeitig Energie. Eine weitere bewährte Pflanze bei innerer Unruhe, die mit erhöhter Reizbarkeit einhergehen kann, ist die Passionsblume.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre aktuelle Reizbarkeit beispielsweise aufgrund belastender Lebensereignisse, bestimmter Krisen oder möglicher Gedankenmuster entsteht, kann es entlastend sein, sich Unterstützung zu suchen.
tags: #aggressiv #durch #depressionen #ursachen