Das ABC-Modell in der Psychotherapie: Ein umfassender Überblick

Das ABC-Modell ist ein Konzept, das dazu dient, belastende Situationen besser zu bewältigen und die emotionale Widerstandsfähigkeit zu stärken. Es basiert auf der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT) und bietet eine praktische Anleitung, um negative Denkmuster zu erkennen und durch positive und realistischere Sichtweisen zu ersetzen.

Entwicklung und Grundlagen des ABC-Modells

Das ABC-Modell wurde vom amerikanischen Psychologen Albert Ellis entwickelt. Albert Ellis war ein amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut, der am 27. September 1913 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren wurde und 2007 im Alter von 93 Jahren in New York City verstarb. Er studierte zunächst Wirtschaftswissenschaften, bevor er sich der Psychologie zuwandte. Er erwarb seinen Doktortitel in klinischer Psychologie an der Columbia University und begann dann eine erfolgreiche Karriere als Therapeut und Autor. Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Verhaltenstherapie, nicht zuletzt, weil er einen eigenen Ansatz in der kognitiven Verhaltenstherapie entwickelte, nämlich die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT). Albert Ellis war bekannt für seine provokative und direkte Herangehensweise an die Psychotherapie, bei der er den Fokus auf die irrationalen Gedanken und Überzeugungen der Klienten legte.

Die Komponenten des ABC-Modells

Das kognitive Dreieck (ABC) erklärt den Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen und Verhalten.

  • A - Activating Moment (Auslöser, Situation): Welche Situation erzeugt bzw. Das ist eine Situation, die etwas in uns auslöst. Das können sowohl interne, als auch äußere Vorgänge sein. Also zum Beispiel eine Erinnerung, oder einer der vielen Sinneseindrücke, denen wir permanent ausgesetzt sind.
  • B - Bewertung: Das B zeigt unsere Bewertung. Unter B wie Bewertung finden sich die Überzeugungen und Glaubenssätze, die wir in Bezug auf die Situation haben. Das können auch zum Beispiel Familienmottos sein, die wir unbewusst übernommen haben, etwa könnte im Elternhaus das Erziehungsdogma geherrscht haben: „Ohne Fleiß, kein Preis“. Je nachdem, ob unsere Bewertung Freude oder Furcht auslöst und ob und wie wir sie in unsere Lebensgeschichte integrieren, bestimmt diese Bewertung unser Verhalten und unser Selbstbild. Die Bewertungen, die wir oft schon in unserer Kindheit erlernt haben, beeinflussen unseren weiteren Lebensweg.
  • C - Konsequenzen: Die Konsequenz, dh emotionale Reaktion oder in Form von Verhaltensweisen ergibt sich dann aus der Bewertung der Situation.

Anwendung des ABC-Modells

Soweit zur Theorie des ABC-Modells.

  1. Das ist eine Situation, die etwas in uns auslöst.
  2. Dann folgt der zweite Schritt, bei dem man sich bewusst macht, welche Überzeugungen, Gedanken oder Bewertungen man mit der Situation verbindet (B).
  3. Im nächsten Schritt beobachtet man sich genau, zu welcher Reaktion das führt (C). Welche Gefühle und welche Verhaltensweisen resultieren aus den Überzeugungen?

In diesem Schritt wird dem ABC noch ein D hinzugefügt. D steht dabei für „Dispute“, hinterfragen. Da bin ich vielleicht etwas ins Alles-oder-Nichts Denken gefallen. Und meine Emotionen haben für Logik keinen Platz gelassen. Auch meine inneren Antreiber „Perfektionismus“ und „Sei schnell“ haben da wohl ordentlich Druck gemacht. Ich habe doch bisher auch immer alles geschafft, sonst hätte ich ja meinen Job schon längst nicht mehr. Darum werde ich es auch dieses Mal schaffen. Ein voller Posteingang ist nichts, was mir Freude macht. Ich leiste gute Arbeit, und das schätzen auch meine Vorgesetzten und Kolleg*innen an mir.

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Beispielhafte Anwendung des ABC-Modells

Lena, 32, ist eine engagierte Grundschullehrerin, eine liebevolle Partnerin und eine Tochter, auf die man sich immer verlassen kann. Klingt gut, oder? Doch Lena fühlt sich oft wie ein Hamster im Laufrad, ständig bemüht, es allen recht zu machen, und dabei selbst auf der Strecke bleibend.

  • Auslöser: Eine Bitte oder Erwartung von außen.
  • Kurzfristige Folge: Die Anspannung lässt nach, sie fühlt sich kurz erleichtert, weil ein möglicher Konflikt vermieden wurde.
  • Langfristige Folge: Ihre eigenen Bedürfnisse bleiben auf der Strecke, Frust und Erschöpfung nehmen zu.

Dies kann paradoxerweise die Angst vor Ablehnung sogar verstärken, da Lena sich immer abhängiger von der Zustimmung anderer fühlt und ihre innere Stärke schwindet. Der Kreislauf beginnt von Neuem, oft mit noch größerer Intensität. Die KVT hilft ihr, diesen Kreislauf zu durchbrechen, indem sie an den dysfunktionalen Gedanken und dem daraus resultierenden Verhalten ansetzt.

Die Rolle der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT)

Die KVT ist eine wissenschaftlich sehr gut untersuchte und jahrzehntelang erprobte Form der Psychotherapie. Sie geht davon aus, dass unsere Gedanken, Gefühle und unser Verhalten eng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen. Es sind oft nicht die Ereignisse selbst, die uns zu schaffen machen, sondern die Art und Weise, wie wir über sie denken und sie bewerten. Die KVT fußt auf der einfachen, aber tiefgreifenden Erkenntnis: Nicht die Situation an sich bestimmt, wie wir uns fühlen, sondern unsere Interpretation dieser Situation. Denn unsere Gedanken sind wie eine Brille, durch die wir die Welt sehen. Manchmal ist diese Brille vielleicht etwas beschlagen, hat einen Grauschleier oder verzerrt die Dinge ein wenig.

Werkzeuge der KVT

Die KVT ist wie ein gut sortierter Werkzeugkasten:

  • Kognitive Umstrukturierung: Hier lernen Sie, verzerrte oder nicht hilfreiche Denkmuster zu erkennen, zu hinterfragen und durch realistischere, unterstützende Gedanken zu ersetzen.
  • Verhaltensexperimente: Wir planen kleine “Experimente” im Alltag, um alte Überzeugungen zu überprüfen und neue, positive Erfahrungen zu machen.
  • Exposition (Konfrontationstherapie): Sich schrittweise und begleitet angstauslösenden Situationen oder Reizen stellen, um zu lernen, dass die befürchteten Katastrophen ausbleiben und die Angst von selbst nachlässt.
  • Training sozialer Kompetenzen: Bei Bedarf üben wir z.B.

Stressbewältigung und das ABC-Modell

Das Modell unterstützt dabei, Stresssituationen neu zu bewerten und Denkmuster aufzulösen, stammt aus der Psychotherapie und wird u. a. auch in der Supervision angewendet. In der psychologischen Forschung haben sich viele Menschen mit der Frage beschäftigt, wie Stress entsteht. Klar ist, das was wir „Stress“ nennen, ist biologisch betrachtet die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion, die schon unsere Steinzeitvorfahren zu Höchstleistungen verholfen hat.

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Bedeutung von Glaubenssätzen und Überzeugungen

Die Anwendung des ABC Modells von Albert Ellis erfordert Übung und Geduld, da es darum geht, tief verwurzelte Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Gerade Glaubenssätze und Familienmottos sind für uns selbst schwer zu erkennen, weil sie uns schon so lange begleiten, ohne dass wir sie explizit benennen könnten. Klassiker der Glaubenssätze wie „Ohne Fleiß kein Preis“ verhindern zum Beispiel, dass wir uns Pausen verwehren, obwohl diese leistungssteigernd, fehlerreduzierend und stresssenken wären. „No pain no gain“ kann dazu führen, dass wir denken, wenn wir nicht für ein Ziel oder einen Erfolg gelitten haben, hätten wir es nicht verdient, stolz darauf zu sein. Glaubenssätze und Überzeugungen sind für uns selbst oft schwer erkennbar. Und manchmal braucht es auch eine Perspektive von Außen, um weiter zu kommen. Vielleicht kannst du einen Freund, oder eine Freundin bitten, mal genauer hinzuhören.

Tipp: Ein guter Indikator sind Sätze, die ein „MUSS“ beinhalten. Im Coaching höre ich immer ganz besonders auf diese Formulierungen, in denen sich die Glaubenssätze verstecken und die Antreiber sich bemerkbar machen. So mühsam es sein kann, sie zu identifizieren - wenn man sie mal sichtbar gemacht hat, lässt es sich besonders gut weiterarbeiten.

Die aktive Rolle des Klienten

Die Therapie ist nur dann erfolgreich, wenn der Betroffene bereit ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und an sich zu arbeiten. Ihre aktive Rolle ist entscheidend: KVT ist keine passive Berieselung. Sie sind der Experte für sich selbst, und wir arbeiten als Team. “Hausaufgaben” für den Alltag: Ihre Bereitschaft, sich aktiv, ausdauernd und regelmäßig einzubringen und Neues auszuprobieren, ist der Schlüssel zum Erfolg: Zwischen den Sitzungen probieren Sie das Besprochene im Alltag aus oder beobachten bestimmte Dinge.

Wissenschaftliche Fundierung und Aktualität

Die Verhaltenstherapie befindet sich in ständiger Weiterentwicklung und hat den Anspruch, ihre Effektivität empirisch abzusichern. Wie gut wirkt KVT? Die Kognitive Verhaltenstherapie ist eine die am besten wissenschaftlich untersuchte Therapieform weltweit. Zahlreiche Studien belegen ihre hohe Wirksamkeit bei einer Vielzahl von psychischen Beschwerden.

Fallbeispiele zur Verdeutlichung

In der kognitiven Verhaltenstherapie arbeiten wir häufig mit dem ABC-Modell. Dieses Modell hilft uns, die Zusammenhänge zwischen Ereignissen (A), unseren Gedanken (B) und den daraus folgenden Gefühlen und Verhaltensweisen (C) zu erkennen. “Ich weiß einfach nicht, was ich in diesem Moment gedacht habe”, ist ein Satz, den Therapeuten oft hören. Manche Gedanken laufen automatisch ab. Andere sind so schmerzhaft, dass sie verdrängt werden.

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1. Jedes Gefühl folgt einer inneren Logik und ist mit bestimmten Gedankenmustern verbunden.

Fallbeispiel: Maria berichtet, dass sie auf einer Firmenfeier plötzlich heftige Angst verspürte und fluchtartig den Raum verließ. Als wir von ihrem Angstgefühl ausgehen, können wir mögliche Gedanken rekonstruieren: “Was könnte jemand denken, der in dieser Situation Angst empfindet?” Maria erkennt: “Vielleicht dachte ich, dass alle mich beobachten und meine Unsicherheit bemerken.

2. Fallbeispiel: Thomas fühlt sich schlecht, nachdem seine Präsentation bei der Arbeit gut, aber nicht außergewöhnlich gut ankam.

3. Unsere Handlungen spiegeln oft unsere inneren Zustände wider.

Fallbeispiel: Lena kann nicht benennen, was sie fühlt, wenn ihr Partner bei gemeinsamen Abendessen ständig sein Smartphone checkt.

Fallbeispiel: Ein Klient beklagt in jeder Sitzung seine Schwierigkeiten bei der Arbeit, zeigt aber keine Anzeichen von Engagement oder Veränderungsbereitschaft. Der Patient nutzt die Therapiesitzungen hauptsächlich, um zu klagen, anstatt aktiv Lösungsstrategien zu erarbeiten. Er zeigt kein Interesse daran, Verantwortung für seine Situation zu übernehmen und sich zu engagieren.

4. Fallbeispiel: Martin berichtet von Verspannungen im Nacken und geballten Fäusten während eines Gesprächs mit seinem Vorgesetzten. Er glaubte, “ganz ruhig” gewesen zu sein.

5. Denn selbst paradox erscheinende Verhaltensweisen lassen sich als Schutzmechanismen für unsere psychischen Grundbedürfnisse verstehen.

Fallbeispiel: Markus sabotiert regelmäßig berufliche Chancen, indem er kurz vor wichtigen Terminen krank wird oder unvorbereitet erscheint. Sein Verhalten erscheint selbstschädigend und unverständlich. Durch die Identifikation seiner verletzten Grundbedürfnisse - in diesem Fall das Bedürfnis nach Selbstwertschutz und Kontrolle - können wir die zugrundeliegenden Gedanken rekonstruieren: “Wenn ich mich wirklich anstrenge und dann scheitere, beweise ich meine Wertlosigkeit.

6. Fallbeispiel: Sarah reagiert sehr empfindlich, wenn Gruppenmitglieder in ihrem Projekt nicht auf ihre Vorschläge eingehen. Sie kann zunächst nicht benennen, was sie fühlt oder denkt. Als wir ihre grundlegenden Bedürfnisse explorieren, wird deutlich: Ihr Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung ist sehr stark ausgeprägt.

7. Fallbeispiel: Julia kommt nicht an ihre Gedanken und Gefühle heran, wenn sie vor Gruppen sprechen soll. Wir fokussieren auf eine Situation, in der sie sich beim Sprechen vor anderen wohl fühlte - mit ihrer Nichte beim Vorlesen.

Unser Körper reagiert oft automatisch auf innere Gedanken und Gefühle, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind. Wenn Sie in einer Situation die Faust ballen oder sich angespannt fühlen, kann das darauf hindeuten, dass innere Wut oder Ärger vorhanden ist. Ein schneller Herzschlag oder ein Druckgefühl in der Brust oder im Bauch kann ein Zeichen von Angst sein. Die Rekonstruktion unbewusster Gedanken und Gefühle gleicht einer detektivischen Arbeit. Sie erfordert Geduld und verschiedene Zugänge.

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