Der Begriff Narzissmus wird häufig im Zusammenhang mit Größenwahn, Machtstreben und Arroganz genannt. Doch Narzissmus betrifft nicht nur Männer. Auch Frauen kann es treffen. Narzissmus bei Frauen äußert sich allerdings anders als bei Männern. Dieser Artikel beleuchtet die Merkmale von weiblichem Narzissmus, wie er sich von männlichem Narzissmus unterscheidet und wie er sich auf Beziehungen und das Familienleben auswirken kann.
Was ist Narzissmus?
Der Begriff Narzissmus geht auf den antiken Mythos vom schönen Narziss zurück. Eines Tages verliebt er sich in sein eigenes Spiegelbild, das er im Wasser erblickt. Beim Versuch, es zu küssen, stürzt er ins Wasser und ertrinkt.
Narzissmus wird oft mit Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung gleichgesetzt. Dabei geht es nicht um ein gesundes Maß an Selbstliebe, das nicht schädlich ist für einen selbst oder die Mitmenschen. Hier geht es um die tiefgreifende und krankhafte, narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS). Hinweise dafür sind: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, mangelnde Empathie und gesteigerter Drang nach Anerkennung.
Psychologisch betrachtet, ist eine gewisse Portion Selbstverliebtheit in jeder oder jedem von uns zu finden. Es gehört zu unseren ganz normalen menschlichen Eigenschaften. Extrem viel oder wenig davon zu haben, kommt relativ selten vor.
Das Selbstwertgefühl einer Narzisstin/eines Narzissten
Narzisstinnen und Narzissten wirken nach aktuellem Forschungsstand zwar nach außen sehr selbstbewusst, sind es oft aber gar nicht: Laut Psycholog:innen haben sie nämlich Probleme damit, ihr Selbstwertgefühl zu regulieren. Die Folge: Der Selbstwert schwankt extrem und ist oft abhängig von der Anerkennung anderer.
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Deshalb reagieren Narzisst:innen auf Niederlagen, Zurückweisungen und Kritik oft sehr extrem und sind leichter gekränkt. Das kann zu Überreaktionen wie Wutausbrüchen führen.
Typen von Narzissmus
Laut Psycholog:innen lässt sich der Narzissmus in zwei verschiedene Kategorien einteilen: Der offene Narzissmus und der verdeckte.
- Der offene Narzissmus beschreibt jemanden, der rücksichtslos, unbeirrt und sehr selbstbewusst auftritt.
- Der verdeckte Narzissmus hingegen beschreibt Personen, die eher durch depressives und stark nervöses Verhalten auffallen.
Offener Narzissmus
Der offene Narzissmus ist per Definition wohl das, was überwiegend auch in der Gesellschaft mit einer klassischen Narzisstin und einem klassischen Narzissten in Zusammenhang gebracht wird. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und sehr sicheres Auftreten zeichnen die grandiose Narzissmus-Form aus. Auf Mitmenschen kann dies schon beinahe arrogant und kühl wirken. Personen mit dieser Neigung wirken oft einnehmend und verfügen über eine starke Präsenz.
Verdeckter Narzissmus
Die Beschreibung des verdeckten Narzissmus ist in der Allgemeinheit wohl deutlich weniger populär. So wirken Eigenschaften wie ein vermehrtes Schamgefühl, Unsicherheit oder auch psychische Instabilität eher untypisch. Menschen mit einer verdeckten Narzissmus-Störung neigen zu einer depressiven und ängstlichen Persönlichkeit. Sie sind häufig sehr leicht verletzlich und empfindlich bei Kritik, ziehen sich viel zurück. Anders als die extrovertierte Narzisstin oder der extrovertierte Narzisst meiden diese Personen den Mittelpunkt und leiden häufig unter Bindungsängsten. Menschen, die offen narzisstisch sind, weisen häufig keinerlei Bindungsprobleme auf.
Merkmale narzisstischer Persönlichkeitsstörungen
Die American Psychiatric Association hat neun Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung festgelegt. Mindestens fünf von ihnen müssen erfüllt sein.
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Betroffene ……
- haben ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit und übertreiben die eigenen Talente und Leistungen.
- fantasieren stark von grenzenlosem Erfolg, Macht, Schönheit oder idealer Liebe.
- glauben von sich, besonders und einzigartig zu sein und auch nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen verstanden zu werden. Nur mit ihnen wollen sie sich auch umgeben.
- verlangen nach übermäßiger Bewunderung.
- haben besondere Ansprüche und übertriebene Erwartung an eine bevorzugte Behandlung.
- nutzen andere Personen aus, um die eigenen Ziele zu erreichen.
- zeigen einen Mangel an Empathie. Sie sind also nicht dazu bereit, Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
- sind häufig neidisch auf andere oder glauben, dass andere neidisch auf sie sind.
- verhalten sich arrogant und überheblich.
Weiblicher Narzissmus: Eine besondere Betrachtung
Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki hat sich intensiv mit der Form des weiblichen Narzissmus beschäftigt. Sie beschreibt narzisstische Frauen als geprägt von starken Gegensätzen: perfekter Schein nach außen, aber Depression und Leere im Inneren. Phantasien über die eigene Großartigkeit dienen als Schutz gegen die Unsicherheit und das Gefühl, nicht gut, hübsch oder liebenswert zu sein.
Symptome des weiblichen Narzissmus
Ähnlich wie beim männlichen Narzissmus wirken auch die Frauen nach außen oft stark und überlegen. Es handelt sich meistens um Frauen mit einem perfekten Auftreten. Sie legen sehr viel Wert auf ihr Äußeres, sind sehr leistungsstark und achten darauf, keine Fehler zu machen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich viel Leid. Während das Äußere sorgfältig gepflegt wird, werden die eigenen Bedürfnisse und Gefühle vernachlässigt. Das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen ist entgegen dem äußeren Anschein sehr gering.
Weiblicher Narzissmus lebt von der Anerkennung und Bewunderung durch andere Menschen. Die Betroffenen führen positive Erfahrungen und Erfolge häufig auf ihr Aussehen oder oberflächliche Werte zurück. Sie können sich nicht vorstellen, Wertschätzung allein für ihre Person zu erhalten. Narzisstische Frauen haben zudem sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Viele sind beherrscht von der Angst, diesem Anspruch nicht gerecht zu werden.
Ursachen des weiblichen Narzissmus
Meist lässt sich die Ursache auf die Kindheit und Jugend zurückführen. Dazu gibt es zwei Theorien.
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- Entweder hat die betroffene Person als Kind zu wenig Aufmerksamkeit und Zuneigung bekommen, was sie dann mit besonders guten Leistungen oder übertriebener Selbstdarstellung zu kompensieren versucht.
- Die zweite Theorie geht vom Gegenteil aus: Das Kind bekommt zu viel Anerkennung und wird verhätschelt.
Forschungen der Universität Amsterdam ergaben: Wenn Eltern ihre Kinder mit Lob überschütten, dann erwarten die das auch von anderen.
Folgen und begleitende Störungen
Bei einer starken Ausprägung kann der Narzissmus Frauen in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigen und gravierende Auswirkungen haben. Der Grat zwischen Persönlichkeitsmerkmal und Störung ist schmal. Sobald die Betroffene unter dem Narzissmus und seinen Folgen leidet, sollte eine therapeutische Behandlung in Betracht gezogen werden.
Für Frauen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind kritische Bemerkungen nicht nur verletzend, sondern eine echte Bedrohung. Denn das Selbstwertgefühl ist von der Fassade abhängig. Sobald die Maske bröckelt, fühlen sie sich verloren. Das Älterwerden oder eine Trennung vom Partner kann sie in tiefe Krisen stürzen. Depressionen und Angststörungen, aber auch Essstörungen und Suchtprobleme treten häufig in Kombination mit weiblichem Narzissmus auf.
Weiblicher Narzissmus: Belastung für die Familie
Narzisstische Mütter (aber auch Väter) sind eine starke Belastung für die Kinder, denn es fehlt den Betroffenen die Fähigkeit, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen. Die Kinder müssen sich daher meistens schon früh selbst versorgen. Vor allem für eine Tochter kann es schwierig sein, da sich die Mutter mit ihr identifiziert. Alle Probleme, die die Mutter mit sich selbst hat, überträgt sie auf ihre Tochter. Die Tochter kann auch als weibliche Konkurrenz empfunden werden.
Diagnose und Häufigkeit
Eine klare und eindeutige Feststellung, ob jemand unter einer narzisstischen Störung leidet, gelingt nur selten und ist oftmals sehr schwierig. Als Grundlage bleiben oft nur subjektive Wahrnehmungen und Erinnerungen, die zu wenig genauen Aussagen führen.
Es wird angenommen, dass die Zahl der Betroffenen unter einem Prozent der Bevölkerung liegt. Hierbei betrifft Narzissmus Frauen 3-mal seltener als Männer.
Die Symptome treten zudem vermehrt in Zusammenhang mit anderen psychischen Krankheitsbildern auf oder entwickeln diese begleitend. Hierunter fallen zum Beispiel gehäuft: Depressionen, ADHS, Essstörungen, verschiedene Suchterkrankungen oder andere psychologische Störungen wie bipolare, paranoide, dissoziale, histrionische oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen.
Umgang mit Narzissten
Zunächst einmal wirken Narzisstinnen und Narzissten unglaublich anziehend und charismatisch, sie erfreuen sich schnell großer Beliebtheit. Nach einer Weile jedoch verlieren sie bei genauer Betrachtung schnell ihren Charme.
Menschen mit ausgeprägten narzisstischen Zügen sind oftmals übermäßig empfindlich, was Kritik betrifft, und machen es dem Gegenüber schwer, einen galanten Umgang zu finden. Mitmenschen müssen oft alle Vorsicht walten lassen, negatives Verhalten nicht zu provozieren. Wichtig ist es, kritisierende Botschaften in der Ich-Form zu formulieren.
Sag einer Narzisstin oder einem Narzissten lieber sehr genau, was dich stört und was es mit dir macht. Je konkreter, desto besser, denn so kannst du vermeiden, dass sich das narzisstische Gegenüber komplett beleidigt fühlt. "Ich finde es nicht okay, wenn du mich nicht ausreden lässt" oder "Ich bin verletzt, wenn du dich nicht an die Regeln hältst", wä...
Treffen nur wenige Punkte zu, dann handelt es sich vermutlich um einen Chef oder Kollegen, der gelegentlich Ihre Nerven strapaziert. Treffen mehr als die Hälfte zu, sind das klare Anzeichen für Narzismus.
Test: Bin ich ein Narzisst?
Die ausgeklügeltste Variante, Narzissmus zu messen, ist das Narcissistic Personality Inventory (NPI). Der umfangreiche Fragebogen untersucht unterschiedliche Facetten von Narzissmus. Je höher das Testergebnis ist, desto stärker ausgeprägt sind die narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale. Die abgespeckte Variante, das NPI-10, besteht aus zehn Aussagen, denen man auf einer Skala von 1 bis 5 zustimmt. Den Test kannst du hier machen. Das Ergebnis ist keine klinische Diagnose. Es soll lediglich als erster Ansatz dienen, um die eigenen narzisstischen Persönlichkeitsanteile zu erkennen. Eine verlässliche Aussage darüber, ob du ein Narzisst bist oder nicht, können nur Psychologen oder Psychotherapeuten treffen.
Behandlung von Narzissmus
Nein. Allerdings kann eine psychotherapeutische Behandlung helfen zu verstehen, wie sich solche narzisstischen Muster entwickeln konnten.
Betroffenen soll dabei geholfen werden, ihren Narzissmus im Alltag stärker wahrzunehmen und mit Mitmenschen besser umzugehen. Die sind oft diejenigen, die stärker unter dem Narzissmus zu leiden haben.
Der Haken dabei: Die meisten Betroffenen nehmen Narzissmus gar nicht als Störung wahr und gehen häufig erst aufgrund anderer Symptome freiwillig in Behandlung. Ständige Konflikte und unerfüllte Erwartungen führen nämlich nicht selten zu Depressionen.
Die Phasen in einer Beziehung mit einem Narzissten
Du denkst, du bist versehentlich eine Beziehung mit einem Narzissten eingegangen? Nein. Er hat dich ausgewählt. Der Narzisst ist auf der Suche nach einer ständigen Versorgungsquelle - und hat dich als geeignet eingestuft. Das Ganze beginnt mit "Love Bombing". Dabei umgarnt dich der Narzisst. Er überschüttet dich mit scheinbarer Liebe - oder dem, von dem er denkt, dass du es als Liebe beschreiben würdest. Seine Gefühle sind nicht echt. Sex, Komplimente, Zuneigung, scheinbare Verletzlichkeit sollen dich emotional abhängig machen. Genau das bezeichnet man als "Love Bombing".
In der sogenannten Love-Bombing-Phase spiegelt dich der Narzisst. Er spielt dir eine Person vor, die du haben willst, die es so aber nicht gibt. Zudem isoliert er dich so gut es geht von anderen Menschen. Denn Außenstehende sind eine Gefahr. Sie könnten den Narzissten durchschauen. Gleichzeitig wird er immer mehr zu deiner einzigen Bezugsperson.
Die zweite Phase ist jene der Abwertung. Wenn der Narzisst merkt, dass du ihm ins Netz gegangen bist, muss alles laufen, wie er das will. Ansonsten kommt es zur Abwertung. Dafür nutzt er "Gaslighting" (gezielte Verunsicherung), Manipulation und passiv-aggressives Verhalten wie Schweigen. Die Narzissten sehen sich schließlich als permanentes Opfer, das von dir nicht bekommt, was es ihrer Meinung nach verdient hätte. Dein Schmerz hilft ihnen, ihren Selbstwert zu regulieren.
Die LoveBombing und die Abwertungsphase wechseln einander immer wieder ab. Es kommt zu einer "Traumabindung". Du als Opfer schaffst es nicht, dich zu lösen. Häufig enden diese Art von Beziehungen erst, wenn das Opfer so stark ausgelaugt ist, dass es nichts mehr geben kann - dann sucht sich der Narzisst eine neue Versorgungsquelle. Wehrst du dich, wird er es dir nicht leicht machen, zu gehen. Du musst aber.
Wann solltest du die Beziehung beenden?
In fast allen Fällen handelt es sich um toxische Beziehungen. Narzissten verlangen immer mehr: mehr Bewunderung, mehr Anerkennung, mehr Lob. Damit verbunden ist oft, dass sich ihr Partner in kürzester Zeit klein und entwertet fühlt. Gleichzeitig entsteht eine Art Abhängigkeit voneinander. Schließlich hat der Partner das Gefühl, viel investiert zu haben. Und das gibt man nicht so leicht auf.
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