Viele Menschen reden zu viel. Dies kann verschiedene Gründe haben, von sozialer Ängstlichkeit bis hin zu großem Interesse an einem bestimmten Thema. Während Redseligkeit ein Persönlichkeitsmerkmal sein kann, kann sie auch auf zugrunde liegende gesundheitliche Störungen hinweisen.
Ursachen für übermäßiges Reden
Obwohl übermäßiges Reden (Overtalking) an sich kein Anzeichen für eine psychische Erkrankung ist, gibt es verschiedene Faktoren, die dazu beitragen können:
1. Autismus-Spektrum-Störung
Menschen mit Autismus haben oft Schwierigkeiten mit sozialer Kommunikation und Interaktion. Obwohl Übersprechen allein nicht automatisch zu Autismus führt, ist es ein Verhalten, das bei autistischen Personen auftreten kann. Es geht vor allem darum, die Notwendigkeit von Pausen, Unterbrechungen und Augenkontakt zu erkennen - also all die nonverbalen Signale, die zur Kommunikation gehören.
2. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
ADHS ist eine weit verbreitete Störung, die sich durch Unaufmerksamkeit und hyperaktiv-impulsives Verhalten auszeichnet. Menschen mit ADHS reden oft übermäßig viel, unterbrechen andere und lassen sich leicht ablenken. Bei ADHS besteht in der Regel eine Tendenz zu impulsivem Verhalten mit verminderter Hemmschwelle. Man sagt zum Beispiel alles, was einem in den Sinn kommt, ohne es zu filtern.
3. Angststörung
Entgegen der landläufigen Meinung sind nicht alle Menschen mit sozialen Ängsten still. Häufig besteht die Tendenz, eine große Angst vor dem Schweigen zu haben. Die Menschen reden, um die Stille zu vermeiden. Diese nervöse Energie wird durch das Sprechen wirklich abgebaut. Ein Kennzeichen von Angst sind rasende Gedanken. Man hat diese rasenden Gedanken, und dann kommen sie als Overtalking zurück.
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4. Bipolare Störung
Die bipolare Störung verursacht extreme Stimmungsschwankungen, die von Depression bis Manie reichen. Während einer manischen Episode können Patienten sehr schnell sprechen, was oft keinen Sinn ergibt. Man spricht dann von einem Rededruck, wenn jemand so schnell denkt, dass er seine Worte nicht schnell genug herausbringen kann.
Selbstgespräche: Normal oder Anzeichen einer Störung?
Sich hin und wieder dabei zu ertappen, mit sich selbst zu reden, bedeutet nicht automatisch, dass etwas nicht stimmt. Ein ordentliches Selbstgespräch kann durchaus positiv wirken. Es dient zur Selbstmotivation, zur Strukturierung von Gedanken und Aufgaben, zur Steigerung des eigenen Selbstwertes und kann damit zur Aufrechterhaltung des psychischen Wohlbefindens beitragen.
Die Forschung schätzt, dass 96 Prozent der Erwachsenen regelmäßig ihre innere Stimme verbalisieren. Vor allem im Spitzensport-Bereich kann beobachtet werden, wie Sportler*innen vor Wettkämpfen mit sich selbst sprechen, sich motivieren, Mut machen und sich fokussieren.
Selbstgespräche können aber auch einen gegenteiligen Effekt erzielen, wenn diese vornehmlich negativer Natur sind. Die Grenze zur psychischen Erkrankung verläuft quasi an der Stelle, an der Betroffene nicht mehr unterscheiden können, was der Realität entspricht und was nicht. Dem zuzuordnen seien beispielsweise Demenzerkrankungen, Depressionen oder Schizophrenie, denn sie würden als Kernsymptom eine Störung der Denkabläufe aufweisen.
Echolalie: Wiederholung von Worten und Sätzen
Echolalie bezeichnet das stereotype, sinnlose Nachsprechen von Worten, Sätzen oder Geräuschen. Kleine Kinder üben durch dieses Nachplappern das Sprechen. Darüber hinaus zeigt sich Echolalie beispielsweise bei Autismus und Schizophrenie.
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Mögliche Ursachen für Echolalie sind vor allem:
- Normale Sprachentwicklung
- Autismus
- Tourette-Syndrom und andere Tic-Störungen
- Schizophrenie
- Alzheimer
- Globale Aphasie
Wenn die Echolalie über das Kleinkindalter hinaus und/oder in ungewöhnlich starkem Maße auftritt, ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Treten plötzlich Sprachstörungen wie etwa eine Echolalie oder andere auf, dazu noch Symptome wie eine (halbseitige) Gesichtslähmung sowie Motorikprobleme etwa der Arme, liegt ein Schlaganfall nahe. Rufen Sie sofort den Notruf!
Die Bedeutung des Zuhörens
Das Gefühl, gehört zu werden, ist für die meisten Menschen wichtig. Zuhören ist nicht gleich Hören. Hören ist der physische Prozess, bei dem Schallwellen auf das Trommelfell treffen und im Gehirn als Geräusche verarbeitet werden. Es ist eine passive und automatische Funktion des menschlichen Körpers. Dagegen ist Zuhören ein aktiver, bewusster Prozess, bei dem den gehörten Informationen Aufmerksamkeit geschenkt werden und auf diese Interpretation und Verständnis folgt.
Gutes Zuhören vermittelt Empathie und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit. Es stärkt unser Selbstwertgefühl und das Gefühl der sozialen Verbundenheit. Zuhören stimuliert das Gehirn also ähnlich wie das Erlernen neuer Dinge oder körperliche Aktivitäten.
Umgekehrt wirken Menschen, die anderen nicht oder nur schlecht zuhören, nicht gerade wie die angenehmsten Zeitgenossen. Wenn uns jemand gar nicht zuhört, fühlen wir uns ignoriert, nicht wertgeschätzt und emotional isoliert. Dies kann zu Frustration, Ärger und Missverständnissen führen.
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Umgang mit übermäßigem Reden
Wenn Sie feststellen, dass Sie selbst oder jemand in Ihrem Umfeld übermäßig viel redet, gibt es verschiedene Strategien, die helfen können:
- Bewusstsein schaffen: Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie zu viel reden. Ein offenes Gespräch kann helfen, das Bewusstsein dafür zu schärfen.
- Therapie: Bei zugrunde liegenden psychischen Störungen kann eine Therapie helfen, die Symptome zu lindern und das Verhalten zu kontrollieren.
- Achtsamkeit: Übungen zur Achtsamkeit können helfen, die Aufmerksamkeit zu verbessern und impulsives Reden zu reduzieren.
- Kommunikationstechniken: Das Erlernen von aktiven Zuhörtechniken kann helfen, Gespräche ausgewogener zu gestalten.
Indem wir die Ursachen und Hintergründe von übermäßigem Reden verstehen, können wir einen konstruktiven Umgang damit finden und sowohl unsere eigenen Beziehungen als auch unser Wohlbefinden verbessern.
Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Redseligkeit
Die folgende Tabelle fasst die Zusammenhänge zwischen verschiedenen psychischen Störungen und übermäßigem Reden zusammen:
| Psychische Störung | Typische Merkmale | Zusammenhang mit Redseligkeit |
|---|---|---|
| Autismus-Spektrum-Störung | Schwierigkeiten mit sozialer Kommunikation und Interaktion | Kann zu Schwierigkeiten bei der Erkennung nonverbaler Signale und der Notwendigkeit von Pausen führen. |
| ADHS | Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität | Führt oft zu übermäßigem Reden, Unterbrechungen und leichter Ablenkbarkeit. |
| Angststörung | Übermäßige Sorgen, Nervosität | Kann zu Reden führen, um Stille zu vermeiden und nervöse Energie abzubauen. |
| Bipolare Störung | Extreme Stimmungsschwankungen (Manie und Depression) | In manischen Phasen kann es zu schnellem, sprunghaftem Sprechen kommen. |
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