Angst ist ein normales Gefühl, das vor gefährlichen Situationen schützt bzw. hilft, diese zu vermeiden. Sie ist ein normaler Bestandteil des Lebens und hat einen großen Stellenwert im Alltag. Angst dient als biologisch angelegtes Verhaltensmuster der Wahrnehmung von Gefahren, der Reaktion darauf sowie auch der Vermeidung von gefährlichen Situationen. Wenn die Angst jedoch übermäßig stark wird und den Alltag einschränkt, kann das auf eine Angststörung hinweisen.
Als Angststörung werden intensive, lang anhaltende Angstzustände bezeichnet. Die Angst ist dabei so groß, dass sie für die meisten außenstehenden Personen nicht nachvollziehbar erscheint. Die Angststörung schränkt die psychische und soziale Funktionsfähigkeit ein. Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Frauen sind häufiger als Männer von Angststörungen betroffen. Die Gründe dafür sind allerdings unklar. Es ist möglich, dass Frauen häufiger Hilfe suchen und daher bei ihnen Angststörungen öfter statistisch erfasst werden. Getrennt lebende, geschiedene oder verwitwete Personen leiden meist häufiger unter Angststörungen als verheiratete oder ledige. Angststörungen können sich stark auf das Alltagsleben auswirken. Sie erhöhen zudem das Risiko für eine Depression sowie Abhängigkeitserkrankungen (z.B. Alkoholabhängigkeit). Angststörungen können das Suizidrisiko erhöhen.
Panikattacken, Panikstörungen oder Panikanfälle sind wiederkehrende Angstattacken, zu denen es meist plötzlich und ohne ersichtlichen Grund kommt. Zumindest für Außenstehende. Die Panik gibt den Betroffenen zusammen mit den weiteren auftretenden Symptomen (wie Herzklopfen, Schwitzen und Atemnot) das Gefühl, es läge eine lebensgefährliche Situation vor. Wer diese Angstanfälle erlebt, hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Die heftige Alarmreaktion kann so weit reichen, dass Patienten befürchten, zu sterben.
Ursachen von Panikattacken und Panikstörungen
Experten vermuten, dass die Erkrankung bis zu einem gewissen Grad erblich bedingt ist. Viele Betroffene nehmen schon vor der Erkrankung (oft bereits in der Kindheit) körperliche Signale sensibler wahr und sind ängstlicher als andere Menschen. Ihr vegetatives Nervensystem, das Abläufe im Körper wie Atmung, Blutdruck, Herzschlag und Stoffwechsel steuert, scheint empfindlicher zu reagieren (vegetative Dystonie). Oft lösen auch kleinste körperliche Veränderungen bei den Betroffenen Angst aus - selbst wenn sie diese nicht bewusst wahrnehmen. Sie empfinden dann zum Beispiel bereits einen beschleunigten Herzschlag beim Treppensteigen oder Schwindel beim Aufstehen als bedrohlich.
Es gibt derzeit noch kein allgemein anerkanntes und umfassend erklärendes Modell, wie Angststörungen entstehen. Allerdings existieren verschiedene Theorien. Diese versuchen die Ursachen aus der jeweiligen wissenschaftlichen Perspektive zu klären. Zugrunde liegt das sogenannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Dieses geht davon aus, dass es Risikofaktoren gibt.
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Ursache für Panikattacken ist vermutlich eine Kombination aus genetischer Veranlagung und belastenden Lebensumständen.
Stress als Auslöser
Panikattacken treten oft während oder nach belastenden Situationen auf wie dem Tod eines nahestehenden Menschen, während einer unglücklichen Beziehung, nach einer Trennung oder einer Scheidung. Sie können aber auch nach Umzügen, bei Stress in der Arbeit (z.B. durch Burnout) oder nach einer Entlassung auftreten. Auch positive Ereignisse verursachen Stress wie eine Hochzeit, eine Beförderung im Job oder die Geburt eines Kindes.
Die Attacken treten vor allem dann auf, wenn Betroffene diese Situationen als sehr belastend oder beängstigend empfinden. Oft stehen sie unter extremer Anspannung, die sie aber selbst aber nicht wirklich wahrnehmen. Ein Anfall entsteht dann scheinbar aus dem Nichts und ohne Grund. Betroffene können sich meist nicht erklären, woher die Panikattacke kommt und warum sie plötzlich solche Ängste empfinden.
Agoraphobie und Panikattacken
Oft entsteht eine Panikattacke aufgrund einer bestehenden Agoraphobie. Symptome treten dann vor allem an einengenden Orten wie in der U-Bahn oder im Flugzeug oder bei Menschenansammlungen auf. Auch beim Autofahren, im Fahrstuhl oder in der Schlange vor der Supermarktkasse treten die Anfälle häufig auf. Ebenso vor Reisen und Operationen.
Weitere verursachende Faktoren
- Änderungen im Gehirnstoffwechsel: Akute Belastungen führen zur Ausschüttung von vermehrten „Stresshormonen“.
- Innere Konflikte: Übermäßige Angst kann die Folge eines (unbewussten) inneren Konfliktes sein.
- Bestimmte Denk- und Lernvorgänge: Dabei spielen Erfahrungen, die Ängste hervorrufen, und Vermeidungsverhalten eine Rolle. Oder auch das sogenannte Lernen am Modell: Menschen im Umfeld zeigen Angstverhalten. Dieses wird von Betroffenen - teilweise verstärkt - übernommen. Auch nicht direkt erlebte Situationen können Ängste auslösen.
- Integrative Modelle gehen davon aus, dass biologisch-körperliche, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken.
Weitere Erkrankungen als Ursache einer Panikstörung
Weitere Erkrankungen, die panikähnliche Zustände auslösen können, sind:
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- Herzenge (Angina pectoris)
- Unterzuckerung (Hypoglykämie)
- Fruchtzuckerunverträglichkeit (Fructoseintoleranz)
- Asthma
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Schlafapnoe
- Fehlregulation der Muskeln und Gelenke im Kiefer (craniomandibuläre Dysfunktion, kurz: CMD)
- Epilepsie
- Muskelverspannungen (z.B. im Nacken)
Zudem treten auch im Rahmen anderer psychischer Störungen Panikattacken auf wie Depressionen, Zwangsstörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Auch aufgrund körperlicher Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Erkrankungen des Nervensystems oder der Nebennieren können Panikattacken auftreten. Bei manchen Frauen sind zudem hormonelle Veränderungen wie beispielsweise in den Wechseljahren oder während der Schwangerschaft Auslöser für Panikattacken.
Kaffee, Drogen und Medikamente
Manche Betroffene berichten davon, dass Kaffee bzw. eine Kaffeeunverträglichkeit bei ihnen panikähnliche Symptome auslösen. Das im Kaffee enthaltene Koffein erhöht unter anderem den Herzschlag, was viele Betroffene dann irrtümlicherweise als Herzinfarkt interpretieren. Auch Drogen wie Alkohol, Nikotin, Kokain, Amphetamine oder LSD können auf diese Weise eine Panikattacke hervorrufen. Medikamente, die den Stoffwechsel aktivieren und überdosiert sind (z.B. Schilddrüsenhormone), lösen bei manchen Menschen ebenfalls ähnliche Symptome aus.
Diagnose
Am Beginn der Diagnosestellung steht die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Dabei spielen auch Informationen über Beginn, Art und Ausmaß der Ängste eine große Rolle. Bevor die Diagnose einer Angststörung möglich ist, muss eine Ärztin/ein Arzt körperliche Ursachen ausschließen. Zum Beispiel Erkrankungen der Lunge, des Herz-Kreislauf-Systems oder neurologische Erkrankungen. Zudem wird abgeklärt, ob noch eine weitere psychische Erkrankung vorliegt.
Die Ärztin/der Arzt führt eine körperliche Untersuchung durch und veranlasst eine Laboruntersuchung (vor allem Blutbild und Schilddrüsenhormone). Zudem gibt ein EKG Aufschluss über mögliche Funktionsstörungen des Herzens. Je nach bisheriger Krankengeschichte, Symptomen oder auch bereits bestehenden Erkrankungen finden zusätzliche abklärende Untersuchungen statt (z.B. Lungenfunktionstest, EEG, MRT).
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung einer Angststörung besteht meist aus Psychotherapie und Medikamenten. Je nach Ausprägung der Erkrankung kann zudem eine klinisch-psychologische Behandlung hilfreich sein. Die Symptome können durch eine Behandlung gemildert werden bzw. auch komplett wegfallen. Es kann jedoch zu Rückfällen (Rezidiven) kommen. Ein wesentlicher Aspekt der Therapie ist der Umgang mit der Erkrankung. Dabei lernt die Patientin/der Patient, mit Angst viel besser umzugehen. Tritt neben der Angststörung noch eine andere psychische Erkrankung auf (z.B. Depression, Zwangsstörung oder Sucht), berücksichtigt die Ärztin/der Arzt dies für eine maßgeschneiderte Therapie.
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Psychotherapie
Der Psychotherapie kommt in der Behandlung von Angststörungen ein großer Stellenwert zu. Der Aufbau einer therapeutischen Beziehung ist dabei wesentlich. In vertrauensvollem Rahmen können Betroffene über ihre Ängste und Lebenssituation sprechen. Verhaltenstherapeutische Ansätze etwa haben sich in der Behandlung von Angststörungen sehr bewährt. Ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist die Psychoedukation. Diese kommt auch bei der Psychotherapie zur Anwendung. Bei dieser erhalten Betroffene detaillierte Informationen rund um das Krankheitsgeschehen und die Behandlung. Sie lernen zudem, wie sie sich selbst helfen können.
Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene auch Entspannungstechniken erlernen. Bei spezifischen Phobien (z.B. Höhenangst, Angst vor Spinnen) ist zudem eine sogenannte Exposition hilfreich. Dabei stellen sich Betroffene in sicherem Rahmen schrittweise auch im Alltag Situationen, die Ängste auslösen. So können sie Lösungsstrategien im Umgang damit finden.
Medikamente
Bei Angststörungen verschreibt die Ärztin/der Arzt unter anderem Medikamente, die auch zur Behandlung von Depressionen zur Anwendung kommen.
- Panikstörungen und Agoraphobie: Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin oder auch Venlafaxin. Wenn diese Medikamente nicht wirken, kann Clomipramin zum Einsatz kommen.
- Generalisierte Angststörung: Escitalopram, Paroxetin, Venlafaxin, Duloxitin, Buspiron oder Pregabalin.
- Sozialphobie: Paroxetin, Sertralin, Escitalopram oder Venlafaxin. Oder auch Betablocker in ausgewählten stressigen Situationen.
Bei spezifischen Phobien (z.B. Höhenangst, Angst vor Spinnen) werden keine Medikamente von der medizinischen Fachwelt empfohlen, sondern eine Exposition im Rahmen einer Psychotherapie. Bei allen Angststörungen kann in begründeten Ausnahmefällen oder in einer Akutsituation die Anwendung eines Beruhigungsmittels (Benzodiazepine) kurzfristig hilfreich sein. Die Anwendung muss dabei engmaschig ärztlich begleitet werden, um Abhängigkeit von Benzodiazepinen zu verhindern.
Selbsthilfemaßnahmen
Es gibt verschiedene Selbsthilfemaßnahmen, die Betroffene ergreifen können, um mit Panikattacken besser umzugehen:
- Sport im Sinne von Ausdauertraining.
- Mögliche Verstärker der Angst beobachten und vermeiden (z.B. negativer Stress, Medikamentenmissbrauch, Koffein etc.).
- Der Besuch einer Selbsthilfegruppe.
Oft ist die Hemmschwelle groß, Hilfe bei starken Ängsten zu suchen. Professionelle Helferinnen/Helfer sind jedoch damit vertraut, zeigen dafür Verständnis und können kompetent weiterhelfen. Sie können zudem zuerst Ihre Ärztin/Ihren Arzt für Allgemeinmedizin kontaktieren und über diese/diesen gezielte Ansprechstellen finden. Auch klinische Psychologinnen/Psychologen können in die Diagnose und Behandlung mit einbezogen sein. Ist die Krankheit sehr stark ausgeprägt, ist mitunter ein stationärer Krankenhausaufenthalt oder eine Rehabilitation notwendig.
Was tun bei einer akuten Panikattacke?
Im Akutfall einer Panikattacke können Selbsthilfemaßnahmen zu einer rascheren Entspannung beitragen:
- Bewusstmachung: Dieser Zustand vergeht wieder und bleibt nicht anhaltend.
- Muskelentspannung: Während einer Panikattacke wird sich die Muskulatur verspannen.
- Bauchatmung: Sie versuchen ganz bewusst und langsam in den Bauch zu atmen.
Es kann hilfreich sein, bestimmte Verfahren für die Muskelentspannung sowie Atemtechniken zu üben.
Panikattacken erkennen
Herzrasen, das Gefühl, keine Luft zu bekommen und zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder „verrückt zu werden“, begleitet von kaum zu ertragender Angst - all das können Anzeichen für eine Panikattacke sein. Eine Panikattacke kann sich wie ein Herzanfall anfühlen (zB. ein Gefühl von Enge in der Brust). Daher ist es ratsam, dies unseren Ärztinnen mitzuteilen, um körperliche Ursachen tatsächlich ausschließen zu können.
Manchmal stoßt man bei Menschen, die nicht selbst Panikattacken erlebt haben und dies nicht nachvollziehen können, auf Unverständnis. Dabei sind Panikattacken gar nicht so selten: In Österreich geben 40% an, in ihrem Leben bereits eine Panikattacke gehabt zu haben. Scham und die Angst, nicht ernst genommen zu werden hindern Menschen daran, sich mit ihren Ängsten und Sorgen mitzuteilen. Uns ist jedoch bewusst, dass Panikattacken und Ängste verbreitet sind und sehr belastend sein können. Es ist uns ein Anliegen, Sie im Umgang mit einer Panikattacke zu unterstützen und Themen wie Angst, Hilfslosigkeit und psychische Krisen zu enttabuisieren.
Weitere Unterstützung
Sie haben eine Panikattacke erlebt und wissen nicht, wie Sie damit umgehen sollen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren! Unser multiprofessionelles Team im Gesundheitszentrum kann Sie bei Ängsten und Panikattacken vielseitig unterstützen und bei Bedarf an weitere geeignete Einrichtungen weiterverweisen.
Das Gesundheitstelefon informiert Sie auch darüber, welche Ärztin oder welcher Arzt am Wochenende erreichbar ist und welche Apotheke in Ihrer Nähe geöffnet hat. Das Gesundheitstelefon 1450 ist immer erreichbar.
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