Narzissmus ist heutzutage ein Trendbegriff geworden, der im alltäglichen Gebrauch ichbezogenes, selbstverherrlichendes Verhalten umschreibt. In der Küchenpsychologie ist man sich schnell einig: Jemand, der überwiegend ichbezogen handelt, die Bedürfnisse anderer nicht einmal ansatzweise versucht nachzuvollziehen und es gleichzeitig schafft, mit diesem Verhalten anderen Menschen den Kopf zu verdrehen, ist ein Narzisst. Diagnosen sind im Alltag schnell gestellt und doch sollte man berücksichtigen, dass in vielen, vielen Menschen (vielleicht sogar in uns allen?) narzisstische Anteile vorhanden sind.
Narzisstische Anteile sind keineswegs nur negativ und destruktiv zu sehen. In Bereichen wie Kunst, Kultur oder auch der Politik feiern wir Narzissten sogar. Wir feiern sie für ihren Ehrgeiz oder ihre Andersheit. Zumindest solange wir nicht eng mit ihnen zusammenarbeiten oder sogar zusammenleben. Denn Beziehungen mit Narzissten führen in vielen Fällen zu Selbstwertproblemen der gesunden Partner. Oder aber narzisstische Menschen lassen es erst gar nicht zu einer Beziehung kommen.
Der amerikanische Psychologe Craig Malkin hat sich ausreichend mit Narzissmus beschäftigt, aber auch mit seinem Gegenteil, das er Echoisten nennt. Er ist der Meinung, dass wir alle ruhig ein bisschen narzisstisch sein dürfen. PsychologInnen haben mittlerweile herausgefunden, dass ein positives Bild von sich selbst vor Krankheiten wie Depression schützen kann. Wer ständig nur seine Fehler sieht, neigt zu Unzufriedenheit.
Das Traurige bei Narzissmus ist allerdings, dass Betroffene gar nicht zufrieden mit sich sind. Im Grunde ist der Narzisst ein Zweifler. Er zweifelt an sich selbst und seinem Wert. Durch die permanente Selbsterhöhung bekommt er scheinbare Anerkennung aus der Umwelt. Und auf diese sind Narzissten stark angewiesen. Fällt die Anerkennung weg, reagieren sie mit Vorwürfen und Kränkungen.
Pathologischer Narzissmus ist äußerst selten. Narzisstische Züge hingegen sind häufiger, es kommt jedoch immer auf die Ausprägung an. Narzissmus ist keine angeborene Persönlichkeitsstörung aber Anteile sind erblich. Er entwickelt sich durch äußere Faktoren wie Erziehung und Kultur, sowie eine allgemeine hohe Leistungserwartung. Narzissten arbeiten nicht gern im Team, denn es geht stets um ihre eigenen Vorteile.
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Narzissmus: Behandlung und Therapieansätze
Narzissten gelten heutzutage als behandelbar. Sie besuchen eine Therapie allerdings nur, wenn es einen enormen Tiefschlag gibt. Narzissten mit einer wenig stark ausgeprägten Störung arbeiten im Rahmen der Behandlung vor allem an ihrem Selbstwert und der Auflösung von narzisstischen Reaktionen. Sie sollen schließlich zu den Gefühlen (Angst oder Trauer), die sie einfach nicht spüren wollen, zurückfinden.
LebenspartnerInnen, FreundInnen oder Familienangehörige von Menschen mit narzisstischen Ausprägungen wird fachliche Hilfeleistung empfohlen. Einerseits da das Leben mit einem narzisstisch gestörten Menschen vieles abverlangt, andererseits da sich in solchen Beziehungen oft destruktive Beziehungsmechaniken entwickeln, aus denen man mit therapeutischer Hilfe am einfachsten wieder herausfindet.
Viele NarzisstInnen finden sich in Politik und Kunst. Aktuelle Beispiele sind Politiker Donald Trump und Vladimir Putin. Auch Fußballer Cristiano Ronaldo soll eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben. Wer von NarzisstInnen verletzt wird, sollte sich nicht schämen. Es ist ganz normal, dass wir anfangs durch ihr stolzes Verhalten geblendet beziehungsweise manipuliert werden. Kommen wir ihnen jedoch nahe, werden wir entweder bewusst verletzt oder einfach durch die Tatsache, dass wir nie eine Rolle spielen.
NarzisstInnen sind erfolgreich und streben stets nach mehr. Ihr Tiefpunkt kann überraschend kommen. Es kann an den eigenen Kräften zehren, wenn man es mit einem aufgeblasenen Ego zu tun hat. Jeder Mensch ist anders und hat seine eigene Geschichte. Daher plant jede Psychotherapie bzw. Beratung und Behandlung für jede/n Klienten/in individuell nach ihren/seinen Bedürfnissen.
Um die Komplexität der narzisstischen Persönlichkeitsstörung besser zu verstehen, werden in der psychologischen Forschung verschiedene Modelle herangezogen. Dabei unterscheiden die Theorien mehrere Subtypen, die das Phänomen Narzissmus in seinen unterschiedlichen Facetten abbilden. Je nach Modell wird dabei zwischen zwei oder drei Subtypen von Narzissmus differenziert.
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Typen von Narzissmus
Nach einer Studie von Russ und Kollegen (2008) kann man die Narzisstische Persönlichkeitsstörung in drei Typen einteilen:
- grandios-maligner Narzissmus
- vulnerabel-fragiler Narzissmus
- exhibitionistischer Narzissmus mit hohem Funktionsniveau
Erich Fromm unterscheidet in zwei Subtypen des Narzissmus: Positiver Narzissmus ist durch eine überhöhte Selbstwahrnehmung geprägt.
Man bezeichnet diese Form daher auch als „verdeckten Narzissmus“. Menschen mit diesem Typus von narzisstischer Persönlichkeitsstörung reagieren sehr sensibel auf Kritik und Misserfolge. Im Vergleich zu anderen Typen suchen sie aufgrund von Depressionen und anderen psychischen Symptomen häufiger therapeutische Hilfe.
Menschen mit dem exhibitionistischen Typus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung - auch "offener Narzissmus" genannt - stellen ihre Großartigkeit öffentlich heraus. Dadurch ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, die sie brauchen. Sein Auftreten wirkt sehr selbstbewusst. Anderen gegenüber verhalten sich diese Personen arrogant und kühl.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung entsteht aus einer Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Nach neuesten Zwillingsstudien haben die Gene bei der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung einen größeren Einfluss als bei anderen Persönlichkeitsstörungen. Es spielen aber auch Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle.
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Viele Experten sehen die Wurzeln des Narzissmus in der Kindheit. Die Theorien über die Entstehung variieren jedoch stark, und derzeit gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Einigkeit besteht nur darüber, dass die narzisstische Störung auf ungünstige Interaktionen mit Bezugspersonen zurückzuführen ist.
Symptome der narzisstischen Persönlichkeitsstörung
Von einer Persönlichkeitsstörung spricht man, wenn Menschen ein bestimmtes Muster im Verhalten, Denken und in den Gefühlen zeigen, das stark von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Diese unflexiblen Persönlichkeitsmerkmale führen zu Leiden und Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen und/oder anderen Bereichen.
Nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) müssen mindestens fünf der folgenden Symptome für die Diagnose der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung vorliegen:
- Die Betroffenen haben ein übertriebenes Gefühl ihrer eigenen Wichtigkeit.
- Sie haben Phantasien von grenzenlosem Erfolg, Macht, Schönheit oder idealer Liebe.
- Sie glauben, besonders und einzigartig zu sein und nur von besonderen oder angesehenen Personen verstanden zu werden.
- Sie erwarten von anderen übermäßige Bewunderung.
- Sie erwarten, dass andere sie besonders bevorzugt behandeln und automatisch auf ihre Erwartungen eingehen.
- Sie nutzen andere aus, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.
- Sie haben wenig Empathie; wollen sich nicht in andere hineinversetzen.
- Sie empfinden oft Neid für andere oder glauben, andere sind neidisch auf sie.
- Sie verhalten sich arrogant und überheblich.
Die Narzissmus-Symptome sind allerdings nicht immer so eindeutig. Manche Betroffene zeigen etwa ihre Überheblichkeit nicht offen. Die Anzeichen sind dann nur erkennbar, wenn man sehr genau hinsieht.
Psychotherapie bei Narzissmus
Zur Behandlung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung werden psychotherapeutische Verfahren eingesetzt. Der Therapeut hilft dem Betroffenen, seine Verhaltensweisen und Gefühle besser zu verstehen. Narzisstische Verhaltensweisen sind oft der Versuch, negative Gefühle zu kompensieren. Bei den Mitmenschen kommen Überheblichkeit und Arroganz jedoch nicht gut an - was Betroffene aufgrund ihrer Selbstüberschätzung und mangelnden Empathiefähigkeit nicht begreifen oder erkennen.
Um die Beziehung zu anderen Menschen zu verbessern, muss der Betroffene daher an seiner Empathiefähigkeit arbeiten und gemeinsam mit dem Therapeuten neue Verhaltensstrategien entwickeln, welche die Interaktion mit anderen Menschen verbessert.
Das Therapieziel ist also nicht, den Narzissten zu einem anderen Menschen zu machen. Vielmehr ist die Therapie ein Angebot an den Betroffenen, mit Hilfe des Therapeuten extreme Verhaltens- und Denkweisen zu verändern und so sein eigenes Leben zu verbessern. Die Therapieziele entwickelt der Therapeut zusammen mit dem Betroffenen. Letzten Endes geht es in der Therapie darum, Leiden zu verringern.
Umgang mit narzisstischer Wut
Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für den Umgang mit narzisstischer Wut, dennoch gibt es einige Anhaltspunkte, wie man diesen lernen kann. Der wichtigste erste Schritt lautet Narzisstische Wut als solche zu identifizieren. Das heißt, diese als Persönlichkeitsstörung und im weiteren Sinne als eine Krankheit zu sehen. Damit ist nicht gemeint Rücksicht auf die Krankheit zu nehmen und die Angriffe des Narzissten hinzunehmen, sondern zu realisieren, dass man GEGEN die Krankheit nicht gewinnen kann.
Auswirkungen von Narzissmus auf Beziehungen
Opfer von Narzissmus haben oft mit einer Vielzahl emotionaler Probleme schwer zu kämpfen. Diese Probleme können auf den jahrelangen emotionalen Missbrauch und Manipulationen zurückzuführen sein, die sie von einer narzisstischen Person erfahren haben. Der narzisstische Missbrauch findet dabei oftmals in einer Partnerschaft oder Familie statt. Durch die starke Nähe innerhalb dieser Beziehungen ist es für die Opfer von Narzissten besonders schwierig, sich emotional abzugrenzen.
Mit jemandem eine Partnerschaft zu führen, der eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, ist eine große Herausforderung. Für Narzissten dreht sich die Welt praktisch nur um sie selbst. Sich in den Partner (oder andere Menschen) hineinzuversetzen, gehört nicht zu ihren Stärken.
Für eine funktionierende Partnerschaft ist es nicht nur wichtig, dass sich der Narzisst von einem Therapeuten behandeln lässt. Auch der Partner sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um mehr über den richtigen Umgang mit einem Narzissten zu lernen.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Behandlung von Narzissmus komplex ist und eine individuelle Herangehensweise erfordert. Mit professioneller Hilfe und dem Verständnis der Dynamiken können Betroffene und ihre Angehörigen jedoch positive Veränderungen erreichen.
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