Die psychoanalytische Theorie ist außerordentlich komplex und in Teilbereichen selbst für Fachleute schwer verstehbar. Selbst C.G. Jung flehte Freud nach Jahren der Zusammenarbeit in einem Brief an, er möge ihm doch erklären, was er eigentlich mit 'Libido' meine. Eine abrisshafte Darstellung der Psychoanalyse kann daher in jedem Falle nur stark vereinfachend erfolgen und die Arbeit lediglich den Anspruch erheben, eine Einführung in das psychoanalytische Denken zu geben.
Einleitung
Die Genese der Psychoanalytischen Methode kann nur im historischen Kontext verstanden werden.
So werden für Ellenberger1 bereits bei den Griechen erste Ansätze einer "Forschung nach dem Unbewussten" erkennbar, aber auch schamanistische Techniken sowie gewisse Praktiken des katholischen Exorzismus oder Mesmer's Magnetismus werden als wichtige methodische Vorläufer der Tiefenpsychologie erachtet.
Wurzeln und Entwicklung der Psychoanalyse
Sigmund Freud wurde am 6. Mai 1856 als Sohn jüdischer Eltern in Freiberg (Mähren) geboren, in dem sein Vater als Geschäftsmann tätig war. Die Familie übersiedelte 1860 nach Wien, wo Freud bis zur Besetzung Österreichs durch Hitler im Jahre 1938 lebte und wirkte. Er besuchte hier das Gymnasium, studierte Medizin und arbeitete von 1876 - 1882 als Assistent im physiologischen Laboratorium von Prof. Ernst Brücke, wo er sich vor allem mit dem Nervensystem niederer Fischarten beschäftigte.
Freud setzte seine Arbeit später als Arzt im Allgemeinen Krankenhaus fort, begleitet von seinen Forschungen, insbesondere über das Zentralnervensystem des Menschen. Bald galt er in Wien als führender Neurologe (Nervenarzt). 1885 fuhr er nach Paris, um sich bei Professor Charcot, der damals führenden Kapazität auf dem Gebiete der Neurologie, weiterzubilden. Bei ihm lernte Freud die Hypnose kennen, die damals von den meisten Psychiatern als Schwindel betrachtet wurde, und in diesem Zusammenhang auch eine damals als Hysterie bezeichnete Krankheitsform, welche man in Paris mittels der Hypnose mit einigem Erfolg behandelte.
Lesen Sie auch: Grundlagen der Psychoanalyse
Freud setzte die Hypnose zunächst gemeinsam mit Breuer primär zur Befreiung "verklemmter" Affekte ein, verzichtete aber im Laufe seiner Arbeit zunehmend auf diese suggestive Technik (Gründe hierfür waren u.a. gegen die Hypnose resistente Symptome, die Tatsache, dass nicht alle Klienten ausreichend suggestibel sind, Widerstände nur umgangen werden und einige mehr).
Er kehrte 1886 nach Wien zurück und entwickelte als Inhaber einer eigenen Arztpraxis in einer mehrjährigen, anstrengenden Forscherarbeit die Psychoanalyse. Die Hypnose ersetzte er dabei zunächst durch die Techniken
- der freien Assoziation,
- der Widerstandsanalyse sowie
- der "Couch-Technik" (zwecks Erleichterung der Übertragung od. Regression)
Über Jahrzehnte hinweg verdiente er den Unterhalt für seine achtköpfige Familie mit Psychoanalysen und schrieb abends an seinen theoretischen Abhandlungen. In Wien scharte Freud einen Kreis interessierter Ärzte um sich und gründete mit ihnen (zu Beginn auch mit Adler) und in Zusammenarbeit mit Bleuler und C.G. Jung in Zürich die so genannte "Psychoanalytische Vereinigung". Er musste lange um deren wissenschaftliche Anerkennung kämpfen und entwickelte dabei teils auch autoritäre und regelrecht fanatische Züge. Seine Schriften indes zeichnen sich durch distanzierte wissenschaftliche Sachlichkeit und eine klassische Sprache aus.
Nach der Besetzung Österreichs durch Hitler, bereits schwer gezeichnet durch Gaumenkrebs (vermutlich eine Folge des jahrzehntelangen Kettenrauchens von Zigarren) emigrierte Freud nach London, wo er 1939 starb.
Sein mittlerweile schon über 100 Jahre alter Ansatz wurde von Freud selbst im Laufe der Jahrzehnte mehrmals überarbeitet und auch seit seinem Tod erfuhr die Psychoanalyse eine Weiterentwicklung, Aspekte und Ansätze, die im letzten Teil dieser Arbeit aufgezeigt werden sollen. Der Ansatz der Psychoanalyse war damals völlig neu und revolutionär. Er eröffnete völlig neue Sichtweisen und weiterführende Denkansätze hinsichtlich der Heilungsmöglichkeiten für den Menschen.
Lesen Sie auch: Forschung am Institut für Psychoanalyse
Der daraus folgende, intensive Diskurs innerhalb der psychoanalytischen Vereinigung, aber auch der Umgang von Freud mit seinen Kritikern führte sodann zu fortlaufenden Abspaltungen vom "Stamm" Psychoanalyse, immer weiteren Neuentwicklungen und Ansätzen. Klassische Beispiele hierfür sind Alfred Adler (Individualpsychologie), Carl Gustav Jung (Analytische Psychologie), L. Szondi (Schicksalsanalyse), Ludwig Binswanger und Medard Boss (Daseinsanalyse), Arthur Janov (Primärtherapie) sowie alle (teilweise marxistisch ausgerichteten) Richtungen der Neo-Psychoanalyse wie z.B. Erich Fromm und Harald Schultz-Hencke.
Der Begriff "Psychoanalyse"
Der Begriff 'Psychoanalyse' wird heute in drei Bedeutungen verwendet:
- als tiefenpsychologische Forschungsmethode ("Freud gewann seine psychologischen Erkenntnisse durch Psycho[-]Analyse.")
- als Inbegriff der Freudschen Lehre ("Die Psychoanalyse misst der Sexualität eine fundamentale Bedeutung zu.")
- als Heilmethode (Therapie-Form) ("Als Psychotherapie-Methode wird Psychoanalyse empfohlen.")
Grundhypothesen
Unter einer Hypothese wird eine grundlegende Annahme verstanden, welche als unbewiesen zu gelten hat, auf welcher aber weitere theoretische Aussagen aufgebaut sein können.
a) Grundlegend für die Psychoanalyse ist die Annahme der ganzen Tiefenpsychologie, dass es 'das Unbewusste' gibt, einen Bereich also, zu dem das Individuum praktisch kaum einen Zugang hat, der aber dessen Handlungen stark beeinflusst oder bestimmt (determiniert).
Die Annahme eines Unbewussten mit so weit reichenden Wirkungen versetzt dem Glauben des Rationalismus, dass der Mensch grundsätzlich vernünftig zu handeln weiß und mittels vernünftigem Handeln auch eine vernünftige Welt aufbauen kann, einen argen Stoß. Es verwundert daher nicht, dass Freud damals mit seiner Annahme bei vielen Wissenschaftern und Theoretikern auf Ablehnung stieß.
Lesen Sie auch: Verdrängung nach Freud
b) Die zweite grundlegende Hypothese besagt, dass psychisches Geschehen grundsätzlich kausal determiniert ist, dass also das Psychische genauso wie das Organische und Mineralische dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen ist. Würde man also sämtliche psychische Ursachen kennen, könnte man gemäß dieser Grundannahme jedes weitere Verhalten und psychische Geschehen mit Sicherheit voraussagen.
Freud wurde im materialistischen Geist des 19. Jahrhunderts erzogen und blieb diesem Denken weitgehend bis an sein Lebensende treu. Er teilt insofern den typisch materialistischen Reduktionismus, der darin besteht, dass das Geistige auf das Psychische, das Psychische auf das Organische und das Organische auf das Mineralische zurückgeführt wird. Leben, Psychisches und Geistiges sind demnach letztlich insgesamt Ausflüsse der Materie und können unmöglich unabhängig von dieser bestehen. Im Rahmen dieses Denkens ist z.B. die Vorstellung eines individuellen Weiterlebens einer prinzipiell vom Körper lösbaren Seele nach dem physischen Tode undenkbar. Auch widerspricht diesem Denken grundsätzlich die Vorstellung, der Mensch könne frei handeln. Wie uns Freud-Forscher mitteilen, kommt das Wort 'Freiheit' in Freud's Werken insgesamt nur sieben Mal vor - und selbst das nur "en passant". Die Vermutung liegt nahe, dass für Freud die Unmöglichkeit wirklich freien Handelns so selbstverständlich war, dass er nicht einmal auf die Idee kam, sich darüber theoretisch zu äußern.
Persönlichkeitsmodelle und Menschenbild
Angesichts der Weiterentwicklung der Methode ist es heute nicht mehr möglich, von dem Menschenbild der Psychoanalyse zu sprechen - dieses variiert vielmehr nach der ideologischen Position des Analytikers.
Das Menschenbild von Sigmund Freud, dem »Vater der Psychoanalyse«, war in der Philosophie des Humanismus und der Aufklärung verwurzelt, allerdings wurde diese Philosophie durch ihn ("Die Menschheit hat gewusst, dass sie Geist hat; ich musste ihr zeigen, dass es auch Triebe gibt") selbst beeinflusst. Freuds Menschenbild impliziert einen "psychischen Apparat", ist also zum Teil als mechanistisch zu bezeichnen.
Der Mensch zeichnet sich durch elementare, im Unbewussten gegründete Triebregungen aus, die auf die Befriedigung gewisser ursprünglicher Bedürfnisse zielen und quasi den "Urgrund" der menschlichen Persönlichkeit bilden. Auch heute wird in der Psychoanalyse hierbei der Sexualität eine besondere Bedeutung beigemessen. Bedingt durch die Irrationalität der Triebstruktur wird ein Determinismus angenommen, der letztlich die menschliche Willensfreiheit in Frage stellt. Das Ich befindet sich permanent in einem Spannungsfeld zwischen Trieb-, Realitäts- und Gewissensansprüchen - Freud beschreibt das Ich als eine "Angststätte"1 und betrachtet den Menschen als Konfliktwesen - ständig überfordert beim Versuch, zwischen diesen Polaritäten zu vermitteln. In der Moderne erfolgt zusätzlich noch eine ständige Konfrontation mit den verschiedensten apokalyptischen Gefahren.
Kunst, Religion, ja alle geistigen Produktionen sind lediglich Produkte der Triebsublimierung und entsprechen den analogen Kompromissbildungen beispielsweise des Traumes und der Neurose.
Das Menschenbild ist jedoch auch heute noch nicht abgeschlossen, wird vielmehr bei jeder Analyse vom Analysanden für sich neu er- oder wenigstens bearbeitet (biographische Rekonstruktion) - was einen entsprechenden Umgang des Analytikers mit dessen Gegenübertragung voraussetzt. So ist etwa gegenwärtig eine Weiterdifferenzierung zu einem höchst komplexen Personenbegriff festzustellen. Wichtig scheint es auch, das ideologiekritische Potential der Psychotherapie zu erwähnen (Freud, Reich!), da sie über einen ständigen Prozess immer neuer Entmystifizierungen zu einem immer offeneren Menschenbild führen kann.
Das topologische Modell
Auf der Suche nach Bereichen, in denen sich psychisches Geschehen abspielt, definierte Freud drei Schauplätze:
a) das Bewusstsein
Was mit "Bewusstsein" gemeint ist, weiß jeder vermutlich aus eigenem Erleben. Eine genauere Charakterisierung dieses so geheimnisvollen Phänomens jedoch (nämlich, dass eine Wesenheit um ihre eigene Existenz weiß und auch weiß, dass sie es weiß) erfordert sehr weit reichende philosophische Erwägungen, die den Rahmen dieser Übersicht sprengen würden.
b) das Vorbewusste
Unter dem Vorbewussten versteht Freud jenen Bereich von Inhalten, die zwar im Augenblick nicht bewusst, aber grundsätzlich (etwa durch "Konzentration") dem Bewusstsein zugänglich gemacht werden können, also das Gedächtnis, die Erinnerung, den Sprachschatz und erworbene Fertigkeiten.
c) das Unbewusste
Das Unbewusste ist jener Bereich, in dem sich Inhalte, die nicht ins Bewusstsein gelangt sind oder kommen können, aber ...
Das Struktur-Modell
a) Das Es
b) Das Ich
c) Das Über-Ich
Zugänge zum Unbewussten
- Hypnose
- Deutung von Fehlleistungen
- Freie Assoziation
- Deutung von Symptomen und Verhaltensweisen
- Traumdeutung
- Projektive Tests
Trieblehre
Libido
Die Abwehrmechanismen
- Verdrängung
- Regression
- Rationalisierung
- Projektion
- Introjektion
- Identifikation
- Konversion
- Reaktionsbildung
- Kompensation
- Autoaggression
- Substitution
- Realitätsleugnung / Verleugnung
- Sublimierung
- Verschiebung
- Ungeschehen machen
- Flucht in die Gesundheit
Die psychosexuelle Entwicklung
- Orale Phase
- Anale Phase
- Phallische Phase
- Ödipuskomplex
- Latenzzeit
- Genitale Phase: Pubertät, Adoleszenz, Erwachsenensexualität
Die Traumdeutung
- Zweck und Wesen des Traumes
- Latenter und manifester Traum, Traumdeutung und Traumarbeit
- Traumquellen
Psychopathologie und Therapieziele
- Neurosen
- Phobien
- Zwangsneurosen
- Von der Vielfalt neurotischen Verhaltens
Die psychoanalytische Technik
- Grundsätzliche Erwägungen
- Der analytische Vertrag
- Heilungsplan und therapeutische Beziehung
- Die psychoanalytische Dialogstruktur (Setting)
- Übertragung und Gegenübertragung
- Die heilenden Wirkungen
- Besondere Schwierigkeiten
- Der Abschluss der Therapie
Methodenvergleich mit der Systemischen Therapie
tags: #Abriss #der #Psychoanalyse #Sigmund #Freud #Zusammenfassung