Bulimie: Ursachen, Symptome und Behandlung

Bulimie (Bulimia nervosa), auch Ess-Brech-Sucht genannt, ist eine psychosomatisch bedingte Essstörung. Sie ist gekennzeichnet durch suchtartige Essanfälle, die meist von absichtlich selbst herbeigeführtem Erbrechen gefolgt werden, wobei es häufig zum Missbrauch von Abführ- und Brechmitteln kommt.

Betroffene und Häufigkeit

Bulimie betrifft vor allem junge Frauen und Mädchen zwischen dem 17. und 30. Lebensjahr (90 bis 95 %). Etwa 1 % aller Mädchen und Frauen, die dem Alter der Risikogruppe entsprechen, sind betroffen. Essstörungen treten vor allem bei jungen Frauen auf. Der Frauenanteil an Betroffenen liegt bei über 90 %. Etwa 30 % aller Mädchen in Österreich zeigen ein kritisches Essverhalten, gut die Hälfte davon ist untergewichtig. Insgesamt geht man von über 200.000 Österreicherinnen aus, die zumindest einmal in ihrem Leben an einer Essstörung erkranken.

Ursachen der Bulimie

Bulimie kann unterschiedliche Entstehungsgründe haben, es gibt eine Vielzahl an auslösenden Faktoren, die im Zusammenspiel die Entwicklung der Essstörung begünstigen. Die Auslöser der Essstörung sind vordergründig das Streben nach einem gesellschaftlich vermittelten körperlichen Idealbild. Dahinter liegen oft hohe Ansprüche an sich selbst, wenig Selbstliebe und der Wunsch, nach außen hin möglichst perfekt zu erscheinen. Der Hauptauslöser ist wie bei allen Essstörungen ein überzogenes gesellschaftliches Schlankheitsbild, das vermittelt, dünn sein wäre gleichbedeutend mit erfolgreich und glücklich sein.

Essstörungen können als Sprachrohr für einen tiefer liegenden, psychischen Konflikt angesehen werden. Der Ausbruch der Krankheit beruht dabei nie auf einer alleinigen Ursache. Viel eher kann man von einem komplexen Ursachengeflecht ausgehen, das zu Essstörungen führt:

  • Prädisponierende Persönlichkeitsmerkmale: Personen mit Essstörungen stellen oft hohe Ansprüche an sich selbst. Perfektion wird groß geschrieben, Kritik von außen wirft sie schnell aus der Bahn. Die Patienten haben ein hohes Harmoniebedürfnis und wollen alle um sich herum zufrieden stellen - Konflikten gehen sie gerne aus dem Weg. Nahezu alle Betroffenen haben ein geringes Selbstwertgefühl und ein mangelhaft ausgeprägtes Körpergefühl gemein.
  • Gesellschaftliche und soziale Einflussfaktoren: Das gesellschaftlich vorgegebene und medial untermauerte Schlankheitsideal spielt bei der Entstehung von Essstörungen eine große Rolle. Schlanksein ist an positive Attribute wie Attraktivität, Anerkennung und Glück gekoppelt. Gerade junge Mädchen und Frauen, die sich in einer Entwicklungs- und körperlichen sowie emotionalen Übergangsphase befinden, sind für diese Botschaften sehr empfänglich.
  • Familiäre Einflussfaktoren: Wirft man einen Blick auf die Herkunft, so fällt auf, dass Essstörungen oft in Familien gedeihen, die nach außen zu "perfekt" wirken. Der Schein trügt aber, denn nicht selten werden Konflikte zugunsten einer erzwungenen Harmonie "unter den Teppich gekehrt". Häufig müssen die Betroffenen schon im Kindesalter Verantwortung übernehmen.
  • Biologische Einflussfaktoren: Durch Fehlregulierungen im Gehirn - beispielsweise durch ein Geburtstrauma ausgelöst - kommt es zu Störungen im Hunger-Sättigungsmechanismus. Die Folge: manche Hormone, die an die Nahrungsaufnahme gekoppelt sind, werden nicht mehr freigesetzt. Das wiederum führt entweder zu einer vermehrten oder einer verringerten Nahrungsaufnahme.

Symptome der Bulimie

Die Symptome sind je nach Ausprägung der Erkrankung und Form der Bulimia nervosa unterschiedlich.

Essverhalten:

  • Chaotisch und hektisch, z.B. selten geregelte Mahlzeiten, oft längere Hungerphasen, es wird entweder sehr viel oder sehr wenig gegessen.
  • Kontrolliertes Essverhalten in der Öffentlichkeit oder Vermeidung von Nahrungsaufnahme an öffentlichen Plätzen oder vor anderen Menschen.
  • Essanfälle im Verborgenen, Unmengen an Lebensmittelverpackungen im Müll.
  • Die Betroffenen versuchen sich meist „gesund“ zu ernähren, d.h. essen wenig Kohlehydrate, viel Obst und Gemüse, wenig Fett. Sie werden unruhig, wenn solches Essen nicht zur Verfügung steht.

Weitere Anzeichen:

  • Regelmäßige Toilettenbesuche nach dem Essen: Laufen lassen des Wasserhahns oder Betätigung der Spülung, um Brechgeräusche zu übertönen.
  • Horten und Verstecken von Lebensmitteln: große Mengen an Essen verschwindet aus dem Kühlschrank oder der Vorratskammer.
  • Sportverhalten: Exzessiver Sport bis zur Erschöpfung.
  • Ständige Beschäftigung mit Essen und Gewicht.
  • Geschwollene Ohrspeicheldrüsen, Hals- bzw.

Formen der Bulimie

Zwischen folgenden Krankheitsbildern kann unterschieden werden:

  • "Purging-Type": Erbrechen der Nahrung nach Essanfällen, bei schwerer Ausprägung der Krankheit übergeben sich die Betroffenen nach jeder einzelnen Mahlzeit und haben täglich auch mehrere Anfälle, bei denen sie meist große Mengen an (hochkalorischer) Nahrung verzehren. Ein Teil der Erkrankten erbricht auch schon nach der Aufnahme kleiner Nahrungsmengen, wie z.B. einem Joghurt. Wie oft und wann sie erbrechen, ist davon abhängig, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist.
  • "Non Purging-Type": Betroffene haben zwar Essanfälle, erbrechen sich aber danach nicht, sondern halten strenge Diät, fasten, nehmen Abführmittel oder versuchen das Überessen durch Sport bis zur Erschöpfung auszugleichen ("Sportbulimie").

Die einzelnen Krankheitsbilder können sich überlappen oder sich in Phasen abwechseln. So kommt es vor, dass Betroffene Phasen des Binge-Eatings (übermäßiges Essen ohne Erbrechen) haben, die sich mit Zeitabschnitten der Essanfälle und des Erbrechens abwechseln.

Essanfälle

Ein typischer Essanfall ist durch die Aufnahme großer Mengen an leicht zu verzehrenden Lebensmitteln (z.B. Nudeln, Müsli, Pudding, Süßspeisen, weiches Brot, Käse etc.) und große Mengen Flüssigkeit gekennzeichnet. Während der Essattacke erleben Betroffene einen Kontrollverlust, sie fühlen sich wie in Trance, nehmen kein Sättigungsgefühl wahr und essen bis zur Übelkeit.

Bulimie-Kranke sehen sich selbst häufig als "gescheiterte Magersüchtige". Die Essanfälle werden als Blamage und Versagen empfunden, sie gehen mit Scham und Isolation von der Außenwelt einher. Sie sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach einem dünnen Körper und der Notwendigkeit zu Essen. Die Ess-Brech-Sucht findet im Verborgenen statt, werden die Erkrankten "entlarvt", erleben sie dies als sehr beschämend.

Begleitende Symptome

Magersucht bzw. Betroffene neigen dazu, ihre Probleme so lange wie möglich zu tabuisieren. In der Regel wird ein Arzt erst hinzugezogen, wenn sich die Folgen der Essstörung nicht mehr verbergen lassen und Angehörige, Bekannte oder Kollegen aufmerksam werden.

Diagnose der Bulimie

Bei Essstörungen ist eine eindeutige Diagnose, aufgrund vielfältiger Varianten, schwierig. Die Diagnose ist nicht einfach, da die Betroffenen einer Verhaltensänderung meist zwiespältig gegenüberstehen. Einerseits schämen sie sich für die Essanfälle und wünschen sich, die Kontrolle über ihr Essverhalten zurückzuerlangen. Andererseits fürchten sie, Gewicht zuzunehmen, wenn sie auf gegensteuernde Maßnahmen verzichten.

Besteht der Verdacht auf eine Bulimie, ist es sinnvoll, zunächst in der Hausarztpraxis vorzusprechen. Der erste Schritt für die Diagnose ist dann ein ärztliches Anamnesegespräch. Folgende Fragen könnte der Arzt der Patientin oder dem Patienten bei Verdacht auf Bulimie stellen:

  • Fühlen Sie sich zu dick?
  • Sind Sie zufrieden mit Ihrem Körper?
  • Achten Sie sehr darauf, wie viel und was Sie essen?
  • Haben Sie Heißhungerattacken, bei denen Sie mit dem Essen gar nicht mehr aufhören können?
  • Kommt es vor, dass Sie die aufgenommene Nahrung wieder erbrechen? Wie häufig ist das?
  • Haben Sie körperliche Beschwerden wie zum Beispiel Muskelschwäche, Verstopfung, starke Bauchschmerzen?

Erhärtet sich der Verdacht, wird die weitere Diagnostik von einer psychotherapeutischen Fachkraft durchgeführt. Der Psychotherapeut kann mithilfe eines klinischen Interviews die spezifischen psychischen Beschwerden erfassen. Er kann zudem bestimmen, ob der Patient an weiteren Störungen leidet. Menschen mit Bulimie leiden häufig auch an Depression, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Behandlung der Bulimie

Bei der Behandlung der Bulimia nervosa ist eine Psychotherapie die Methode der Wahl. Ein ärztliches Monitoring der körperlichen Parameter ist besonders bei häufigen Essattacken unumgänglich. Die Chancen auf Heilung sind umso höher, je frühzeitiger sich die Erkrankten in Therapie begeben. Voraussetzung für die Genesung sind genügend Motivation und der Wille der Betroffenen Hilfe überhaupt annehmen zu wollen.

Bulimie-Kranke werden zumeist ambulant psychotherapeutisch behandelt, bei schwerem Verlauf oder bei zusätzlichen psychischen Erkrankungen werden Patienten auch stationär aufgenommen.

Folgende Therapiemethoden sind bei der Behandlung der Ess-Brech-Sucht üblich:

  • Psychotherapie: ist die erste Wahl in bei der Behandlung von Patienten mit Bulimie. Der Fokus der Psychotherapie liegt auf der Stärkung des Selbstwertgefühls und der Konzentration auf die Problematik der Überbewertung von Figur und Gewicht.
  • Familientherapie (v.a. bei Patienten unter 16 Jahren) als auch die Anleitung zur Selbsthilfe, z.B. durch Selbsthilfemanuale, hat sich als zielführend erwiesen.
  • Medikamentöse Therapie: Manche Betroffene haben Depressionen, weswegen eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamentengabe manchmal unterstützend sinnvoll ist.

Was kann man selbst tun?

Informieren Sie sich über die Möglichkeiten zur Psychotherapie, suchen Sie eine Psychotherapeuten auf, der auf Essstörungen spezialisiert ist (Gruppen- oder Einzeltherapie). Begleitend können Sie sich an eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe wenden. Sprechen Sie mit Familie und/oder Freunden über die Erkrankung, lassen Sie sich helfen. Versuchen Sie, die Auslöser für Ihre Essanfälle herauszufinden.

Verlauf und Prognose

Die Bulimie beginnt meistens in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Häufig sind Diäten der Einstieg in die Ess-Brech-Sucht. Der Bulimie kann eine Phase starker Gewichtsabnahme vorausgehen, die dann in Ess-Brech-Anfälle umschlägt. Auch kann sich Bulimie aus einer Magersucht entwickeln.

Im Verlauf der Erkrankung gibt es immer wieder auch Zeiten, in denen Bulimie-Betroffene normal essen. Die Anzahl der Ess-Brech-Anfälle schwankt individuell. In belastenden Phasen, in denen die Patienten besonders gestresst sind, treten Ess-Brech-Anfälle gehäuft auf.

Oft wird die Bulimie erst nach längerer Krankheitsdauer behandelt. Immerhin wird etwa die Hälfte der Patienten, die an Bulimie litten, gesund, wenn auch meist erst nach mehrjährigem Krankheitsverlauf.

Bei folgenden Ausgangsfaktoren sinken die Heilungschancen der Bulimia nervosa:

  • Höheres Alter (ab 30) bei Ausbruch der Krankheit
  • Lange Dauer der Erkrankung vor Therapiebeginn
  • Kombination von Bulimie und Magersucht bzw.

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