Das 3-Instanzen-Modell von Sigmund Freud: Eine Erklärung

Die Psychoanalyse, begründet von Sigmund Freud, ist eine psychologische Theorie, Kulturtheorie, psychotherapeutische Behandlungsform und Methode zur Selbsterfahrung. Aus der Psychoanalyse haben sich später die verschiedenen Schulen der Tiefenpsychologie entwickelt.

Der Begriff Psychoanalyse steht sowohl für das auf Freuds Theorien über die Psychodynamik des Unbewussten gegründete Beschreibungs- und Erklärungsmodell der menschlichen Psyche als auch für die analytische Psychotherapie und für die psychoanalytische Methodik, die sich auch mit der Untersuchung kultureller Phänomene beschäftigt. In allen drei Aspekten wird die Psychoanalyse bis heute von Klinikern und Forschern weiterentwickelt und verändert. So ist die Psychoanalyse als medizinisch-psychologische Disziplin heute durch einen theoretischen, methodischen und therapeutischen Pluralismus charakterisiert.

Definitionen der Psychoanalyse

Entsprechend den von Freud selbst 1923 formulierten drei Definitionen der Psychoanalyse wird unterteilt in:

  • Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin
  • Verfahren zur Untersuchung seelischer Vorgänge
  • Behandlungsmethode

Psychoanalyse als Wissenschaft

Die Psychoanalyse ist eine Theorie über unbewusste psychische Vorgänge. Laut Freud hat sie auch den Anspruch, eine umfassende Konzeption des Mentalen und seiner Verbindungen zu den Bereichen des Körperlichen und des Soziokulturellen darzustellen.

Psychoanalytiker der auf Freud folgenden Generationen haben die Psychoanalyse in vielfältige Richtungen weiterentwickelt, teils mit Freud übereinstimmend, teils weit von ihm abweichend. Diese stetige Differenzierung der psychoanalytischen Theorie und Methodik hat – ergänzt um integrative Bemühungen – zur Entstehung einer Vielzahl von psychoanalytischen Schulen mit unterschiedlichen Konzepten und Schwerpunkten geführt. Dazu zählen z. B. die Ich-Psychologie, die Objektbeziehungstheorie (u. a. Melanie Klein, Donald Winnicott, Wilfred Bion), die Selbstpsychologie (Heinz Kohut), die Relationale und Intersubjektive Schule der Psychoanalyse sowie die Strukturalistische oder Strukturale Psychoanalyse (Jacques Lacan).

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Psychoanalyse als Methodik

Die Psychoanalyse als psychologisches Theoriegebäude hat außerdem Methoden zur Untersuchung des menschlichen Erlebens, Denkens und Verhaltens – sowohl einzelner Menschen (z. B. Entwicklungspsychologie, Psychopathologie) als auch von Gruppen (Massenpsychologie) und Kulturen (Ethnopsychoanalyse) – hervorgebracht.

Leitidee ist, dass sich hinter der wahrnehmbaren „Oberfläche“ von Verhaltensweisen (z. B. eines individuellen Verhaltens), aber auch hinter Normen und Werten einer kulturellen Gemeinschaft oft unbewusste, dem Ich nicht ohne Weiteres bewusst zugängliche Bedeutungen verbergen, die sich mit Hilfe der psychoanalytischen Konzepte und Methoden jedoch aufdecken lassen und verständlich werden.

In den Jahrzehnten nach Freud haben andere Psychoanalytiker weitere Methoden entwickelt, so z. B. zur Analyse der Persönlichkeitsstruktur (u. a. Arbeitskreis OPD) oder der Erzählstrukturen (z. B. Boothe: Erzählanalyse JAKOB). Auch Märchen, Mythen und Werke der bildenden Kunst, der Literatur und des Films wurden psychoanalytisch interpretiert.

Psychoanalyse als Therapie

Im engeren Sinn ist die Psychoanalyse ein psychotherapeutisches Behandlungsverfahren. Im Unterschied zu übenden bzw. trainierenden Verfahren (wie Verhaltenstherapie) zählt sie zu den aufdeckenden Therapien, die versuchen, dem Patienten ein vertieftes Verständnis der ursächlichen (meist unbewussten) Zusammenhänge seines Leidens zu vermitteln – was oft mit dem Begriff der Einsicht verbunden wird.

Es wäre jedoch ein Missverständnis, eine rationale Einsicht in die Verursachungszusammenhänge als wesentliches Ziel einer psychoanalytischen Therapie anzusehen. Vielmehr wird eine weitergehende Umstrukturierung der Persönlichkeit und insbesondere des Gefühlslebens in denjenigen Bereichen angestrebt, die zur Aufrechterhaltung psychopathologischer Elemente (Symptome, Persönlichkeitseigenschaften) beitragen.

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Die klassische Psychoanalyse findet in drei bis fünf Sitzungen von je 50 Minuten Dauer pro Woche statt, oft über mehrere Jahre. Der Patient – bzw. im Fall von Selbsterfahrung oder einer Lehranalyse der Analysand – liegt auf einer Couch und sagt möglichst unzensiert alles, was ihn gerade bewegt bzw. ihm durch den Sinn geht (freies Assoziieren). Der Analytiker sitzt hinter ihm, hört mit einer Haltung „gleichschwebender Aufmerksamkeit“ zu und teilt dem Analysanden die während des psychoanalytischen Prozesses gewonnenen Erkenntnisse mit („Deutung“), wann immer er es für günstig hält.

Insbesondere bemüht sich der Analytiker, die sich in der Beziehung zu ihm einstellenden Übertragungen typischer emotionaler Muster bzw. Motive des Analysanden aufzuspüren, und ihre Bedeutung innerhalb der Psychodynamik des Analysanden zu interpretieren, um sie einer Veränderung zugänglich zu machen („Übertragungsanalyse“). Auch die Traumanalyse kommt während der analytischen Behandlung zur Anwendung.

Neben der „großen“ psychoanalytischen Therapie mit bis zu 300, von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierbaren Sitzungen sind heute kürzer dauernde tiefenpsychologische Therapieformen weit verbreitet (siehe unter anderem analytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie), bei denen sich Analytiker und Analysand gegenübersitzen und sich ein- bis zweimal wöchentlich treffen.

Erwähnenswert sind noch die psychoanalytischen Fokaltherapien und Kurzzeittherapien, bei denen versucht wird, ein zentrales, mehr oder weniger klar umschriebenes Problem in insgesamt ca. 20 bis 30 Sitzungen zu behandeln, sowie die „niederfrequente psychoanalytische Psychotherapie“, mit ein bis zwei Sitzungen wöchentlich.

Es wurden Methoden entwickelt, die besonders für die Behandlung von spezifischen psychischen Störungen geeignet sind.

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Die Psychoanalyse findet Anwendung bei Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen. Zudem gibt es psychoanalytische Paar- und Familientherapie, Gruppenanalyse, stationäre psychodynamische Therapie und psychoanalytisch orientierte Supervision.

Grundlagen der psychoanalytischen Theorie

Die Grundzüge der Psychoanalyse als erste umfassende Theorie des Mentalen unter besonderer Berücksichtigung unbewusster Prozesse wurden Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Wiener Neurologen Sigmund Freud – anfangs in intensiver Zusammenarbeit mit dem bekannten Wiener Arzt und Begründer der kathartischen Methode, Josef Breuer – entwickelt.

Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und auch dem Unbewussten ist freilich älter und kann bis zur Antiken Philosophie zurückverfolgt werden. Als unmittelbare Vorgänger Freuds gelten der Naturwissenschaftler Carl Gustav Carus (1789–1869), die Philosophen Johann Friedrich Herbart (1776–1804), Arthur Schopenhauer (1788–1860) und Friedrich Nietzsche (1844–1900), aber auch in den Werken bedeutender Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe und Arthur Schnitzler, besonders aber Fjodor Michailowitsch Dostojewski können literarische Analogien psychoanalytischer Theorien gefunden werden.

Der Begriff „Unbewusstes“ taucht in einer noch unscharfen Form erstmals bei Eduard von Hartmann 1869 in Philosophie des Unbewußten auf. Freud kommt so gesehen nicht das Verdienst zu, das Unbewusste entdeckt, sondern als Erster eine Methode zu seiner wissenschaftlichen Untersuchung gefunden zu haben. Hierfür entwickelte er insbesondere die Methoden der freien Assoziation, der Traumdeutung und der Analyse von Fehlleistungen. Durch die langjährige Auseinandersetzung mit den Ergebnissen aus seinen Behandlungen theoretisierte er schließlich ein aus drei Instanzen gebildetes Strukturmodell der Psyche.

Freud ging davon aus, dass Triebe in der Psyche von der frühen Kindheit an eine Dynamik in Gang setzten, die bestimmend für das weitere Leben ist. Auf der Grundlage dieser Konzepte war es ihm möglich, Erklärungen für pathologische Abweichungen zu finden, die er in seiner spezifischen Therapieform, der Psychoanalyse, anwenden konnte, um Patienten zu behandeln.

Weiterhin untersuchte Freud auch Alltagsphänomene wie Mythen, Bräuche, Witze und die sogar nach ihm benannten „Freud’schen Fehlleistungen“, welche – wie die Träume – zuvor bei der Wissenschaft kaum Interesse erregt hatten.

Bei jeder Darstellung der Grundlagen von Freuds Theorien – und so auch besonders in Hinblick auf die letztgenannten psychoanalytischen Annahmen – muss zweierlei vorweggeschickt werden:

  • dass Freuds Ansichten und Annahmen nicht in geschlossener Form vorliegen, weil er selbst fast alle seiner früheren Thesen nach und nach revidierte, weiterentwickelte oder gar verwarf, wenn sich ihm neue Erkenntnisse aufgedrängt hatten, und die späteren ohne Kenntnis der früheren unverständlich bleiben.
  • dass die Psychoanalytiker der nachfolgenden Generationen diese Theorien vielfach weiterentwickelten, ergänzten oder gänzlich neue Konzepte und Theorien eingeführt haben, sodass die Psychoanalyse in ihrer zeitgenössischen Form keineswegs mit dem Werk Freuds gleichgesetzt werden darf.

Bei der Weiterentwicklung der Psychoanalyse war ein wichtiger theoretischer Schritt der von einer „one-body psychology“, wie Michael Balint die klassische, Freud’sche Psychoanalyse bezeichnete, zu einer Mehr-Personen-Psychologie. Freuds Triebtheorie war sehr stark an dem mechanistischen Weltbild seiner Zeit orientiert. Triebe liefern hierbei die Energie, die einen komplexen psychischen Apparat in Gang setzen. Störungen entstehen durch die Fixierung der Triebenergie auf frühen Entwicklungsstufen.

Hierbei übernimmt die Umwelt des Individuums eine eher untergeordnete Rolle. Nach der Abkehr Freuds von seiner Traumatheorie stand für lange Zeit fest, dass eher unbewusste Phantasien als reale Erfahrungen die Ursachen für pathologische Entwicklungen darstellen. Die Objekte, also die Personen der Außenwelt, werden mit Triebenergie besetzt, was den eigentlichen Grund für die Aufnahme jeglicher Beziehungen darstellt.

Diese Einstellung änderte sich erst allmählich. Heute betrachtet die Psychoanalyse viel eher die Beziehungen, in die ein Mensch eingebettet ist. Sie betrachtet seine Entwicklung und Reifung immer in Wechselwirkung mit seiner Umwelt. Hierbei stehen die Beziehungen des Menschen zu seinen engsten Bezugspersonen von seiner frühesten Kindheit an im Vordergrund. Die Psychoanalyse untersucht, wie er sich an diese frühen Beziehungen erinnert und diese in seiner Psyche repräsentiert.

Auch betont die Psychoanalyse viel eher die realen Umweltbedingungen, in denen ein Mensch lebt und aufwächst, und betrachtet, wie er auf diese Bedingungen reagiert.

Heute existieren vier Hauptrichtungen der Psychoanalyse, die sich gegenseitig beeinflussen und ergänzen, einander teilweise aber auch widersprechen. Die Triebtheorie, die von Sigmund Freud begründet wurde; die Ich-Psychologie, die auf Heinz Hartmann zurückgeht; die Objektbeziehungstheorie, die von unterschiedlichen Autoren eingeführt wurde, und die Selbstpsychologie von Heinz Kohut. Einige Autoren, insbesondere Selbstpsychologen, plädieren dafür, die Triebtheorie endgültig aufzugeben, andere Autoren halten sie jedoch noch für nützlich.

Das Instanzenmodell: ES, ICH und Über-ICH

Freud erschien die Topologie bewusst, vorbewusst, unbewusst zunehmend ungenügend und er entwickelte das Instanzenmodell (1923), indem das Unbewusste keinen körperlichen Ort mehr kannte. Der Wunsch nach Anerkennung der Psychoanalyse in der Wissenschaft folgte damit vermehrt dem Descart’schen Paradigma der Trennung von Körper und Geist: „Ich denke, also bin ich.“, die Körperlichkeit wurde dem Denken und der Psyche hintan gereiht.

Das Instanzenmodell beschreibt die Struktur der Psyche und besteht aus drei Instanzen:

  • Das ES: Es steht für die unbewussten Triebe und Wünsche. Die Triebe sind bei der Geburt bereits vorhanden und stellen als biologische Grundausstattung das Energiepotential eines Menschen dar. Anders formuliert motivieren sie Menschen zu Handlungen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Alle lebensbiographischen Erfahrungen oder Denkinhalte, die aufgrund ihrem Schweregrad oder ihrer gesellschaftlichen Unerwünschtheit nicht bewusst verarbeitet werden können, verschwinden nicht im Nichts, sondern werden ins ES verdrängt.
  • Das ICH: Es vermittelt zwischen den Trieben und der Realität. Das ICH wiederum stellt die zentrale Instanz der menschlichen Persönlichkeit dar, das was einen Menschen in seiner Außendarstellung ausmacht. Hierunter versteht man alle bewussten und zielgerichteten Handlungen des Menschen, die sein Denken, die Wahrnehmung, das Gedächtnis beinhalten. Diese bewussten Handlungen werden ständig von den Trieben und dem Verdrängten aus dem ES bedroht. Um seine Handlungsfähigkeit und Deutungshoheit zu behalten, setzt das ICH Abwehrmechanismen ein.
  • Das Über-ICH: Dieses wirkt als gesellschaftliches Korrektiv und Handlungsleitfaden für das Individuum. Das ICH-Ideal wiederum verkörpert das ideale Selbstbild. In anderen Worten, wie man sein Handeln und Tun steuern soll, um von der Außenwelt geliebt und anerkannt zu werden.

Diese drei Instanzen beeinflussen unser Verhalten und innere Konflikte. Dieses Strukturmodell wurde von Sigmund Freud entwickelt und zwar um den Satz „Wo ES war, soll ICH werden“.

Das Unbewusste und seine Bedeutung

Bereits Sigmund Freud beobachtete im Zuge seiner Patientengespräche, dass der weitaus größte Teil des menschlichen Handelns unbewusst bestimmt wird. Das Eisbergmodell zählt zu den wesentlichen Säulen der zwischenmenschlichen Kommunikation und besagt, dass 80% unserer Kommunikation unbewusst stattfindet (Beziehungsebene). Unsere Gestik, Mimik und Stimmlage, unsere Bedürfnisse, Emotionen, sowie Erfahrungen und Normen schwingen immer unbewusst mit und sind entscheidend dafür, wie wir von anderen wahrgenommen werden, bzw. wie wir andere wahrnehmen. Menschliche Kommunikation hat immer mehrere Seiten. Das heißt jede Nachricht enthält immer mehrere Botschaften. In den Symptomen zu lesen, ihre Bedeutung zu kennen, ist die einzige Chance die wir haben, sie auch wieder ablegen zu können.

Der Körper als Zugang zum Unbewussten

Der Artikel zeichnet die Entwicklung des Körperverständnisses in den psychodynamisch orientierten Methoden nach. In den Anfängen bestand großes Interesse seelische Vorgänge auch mit körperlichen Phänomenen in Bezug zu bringen. Nach der Abkehr Freuds von der Triebtheorie gab es innerhalb der Psychoanalyse kaum mehr Beschäftigung mit dem Thema. Erkenntnisse der Säuglingsforschung, der Bindungsforschung und vor allem der Neurobiologie bestätigen die wesentliche Beteiligung der frühen körperlichen Erfahrungen an der Entwicklung des psychischen Apparats. Hier soll gezeigt werden, wie der Körper einen Zugang zu unbewussten Vorgängen ermöglicht. Die Arbeit mit dem Körper über Berührung und andere sinnliche Erfahrungen, bietet einen unmittelbaren Zugang zu basalen Erfahrungen in früher Kindheit, der Bewusstmachung von verkörperter Beziehungserfahrung und deren Erweiterung im Sinne korrigierender Erfahrungen.

„Das Verhältnis zur Körperlichkeit ist in der Psychoanalyse in der Tat ein zwiespältiges: Sie ist wie kaum eine andere psychologische Lehre von je einzelnen Körpern eines Menschen ausgegangen. Ihre Voraussetzungen fußten auf direkten Annahmen von Körperprozessen wie in der Trieblehre oder setzten eine grundlegende Beteiligung von Körperorganen voraus“ (Lemche 2006, S. 15).

Vordenker (Messmer, Janet) und frühe Psychoanalytiker (Freud, Groddeck, Ferenczi, Schilder, Reich …) arbeiteten mit ihren Patient:innen auf körperlicher und psychischer Ebene und stellten sich die Frage nach dem Ort des Unbewussten im Körper. Deren Beantwortung führte im Verlauf der Schulenentwicklung zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Sigmund Freud ging in seinen frühen Schriften von einer stetig fließenden Triebenergie aus (1905), die sich körperlich manifestiere und entwicklungsgeschichtlich mit der psychosexuellen Entwicklung und libidinösen Zonen im Körper verbunden sei. „In der zweiten, also klinisch relevanten Triebdefinition Freuds stellten die Triebe die Repräsentanzen dar, d. h. die bewussten oder unbewussten Abbildungen der Anforderungen des Somatischen an das Seelische“ (Krause 2012, S. 175). Triebe sieht Freud als „Grenzbegriff“ (Freud 1915, S. 214) zwischen Psyche und Soma.

Die (sexuelle) Triebenergie musste aus sozialen Gründen unterdrückt und kanalisiert und damit ins Unbewusste verdrängt werden.

Tiefenpsychologie: Das Unbewusste im Fokus

Der Begriff Tiefenpsychologie fasst alle psychologischen und psychotherapeutischen Ansätze zusammen, die den unbewussten seelischen Vorgängen einen hohen Stellenwert für die Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens beimessen. Die zentrale Vorstellung der Tiefenpsychologie ist, dass „unter der Oberfläche“ des Bewusstseins in den Tiefenschichten der Psyche weitere, unbewusste Prozesse ablaufen, die das bewusste Seelenleben stark beeinflussen.

Diese Ansicht wurde bereits vor Sigmund Freud in der Philosophie (Leibniz, Schopenhauer, Nietzsche) und der Literatur der Romantik vertreten, doch Freud war der erste, der diese Annahme systematisch untersuchte und dann aus seinen Erkenntnissen die tiefenpsychologische Schule der Psychoanalyse begründete. Den von Eugen Bleuler eingeführten Begriff Tiefenpsychologie verwendete Freud ab 1913, um zwischen seiner Psychoanalyse und der in der akademischen Psychologie damals vorherrschenden Bewusstseinspsychologie zu unterscheiden.

Bekannte tiefenpsychologische Schulen sind neben der Psychoanalyse die von Carl Gustav Jung geprägte Analytische Psychologie und die von Alfred Adler entwickelte Individualpsychologie. Alle diese Richtungen der Tiefenpsychologie sind der Auffassung, dass dem bewussten Erleben und Verhalten Prozesse der Triebregulation und Konfliktverarbeitung zugrunde liegen. Diese in der „Tiefe“ des Unbewussten ablaufenden psychischen Prozesse werden von Trieben und anderen motivationalen Vorgängen bestimmt.

Die Art der jeweiligen Triebkraft stellt einen zentralen Unterschied zwischen den drei genannten tiefenpsychologischen Schulen dar: Während Freud dem Sexualtrieb eine große Bedeutung zumisst, steht für Jung eine unspezifische Triebenergie und für Adler das Machtstreben im Zentrum der seelischen Antriebskräfte.

Grundlegende Annahmen der Tiefenpsychologie

Die hier vorgestellten Begriffe bilden gewissermaßen den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ der Tiefenpsychologie, dem alle Schulrichtungen im Wesentlichen zustimmen würden.

Das (dynamische) Unbewusste

Die Vorstellungen der Tiefenpsychologie sind, entgegengesetzt zu den Theorien über die Psyche in der Kognitionspsychologie und im Behaviourismus, vor allem geprägt durch die Annahme eines dynamischen Unbewussten als wesentlicher und hochwirksamer Teil unseres psychischen Lebens. Diese Annahme besagt, dass viele unserer mentalen Vorgänge unbewusst ablaufen ein Teil dieser unbewussten mentalen Vorgänge ganz anderen Funktionsprinzipien bzw. Gesetzmäßigkeiten gehorcht (s. u.) als die bewussten Vorgänge. Dieser Teil übt eine große Wirkungskraft auf unser Erleben und Verhalten aus und wird in der Tiefenpsychologie als (dynamisches) Unbewusstes bezeichnet. Das Attribut „dynamisch“, das manchmal hinzugefügt wird, soll es von denjenigen mentalen Vorgängen abheben, die zwar auch nicht bewusst registriert werden, aber nicht den besonderen Prinzipien des „eigentlichen“ Unbewussten gehorchen (siehe auch Psychodynamik).

Bekannte Beispiele für die Wirkung unbewusster Prozesse sind („Freudsche“) Fehlleistungen (z. B. Versprecher, die verborgenen Gedanken bzw. Motive des Sprechers zum Ausdruck bringen; unbewusst motiviertes Vergessen, Verlaufen, Verlegen usw); Abwehrmechanismen wie Projektion (unerwünschte Tendenzen der eigenen Person werden bei anderen wahrgenommen bzw. „angesiedelt“); Traumgedanken bzw. -bilder.

Das Unbewusste wird in der Tiefenpsychologie auch als „Ort“ der wesentlichen Triebkräfte des Seelenlebens angesehen (von Freud in seinem Instanzenmodell der Psyche „Es“ genannt). Später gebraucht Freud den Begriff „unbewusst“ jedoch v. a. adjektivisch. Er meint damit nicht mehr nur eine Eigenschaft der psychischen Instanz „Es“, auch das Ich und das Über-Ich haben unbewusste Anteile.

Nach Freud charakterisieren folgende Eigenschaften das Unbewusste:

  • Alogik: die Gesetzmäßigkeiten der Logik gelten hier nicht und haben auf die Inhalte des Unbewussten keinen Einfluss.
  • Widersprüchlichkeit: im Unbewussten können Gegensätze identisch sein bzw. ihr jeweiliges Gegenteil bedeuten. Freud verweist in diesem Zusammenhang auf die Sprache, in der manche Worte, sog. „Urworte“, einen gegensätzlichen Sinn haben können (lat.: altus = „hoch“ : „tief“ oder sacer = „heilig“ : „verflucht“).
  • Zeitlosigkeit: Vorgänge im Unbewussten haben keine Beziehung zur Zeit, sind also nicht zeitlich geordnet.

Die Vorstellung, dass es mit dem Unbewussten einen weiteren Bereich der Psyche gibt, der nach ganz anderen Gesetzmäßigkeiten wirkt als das Bewusstsein, ist von der akademischen Psychologie lange Zeit abgelehnt worden. Um die empirisch-experimentelle Überprüfung tiefenpsychologischer Hypothesen hat sich die Gestaltpsychologie verdient gemacht – dabei konnten einige Hypothesen bestätigt werden, für andere wurden Modifikationen vorgeschlagen (vgl. dazu die Arbeiten von Wolfgang Metzger).

Verdrängung

Ein wichtiges Konzept innerhalb aller tiefenpsychologischen Schulen ist der psychische Mechanismus der Verdrängung. Freud definierte die Verdrängung ursprünglich als „Erinnerungsabwehr“ schmerzhafter, emotional unangenehmer Erinnerungen aus dem Bewusstsein. „Abwehr“ ist eine eher aktive Leistung des „Ichs“ im Freud’schen Sinne, die der innerpsychischen Konfliktbewältigung dient und u. a. auch andere Formen der Abweisung aus dem Bewusstsein umfasst, wie beispielsweise die Verleugnung.

Übertragung und Gegenübertragung

Eine Übertragung liegt vor, wenn jemand Erwartungen (z. B. Rollenerwartungen), Wünsche, Befürchtungen oder Vorstellungen, die sich in früheren wichtigen Beziehungen gebildet haben, an das Verhalten oder die Eigenschaften anderer Personen richtet. Diese Erwartungen bilden nun eine Art Schablone, die wiederbelebt wird, wenn das Beziehungsmuster eine ähnliche Struktur aufweist wie zu der ursprünglichen Bezugsperson (z. B. Vater – Chef).

In einer klassischen psychoanalytischen Therapie nach Freud ist die Entwicklung einer Übertragungsbeziehung zum Analytiker ausdrücklich gewollt und wird durch das psychoanalytische Behandlungssetting gefördert (Liegen auf der Couch, der Psychoanalytiker sitzt außerhalb des Gesichtsfeldes usw). Der Sinn ist, dass die verinnerlichten konflikthaften Gefühle (Ängste, Scham- oder Schuldgefühle usw.) zu den ursprünglichen Bezugspersonen in der Beziehung zum Analytiker wiederbelebt und -erlebt werden sollen („Übertragungsneurose“), aber nun mit Hilfe des Analytikers neu verarbeitet werden können. Freud fasste diesen Prozess mit den Begriffen „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ zusammen und sagte, man könne die Neurose nun einmal nicht „in Abwesenheit“ (in effigie) erschlagen.

Eine Übertragung vergangener, prägender Beziehungsmuster findet aber keineswegs nur in einer psychoanalytischen Beziehung statt, sondern in nahezu allen zwischenmenschlichen Beziehungen – auch in anderen Psychotherapieformen, wo diese Prozesse jedoch in der Regel unerkannt bleiben und nicht thematisiert werden.

Als „Gegenübertragung“ bezeichnet man die emotionale Reaktion eines Analytikers auf den Analysanden (bzw. auf dessen aus Übertragungsphänomenen hervorgehende Handlungen und Äußerungen). Analytiker haben gelernt, auf ihre Gefühlsreaktionen (Gegenübertragungen) auf den Analysanden genau zu achten und sie als wichtige Informationsquelle über dessen innere Konflikte und über das Beziehungsgeschehen im psychoanalytischen Prozess zu nutzen.

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