Phobie gegen Geräusche: Ursachen, Symptome und Behandlung

Angst ist eine natürliche Emotion, die kulturübergreifend bei jedem Menschen auftritt. Experten verstehen darunter eine Reaktion auf vermeintliche oder tatsächliche Gefahren. Unterschieden wird zwischen der angeborenen und der erlernten Angst. Die Angst gilt als normales Verhalten, solange sie nicht übersteigert ist und sich gegen reale Bedrohungen richtet.

Was sind Angststörungen?

Erst wenn die Ängste überhandnehmen und sich in der Folge Einschränkungen ergeben, sprechen Experten von Angststörungen. Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, bei der Ängste übermäßig stark ausgeprägt sind. Die Ängste lassen sich dabei oft nicht auf einen konkreten Auslöser zurückführen. Sie werden meist durch das Zusammenwirken von sowohl erblichen als auch neurologischen und psychischen Faktoren verursacht. Sie selbst können zu psychischen oder gar körperlichen Schäden führen.

Bei vielen Betroffenen stecken einschneidende Erlebnisse wie Unfälle, schlechte Erfahrungen mit bestimmten Situationen oder der Verlust eines geliebten Menschen hinter der Angststörung. Lebenskrisen, psychische Belastungen wie Stress und Erkrankungen wie Depressionen gelten daher als Hauptursachen. Aber auch andere körperliche Erkrankungen wie Herzkrankheiten, zum Beispiel Herzrhythmusstörungen oder hormonelle Störungen stehen im Verdacht, Angststörungen auszulösen. Forschungen zeigen, dass eine gestörte Darmflora oder stille Entzündungen, also jene, die ohne Symptome wie Schmerzen, Rötung oder Fieber ablaufen, das Risiko für die Entstehung von Angststörungen erhöhen können.

Menschen, die sich über sämtliche Aspekte des täglichen Lebens andauernd und über die Maßen Sorgen machen, leiden zumeist an einer generalisierten Angststörung. Es gibt hierbei keinen konkreten Auslöser für die Ängste. Sie reichen von der Angst, etwas falsch zu machen, über Verlustängste bis hin zu der Angst, einen Unfall zu erleiden oder schwer zu erkranken. Generalisierte Angststörungen treten vermehrt bei Frauen und ab einem durchschnittlichen Alter von 30 Jahren auf. Die Symptome der generalisierten Angststörung sind dabei die gleichen wie die, welche bei nicht-krankhafter Angst auftreten.

Die Panikstörung ist eine Form der Angststörung, bei der wiederholt akute und starke Angstzustände auftreten. Begünstigt werden diese Panikattacken dadurch, dass Betroffene dazu neigen, Situationen katastrophierend zu bewerten. Dadurch stellen sie diese als gefährlicher oder bedrohlicher dar, als sie es in der Realität sind. Die Symptome der Panikattacke deuten die Betroffenen als Zeichen einer unmittelbar drohenden körperlichen oder psychischen Katastrophe. In der Regel halten diese für eine bestimmte Zeit lang an (einige Minuten bis Stunden) und vergehen dann wieder. Dabei hält die Sorge vor weiteren Panikanfällen stets an. Die Häufigkeit der Panikattacken variiert stark; sie kommen bei manchen Menschen mehrfach täglich vor und bei anderen wöchentlich oder monatlich.

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Betroffene einer Panikstörung schränken sich in ihrem Alltag oft stark ein, das heißt, sie vermeiden es an Orte zu gehen oder Aktivitäten auszuüben, bei denen sie davon ausgehen, dass sie eine Panikattacke auslösen könnten. Dabei können sich Betroffene schrittweise angstauslösenden Situationen stellen. Die Phobie stellt eine auf bestimmte Gegenstände, Situationen, Personen oder Tiere gerichtete sehr starke Angst dar. Auch hier ist den betroffenen Menschen klar, dass ihre Ängste unbegründet sind.

Misophonie: Hass auf Geräusche

Einige Menschen reagieren allerdings auf Gegenstände, Tätigkeiten oder Situationen, indem sie sich die Gefahr ausmalen oder extrem steigern. Ihre Gefühle von Panik, Angst oder Schrecken stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr. In manchen Fällen genügt der bloße Gedanke an den Angstauslöser oder ein kurzer Blick darauf um eine Reaktion auszulösen. Menschen mit spezifischer Phobie sind sich oftmals darüber im Klaren, dass ihre Ängste übertrieben oder für andere unverständlich sind, aber sie haben über dieser Gefühlszustände keine Kontrolle. Ein Mensch kann mehr als eine spezifische Phobie haben.

Für Menschen, die unter sogenannter Misophonie leiden, werden aber schon weniger aufdringliche Geräusche wie Schmatzen oder Kauen zur Qual. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern "misos" für Hass und "phone" für Geräusch zusammen, er beschreibt den Hass auf ein spezifisches Geräusch. Schmatzen, Schnalzen oder Atmen - praktisch alle Körpergeräusche können Auslöser sein. Manchmal auch das Klackern eines Kugelschreibers oder Gesten wie das Übereinanderschlagen der Beine. Die meisten Betroffenen ertragen aber keine Kaugeräusche.

Während andere diese Alltagsgeräusche oft gar nicht wahrnehmen oder zumindest nicht als besonders störend empfinden, lösen sie bei den Betroffenen Ärger, Wut oder Ekel aus. Der emotionale Stress, den Betroffene dabei erleben, lässt sich sogar objektiv messen: Ihr Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt. Auch Symptome wie Schweißausbrüche und Übelkeit sind keine Seltenheit. Viele Fragen sind noch offen. Die Ursachen der Sensibilitätsstörung sind bis heute nicht ausreichend erforscht. In einer Studie fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Newcastle heraus, dass bei Misophonie-Betroffenen eine Störung von emotionalen Kontrollmechanismen im Gehirn vorliegt. Warum jedoch die eine Person mit dieser Veranlagung an Misophonie erkrankt und eine andere nicht, ist bislang unklar.

Symptome der Misophonie

  • Personen, die an Misophonie leiden, fühlen sich stark gestört und können wütend auf alltägliche Geräusche wie Essgeräusche, Atmen, Niesen, Gähnen, Husten, Räuspern, Stottern, Stammeln, Kaugummikauen, Lachen, Schnarchen, Pfeifen oder andere sich wiederholende Geräusche reagieren.
  • Manche Betroffene werden auch durch visuelle Reize getriggert, wie sich wiederholende Fuß- oder Körperbewegungen, Herumzappeln oder andere Bewegungen, die sie aus dem Augenwinkel wahrnehmen.
  • Extreme Angst und Vermeidungsverhalten können entstehen, was zu sozialer Isolation oder verminderter Geselligkeit führen kann.
  • Manche der Betroffenen stehen unter dem Zwang, das, was sie sehen oder hören, nachzuahmen.

Häufigkeit und Begleiterkrankungen

Daten zur Prävalenz (Häufigkeit) von Misophonie liegen noch nicht vor, aber die steigende Zahl der bekannten Betroffenen lässt darauf schließen, dass sie häufiger auftritt, als bisher angenommen. Unter Patienten mit Tinnitus, welcher vier bis fünf Prozent der Bevölkerung betrifft, gibt es Studien, die von einer Prävalenz von Misophonie von 60 Prozent berichten. Eine Studie aus dem Jahr 2010 hat unter Tinnituspatienten eine Prävalenz von zehn Prozent gemessen.

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Eine niederländische Studie aus dem Jahr 2013 mit einer Gruppe aus 42 Patienten mit Misophonie hat eine geringe Häufigkeit von psychischen Erkrankungen festgestellt, mit Ausnahme der zwanghaften Persönlichkeitsstörung (52,4 Prozent).

Was tun bei Misophonie?

Im Gegensatz zu Phobien, bei denen häufig empfohlen wird, sich dem Auslöser, auch Trigger genannt, zu stellen, führt das bei Misophonie häufig zu einem gegenteiligen Effekt: Die Reaktion darauf wird eher verstärkt und neue Trigger können hinzukommen. Es ist wichtig, Bereiche zu schaffen, in denen Betroffene vor diesen Geräuschen geschützt seien und zur Ruhe kommen könnten. Beim Familienessen kann es manchen Betroffenen helfen, wenn Musik im Hintergrund läuft.

Häufig bessert sich dadurch auch die Misophonie. Es gibt auch die Möglichkeit, solche Geräusche kognitiv umzudeuten. Oder lernen Sie, den Fokus nicht auf das Geräusch zu legen: Achten Sie beim Essen auf das Gespräch und nicht auf das Schmatzen. Auch Techniken zur Emotionsregulation könnten helfen, mit den negativen Gefühlen umzugehen. Um das zu erlernen, brauchen Betroffene allerdings Unterstützung, etwa in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie.

Wann sollte man Angst ärztlich abklären lassen?

Verspüren Betroffene vermehrt Ängste und haben das Gefühl, sich ungewöhnlich viele Sorgen zu machen, sodass der Alltag deutlich beeinträchtigt ist, ist es ratsam sich ärztliche Hilfe zu suchen. Meist veranlasst der Arzt oder die Ärztin weitere Untersuchungen, um etwaige körperliche Erkrankungen abzuklären. Dazu gehört vor allem eine Blutuntersuchung, um beispielsweise Organschäden oder Infektionen aufzudecken, die wiederum Ursache für eine psychische Erkrankung sein können. Um zu überprüfen, ob das Herz betroffen ist, wird zumeist ein Elektrokardiogramm (EKG) durchgeführt.

Können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden, empfiehlt der Arzt ode die Ärztin möglicherweise eine Psychotherapie, um die Angsterkrankung zu behandeln. Weiterhin kann ein Psychiater oder eine Psychiaterin Medikamente gegen die Angsterkrankung (z.B. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Benzodiazepine ) verschreiben, die jedoch begleitend zur Psychotherapie eingenommen werden sollten.

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