ADHS bei Erwachsenen: Ursachen und Vergesslichkeit

Die Abkürzung ADHS steht für die sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Betroffen von ADHS sind in Deutschland etwa drei bis sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen, also etwa 500.000 Personen. Die mit ADHS verbundenen Beschwerden können bei den Betroffenen vom Vorschul- bis zum Erwachsenenalter auftreten - etwa drei Prozent der Erwachsenen leiden unter dem Problem.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (kurz ADHS genannt) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Sie bessert sich meist mit dem Älterwerden, kann jedoch auch bis ins Erwachsenenalter andauern. Jungen/Männer sind häufiger betroffen als Mädchen/Frauen. ADHS äußert sich durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität.

Was ist ADHS?

Bekannt ist ADHS in der Öffentlichkeit auch unter den veralteten Begriffen „hyperkinetische Störung“, „frühkindliche leichte Hirnschädigung“, „hyperkinetisches Syndrom“ oder „Zappelphilipp-Syndrom“. Erstmals hat der Nervenarzt Heinrich Hoffmann aus Frankfurt ADHS anno 1845 in „Der Struwwelpeter“ literarisch präsentiert, weshalb hyperaktive Kinder auch jetzt noch gern als „Zappelphilipp“ bezeichnet werden. Die medizinische Bezeichnung, die bis heute gültig ist, erhielt die Krankheit jedoch erst 1987.

Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass ADHS die Folge einer fehlerhaften Weiterleitung von Informationen zwischen den verschiedenen Nervenzellen ist. Impulsivität, Hyperaktivität oder Unaufmerksamkeit gelten als wichtigste Symptome. Damit entsprechen die Symptome von ADHS jenen des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, wobei hierbei Hyperaktivität fehlt.

Von ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) spricht man, wenn Betroffene sehr unaufmerksam sind, jedoch nicht hyperaktiv. Eine ausgeprägte ADHS kann den Alltag von Betroffenen und das soziale Umfeld (Eltern, Geschwister etc.) stark beeinträchtigen.

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Symptome von ADHS bei Erwachsenen

Die Symptome von ADHS bei Erwachsenen sind denen von Kindern ähnlich. Die motorische Hyperaktivität ist jedoch weniger ausgeprägt. Häufig spricht man dann von ADS. Innere Unruhe und Vergesslichkeit stehen im Vordergrund. Impulsives Verhalten und unüberlegte Handlungen bleiben bestehen.

Besonders bei erwachsenen Frauen wird die Diagnose ADHS selten gestellt, obwohl die Beeinträchtigungen erwachsener Frauen und erwachsener Männern nahezu gleich stark ausgeprägt sind. Folgende Symptome sind typisch für ADHS bei Erwachsenen. Sie müssen jedoch nicht bei allen Betroffenen in gleicher Ausprägung und Stärke vorkommen:

  • Organisationsschwierigkeiten
  • Aufmerksamkeitsstörung
  • Impulsivität
  • Geringe Stress- und Frustrationstoleranz
  • Überaktivität

Bei Erwachsenen rückt die motorische Hyperaktivität in den Hintergrund, während innere Unruhe, Ruhelosigkeit, das „Gefühl der Getriebenheit“ und Vergesslichkeit zunehmen.

Erwachsene mit ADHS handeln oft impulsiv. Sie treffen Entscheidungen spontan aus dem Bauch heraus. Auch ihre Stimmung kann schnell umschlagen. Sie reagieren auf Kritik äußerst sensibel und sind schnell verletzt. Gleichzeitig sind sie nicht zurückhaltend, wenn sie anderen unverblümt ihre Meinung sagen. Für ihre Mitmenschen kann dieses Verhalten sehr anstrengend sein.

Viele Betroffene haben aber Schwierigkeiten, längere Zeit still zu sitzen. Sie trommeln mit den Fingern und wippen mit den Füßen, um ihre innere Unruhe zu reduzieren. Ein Symptom, das auch im Erwachsenenalter noch oft auftritt, ist ein starker Rededrang und das Dazwischenreden (Ins-Wort-Fallen).

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Vergesslichkeit bei ADHS

Vergesslichkeit, Ablenkbarkeit, mangelndes Zeitgefühl: Vereinbarungen werden daher oft nicht oder sehr verspätet eingehalten, Versprechen nicht gehalten.

Das Unvermögen, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, hat zur Folge, dass die Betroffenen Aufgaben mitunter vergessen oder nur teilweise erledigen. Das passiert vor allem dann, wenn das Interesse für die Aufgabe nicht groß ist.

Positive Aspekte von ADHS

Insgesamt reagieren Erwachsene mit ADHS viel emotionaler als andere Menschen und empfinden Gefühle intensiver - sowohl negative als auch positive. Außerdem gehen sie offener und spielerischer an die Dinge heran und entwickeln oft besonders originelle Ideen. Gelingt es ihnen, ihren Ideenreichtum zu kanalisieren und zu nutzen, können Erwachsene mit ADHS im Beruf sogar ausgesprochen erfolgreich sein.

Entscheidend ist, dass sich die Betroffenen für ihre Tätigkeit interessieren. Finden sie an der Arbeit Freude, bringen sie vollen Einsatz und hohe Motivation mit sich. Ihre Leistung kann dann sogar überdurchschnittlich gut sein.

Begleiterkrankungen von ADHS bei Erwachsenen

Das Auftreten psychischer Störungen steht oft im Zusammenhang mit ADHS bei Erwachsenen. Ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Ängste besteht insbesondere bei der verträumten Form von ADHS, die vor allem bei Frauen auftritt. Erwachsene mit ADHS leiden auch häufiger unter Persönlichkeitsstörungen.

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Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit ADHS, die nicht behandelt werden, häufig zu Suchtmitteln greifen. Mit dem Konsum von Cannabis, Alkohol oder Nikotin versuchen sie, ruhiger zu werden oder ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Sie nutzen die Drogen gewissermaßen zur Selbstmedikation. Hat sich eine Drogenabhängigkeit entwickelt, muss diese vor Beginn der eigentlichen ADHS-Therapie behandelt werden.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen, wie ADHS entsteht, sind bis heute nicht geklärt. Man geht allerdings davon aus, dass mehrere Faktoren zusammenspielen, dass sich eine Hyperaktivitätsstörung und/oder ein Aufmerksamkeitsdefizit entwickeln können. Als Hauptauslöser gelten neben der genetischen Veranlagung auch erworbene Auslöser wie Komplikationen bei der Schwangerschaft und Geburt sowie psychosoziale Gegebenheiten.

Eine wesentliche Rolle spielt die genetische (erbliche) Veranlagung. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass es zu Veränderungen des Transports des Botenstoffs Dopamin in den Nervenzellen des Gehirns in den Bereichen für Gedächtnis und Lernen kommt. Neue Theorien gehen von Problemen in den Verbindungsnetzwerken im zentralen Nervensystem aus (Brain Network Dysfunction).

Die erworbenen Auslöser wie Drogen- und Alkoholkonsum oder Rauchen während der Schwangerschaft dürften nicht als alleinige Ursachen in Frage kommen, die Entstehung von ADHS bei einer entsprechenden genetischen Veranlagung aber sehr wohl begünstigen.

Die Risikofaktoren für die Entstehung von ADHS sind wissenschaftlich noch nicht ausreichend geklärt. Dabei dürften vermutlich die genetische Veranlagung und die äußeren Einflüsse zusammenwirken.

Diagnose von ADHS

Diagnostiziert wird ADHS übrigens vorwiegend durch die Lebensgeschichte des Betroffenen. Ergänzend dazu werden diverse psychologische Testverfahren wie IQ-Fragebögen oder Aufmerksamkeitstests oder Bögen zur Selbstbeurteilung genutzt.

Für eine Diagnose müssen Symptome vor dem zwölften Lebensjahr auftreten. Im Erwachsenenalter sind die Symptome meist viel schwächer oder bilden sich zurück.

Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter basiert im Wesentlichen auf Berichten funktioneller Beeinträchtigungen in der Kindheit. Auch finden wir bei Erwachsenen häufig weitere komorbide psychische Störungen, die die Diagnostik erschweren. Vor allem hier ist der anamnestisch eruierende Verlauf für die Diagnosestellung besonders wichtig.

Es werden Symptomkomplexe sowohl für die Aufmerksamkeitsstörung als auch für die Hyperaktivität und Impulsivität mit jeweils neun charakteristischen Merkmalen beschrieben. Zur Vergabe der Diagnose ADHS müssen mindestens sechs von neun Merkmalen aus einem oder beiden Symptomkomplexen identifiziert werden und durch die Symptomatik ein entsprechender Leidensdruck vorhanden sein.

Fremdbeurteilungen sind ein integraler Bestandteil der Diagnostik und können im Rahmen eines Interviews oder mit standardisierten Beurteilungsbögen erhoben werden.

Auch körperliche Erkrankungen können ADHS-ähnliche Symptome wie Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes hervorrufen.

Behandlungsmöglichkeiten

Eine Therapie ist nicht bei jedem ADHS-Fall notwendig. Diese muss spätestens dann erfolgen, wenn die Erkrankung zu ausgeprägten sozialen und psychischen Beeinträchtigungen führt. Das Therapieziel besteht darin, die Symptome in den Griff zu bekommen. Den Betroffenen soll eine soziale Integration und der Aufbau eines stabilen Selbstwertgefühls ermöglicht werden.

Die Frage nach der „richtigen“ Therapie global zu beantworten, ist unmöglich. Außerdem hängt die Frage, welche Therapien für Erwachsene mit ADHS passen, u.a. davon ab, wo die größten Defizite bzw. Belastungen liegen.

Im Rahmen der Psychotherapie empfehlen die Leitlinien die kognitive Verhaltenstherapie.

Zur Pharmakotherapie der ADHS stehen unterschiedliche Substanzgruppen zur Verfügung; zum einen Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine mit einem vorwiegend dopaminergem Angriffspunkt und zum anderen Atomoxetin mit vorwiegend noradrenergem Angriffspunkt. Stimulanzien wirken rasch und sicher, jedoch besteht die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung, wobei ein Missbrauch dieser Medikamente bei ärztlich behandelten ADHS-Patienten eher selten zu finden ist.

Neben der pharmakologischen Behandlung der ADHS sind psychotherapeutische Maßnahmen unumgänglich, wobei sich hier die kognitive Verhaltenstherapie bewährt hat.

Wichtig ist, dass das gesamte Behandlungskonzept individuell auf die kindlichen bzw. jugendlichen Betroffenen abgestimmt und das soziale Umfeld (Eltern, andere Verwandte, Lehrer/ Lehrerinnen, Freunde/ Freundinnen etc.) miteinbezogen wird.

ADHS in einer Partnerschaft

Die ADHS-Erkrankung kann auch für eine Partnerschaft belastend sein. Der Betroffene wird im Alltag oft nicht verstanden beziehungsweise sein Verhalten missinterpretiert. Das führt zu Selbstzweifeln, die in einer Beziehung Probleme bedingen können. Außerdem kommt es so häufig dazu, dass sich Betroffene wegen ihrer erfahrenen Ausgrenzung in ein Abhängigkeitsverhältnis mit ihrem Partner begeben.

Auch die Sexualität von ADHS-Erwachsenen ist manchmal durch die Krankheit beeinträchtigt: So kann es für Betroffene schwierig sein, sich beim Geschlechtsverkehr nicht von anderen Dingen ablenken zu lassen. Zudem verhalten sich Erwachsene mit ADHS sexuell öfter riskant. Daher kommt es statistisch betrachtet häufiger zu ungewollten Schwangerschaften und der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Erkrankungen.

ADHS und Messie-Syndrom

Ein Team um Dr. Sharon Morein von der Anglia Ruskin University in Cambridge hat jetzt gezeigt, dass das Syndrom unter Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stark verbreitet ist.

Bei der Befragung von insgesamt rund 300 Personen mit diagnostizierter ADHS machten 19 Prozent Angaben, die auf ein Messie-Verhalten schließen ließen. In einer nicht von ADHS betroffenen Kontrollgruppe waren es lediglich zwei Prozent.

Dass Menschen mit ADHS häufiger in überquellenden Wohnungen leben, ist nachvollziehbar. “Viele Menschen mit ADHS haben Planungs- und Organisationsschwierigkeiten“, erklärt Studienleiterin Morein gegenüber netDoktor. Das strukturierte Herangehen an ein Projekt, wie die Wohnung aufzuräumen, falle ihnen schwer. Sie neigten dazu sich zu verzetteln und seien schnell abgelenkt.

Eine Messie-Störung kann massiv Selbstwertgefühl, Lebensqualität und Sozialleben der Betroffenen beeinträchtigen. Aus Scham ziehen sie sich oft zunehmend vom sozialen Leben zurück.

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