Psychologisches Gutachten: Aufbau und Inhalt

Bei einem psychotherapeutischen Gutachten untersuchen und beurteilen qualifizierte Sachverständige psychosozial und/oder psychosomatisch bedingte Verhaltensveränderungen und Leidenszustände. Vorweg werden bestimmte Fragestellungen vereinbart. Die Sachverständigen haben diese in ihrem Gutachten zu beantworten. Dies erfolgt auf Basis von psychotherapeutisch-wissenschaftlichen Grundlagen. Die Sachverständigen orientieren sich dabei an psychotherapeutischer Diagnostik und Beurteilung.

Sachverständige und ihre Rolle

Es gibt keine gesetzliche Definition für Sachverständige. Sachverständige müssen aufgrund ihrer Ausbildung bzw. Weiterbildung sowie Erfahrung über besondere Kenntnisse (Sachkunde) auf einem bestimmten Sachgebiet verfügen. Zudem sind Neutralität, Objektivität sowie Unabhängigkeit erforderliche Kriterien zur Bestellung von Gutachterinnen oder Gutachtern. Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten, welche in die Liste der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten des BMSGPK eingetragen sind, dürfen jedenfalls als Sachverständige im Sinne der Zivilprozessordnung bestellt werden.

Voraussetzungen für die Erstellung eines Gutachtens

Erstellerinnen bzw. Ersteller von psychotherapeutischen Gutachten müssen unbefangen sein, um objektive Schlussfolgerungen zu ziehen. Es dürfen demnach keine Gründe für absolute Befangenheit vorliegen (z.B. Verwandtschaftsverhältnis/Partnerschaft, laufende Psychotherapie mit Auftraggeber bzw. Auftraggeberinnen oder der zu begutachtenden Person). Eine sogenannte relative Befangenheit kann Zweifel an der Unbefangenheit von Gutachterinnen bzw. Gutachtern nach sich ziehen.

Die Gutachterinnen bzw. Gutachter müssen vor Beginn des Gutachtens darüber aufklären. Da jedoch im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens Informationen gewonnen und weitergegeben werden sollen, ist es notwendig, dass die Patientinnen bzw. Patienten die jeweiligen Gutachterinnen bzw. Gutachter für ihre gutachterliche Tätigkeit von der Verschwiegenheitspflicht entbinden. Die Psychotherapiegesetz verpflichtet Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten Geheimnisse. Die Verschwiegenheitspflicht besteht allgemein gegenüber jeder anderen Person oder Einrichtung.

Auftraggeber und Entscheidungsfindung

Gutachten können prinzipiell von jeder Person sowie von verschiedenen Einrichtungen in Auftrag gegeben werden (Privatpersonen, juristische Personen, Verwaltungsbehörden, Gerichte). Psychotherapeutische Gutachten vermitteln Erfahrungswerte für Entscheidungen. Die Entscheidung in der Sache treffen jedoch die Auftrag gebenden Personen bzw. Einrichtungen, nicht die Sachverständigen selbst.

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Anwendungsbereiche psychotherapeutischer Gutachten

Je nach Fragestellung werden psychotherapeutische Gutachten in unterschiedlichsten Bereichen erstellt (Wirtschaft, Medizin, Psychologie, Psychotherapie etc.). Insbesondere in Pflegschaftsangelegenheiten (z.B. Fragen zur Obsorge), bei psychotherapeutischen Fragen im Kontext mit Arbeitsfähigkeit etc. Die Beurteilung psychotherapeutischer Behandlung und Beratung sowie deren wissenschaftliche Fundiertheit obliegt ausschließlich Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.

Suche nach Gutachtern

Eine allgemeine Suche nach Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten kann über die entsprechende Listensuche des BMSGPK erfolgen. Auch ÖBVP (Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie) und VÖPP (Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten) stellen Informationen für die Suche nach Gutachterinnen bzw. Gutachtern zur Verfügung. Gerichtssachverständige können über die Gerrichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetsliste der Justizbehörden gesucht werden. Zudem bietet der Hauptverband für gerichtliche Sachverständige eine Online-Suche.

Kosten eines Gutachtens

Die Auftraggeberin bzw. der Auftraggeber bezahlt das Gutachten. Die Kosten richten sich nach verschiedenen Faktoren, z.B.

Struktur und Aufbau psychotherapeutischer Gutachten

Diese Richtlinie legt Kriterien hinsichtlich Struktur und Aufbau psychotherapeutischer Gutachten fest und definiert Qualifikationskriterien von Psychotherapeut*innen, die Gutachten erstellen wollen. Im Vorwort wird klar zwischen Befund und Gutachten unterschieden. Punkt 1 beschäftigt sich mit Begriffsbestimmungen hinsichtlich der Arten von Gutachten (Punkt 1.1) und hinsichtlich der begrifflichen Unterscheidung zwischen Gutachter*innen und Sachverständigen (Punkt 1.2). Der Sachverständigenbegriff wird anhand §1299 ABGB definiert.

Punkt 2 geht auf Rahmenbedingungen für die Erstellung von Gutachten ein. Zunächst wird auf §353 Zivilprozessordnung (ZPO) Bezug genommen, wonach Berufsangehörige der Psychotherapie jedenfalls zu Sachverständigen im Sinne der ZPO bestellt werden können. Unter Punkt 2.1 wird auf die Qualifikationserfordernisse als GutachterIn eingegangen. Basis bildet die Eintragung in die Psychotherapeut*innenliste des Ministeriums, die durch den Nachweis besonderer Sachkenntnis zu ergänzen ist.

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Punkt 3 geht auf den Aufbau und Inhalt psychotherapeutischer Gutachten ein und orientiert sich dabei an der Struktur von psychologischen Gutachten nach Hermann-Josef Fisseni. Gutachten werden in dieser Richtlinie in sieben Unterpunkte gegliedert:

  1. Übersicht
  2. Vorgeschichte
  3. Untersuchungsbericht
  4. Reflexion der Ergebnisse
  5. Befund
  6. Gutachten, Stellungnahme und prozessorientierte Empfehlung
  7. Schlüssigkeit

Details zu den Unterpunkten

  • Übersicht (Punkt 3.1): Enthält neben Namen und Adresse der Gutachterin bzw. des Gutachters, Personalien der zu untersuchenden Person, die Auftragserteilung und Fragestellung sowie eine Darlegung der Untersuchungsgrundlagen.
  • Vorgeschichte (Punkt 3.2): Hier sollen vorhandene Unterlagen und Ausgangstatsachen dargestellt werden, die Relevanz der verschiedenen Informationen geprüft und die Quellen kenntlich gemacht werden.
  • Untersuchungsbericht (Punkt 3.3): Dieser enthält die Untersuchungssituation, eine allgemeine Exploration, Angaben zur begutachteten Person, Untersuchungsumfang, durchgeführte Verfahren und miteinbezogene andere Personen.
  • Reflexion der Ergebnisse (Punkt 3.4): Hier soll auf widersprüchliche Ergebnisse eingegangen und die eigene Arbeit kritisch beurteilt werden.
  • Befund (Punkt 3.5): Der Befund enthält eine Integration der Einzelinformationen aus Vorgeschichte und Untersuchungsbericht. In einem Befund werden festgestellte Tatsachen festgehalten. Dann werden daraus aufgrund besonderer Fachkunde Schlussfolgerungen gezogen. Diese müssen entsprechend gründlich abgewogen und begründet sein.
  • Gutachten, Stellungnahme und prozessorientierte Empfehlung (Punkt 3.6): Im eigentlichen Gutachten soll die Ausgangsfrage beantwortet und eine prozessorientierte Empfehlung als Hinweis für die weitere Vorgangsweise abgegeben werden.
  • Schlüssigkeit (Punkt 3.7): Unter Punkt 3.7 wird auf die notwendige Schlüssigkeit eines Gutachtens eingegangen. Jedenfalls muss nachvollziehbar sein, wie der Sachverständige zu seinen Schlussfolgerungen kommt.

Psychologische Gutachten im Gesundheitsbereich

Psychologische Gutachten kommen zur Beurteilung eines Sachverhalts in Bezug auf die psychische Gesundheit einer Person zur Anwendung. Klinisch-psychologische bzw. gesundheitspsychologische Gutachten beantworten nachvollziehbar konkrete Fragestellungen aus dem Bereich der Klinischen Psychologie bzw. Gesundheitspsychologie. Die Gutachten bauen dabei auf einer Diagnostik bzw. Analyse auf. Sie beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Klinisch-psychologische bzw. gesundheitspsychologische Gutachten finden bei unterschiedlichen Fragestellungen Anwendung. Gesundheitspsychologische Gutachten werden beispielsweise auch zu gesundheitsbezogenem Risikoverhalten erstellt. Des Weiteren werden unter anderem auch arbeitspsychologische Gutachten erstellt. Auch außerhalb des Gesundheitsbereichs gibt es eine Reihe von psychologischen Berufsfeldern, in denen Gutachten erstellt werden (wie z.B. im Bereich der Wirtschaftspsychologie). Im Gesundheitsbereich werden psychologische Gutachten je nach Fragestellung ausschließlich von Klinischen Psychologinnen/Klinischen Psychologen oder Gesundheitspsychologinnen/Gesundheitspsychologen erstellt.

Anforderungen an Sachverständige

Um psychologische Gutachten zu erstellen, benötigen Sachverständige spezielle Sachkenntnis zur jeweiligen Fragestellung. Sie müssen auf dem letzten Stand der Wissenschaft sein. Sachverständige müssen neutral, unbefangen und unabhängig sein sowie nachvollziehbar handeln. Befangenheit ist zu vermeiden (z.B. Naheverhältnis zum Auftraggeber). Es gelangen standardisierte Testverfahren zur Anwendung, die dem neuesten wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen und eine möglichst umfassende Sammlung von Informationen erlauben. Dabei ist auf die Zumutbarkeit für die Patientin oder den Patienten zu achten.

Verschwiegenheitspflicht

Bei einem Gutachten, das für eine öffentliche Stelle erstellt wird (z.B. Gericht, Behörde oder Pensionsversicherung) muss von Beginn an vonseiten der Gutachterin oder des Gutachters klargestellt und mit der zu begutachtenden Person vereinbart werden, dass die Tatsachen im Zusammenhang mit dem Gutachten keine Geheimnisse sind und daher nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Sie werden einem festgelegten Personenkreis mitgeteilt. Alle Inhalte, die nicht für die Erstellung des Gutachtens relevant sind, sind jedoch vertraulich zu behandeln.

Arten von Gutachten

Gerichtsgutachten (z.B. Gutachten für Verwaltungsbehörden (z.B. Obergutachten (bei sich widersprechenden Gutachten).

Entscheidungsfindung und Verantwortung

Psychologische Gutachten vermitteln wissenschaftlich fundierte Erfahrungswerte bzw. Grundlagen für Entscheidungen. Die Entscheidung, wie in der Folge mit den Ergebnissen eines Gutachtens umgegangen wird (Sachentscheidung), trifft jedoch die Auftraggeberin oder der Auftraggeber, nicht die oder der Sachverständige.

Suche nach psychologischen Gutachtern

Eine allgemeine Suche bietet die Liste der Klinischen Psychologinnen und Klinischen Psychologen sowie die Liste der Gesundheitspsychologinnen und Gesundheitspsychologen. Der Berufsverband der PsychologInnen (BÖP) bietet über sein Online-Infomationssystem die Möglichkeit, nach allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für ein Psychologisches Gutachten zu suchen. Gerichtssachverständige können über die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste der Justizbehörden gesucht werden. Eine Online-Suche bietet der Hauptverband für gerichtliche Sachverständige.

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