Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung nach Amokläufen

Ein Amoklauf ist ein Ereignis, das eine Gemeinschaft bis ins Mark erschüttert.

Das Opfer-Täter-Dilemma

Ein Amoklauf mit anschließendem Suizid des Täters oder der Täterin stellt das Opfer-Täter-Dilemma in seiner dunkelsten und schmerzhaftesten Form dar. Er beinhaltet einen besonders grausamen Aspekt des „Opfer-Täter-Dilemmas“.

Unmöglichkeit der direkten Konfrontation

Die Abwesenheit des Täters bzw. der Täterin verhindert eine direkte Konfrontation und erschwert die Suche nach Antworten und Gerechtigkeit. Die direkte Konfrontation, der Dialog und die juristische Rechenschaftslegung mit dem Täter bzw. der Täterin sind unmöglich.

Psychologische Auswirkungen

Psychologisch existiert das Dramadreieck nach Karpman hier nicht als interaktives Modell nach der Tat. Die Rollen sind eingefroren. Der Täter bzw. die Täterin ist nicht mehr da, um eine Verfolger: innen-Rolle einzunehmen oder die Taten zu leugnen. Die Familien der Opfer und des Täters bzw. der Täterin, sowie die gesamte betroffene Gemeinschaft werden Opfer einer solchen Tat.

Soziologische Folgen

Soziologisch treten die Machtgefälle und die Zerstörung des sozialen Gefüges durch die Tat in den Vordergrund. Die Perspektive verschiebt sich von Täter: innen hinaus und richtet sich auf Systemversagen, gesellschaftliche Ausgrenzung oder Warnzeichen, die übersehen wurden.

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Rechtliche Aspekte

Rechtlich entfällt die Möglichkeit eines Täter: innen-Opfer-Ausgleichs (TOA) im klassischen Sinne, da der Täter bzw. die Täterin nicht mehr am Leben ist. Die Aufarbeitung konzentriert sich auf die Aufarbeitung des Vorfalls, die Untersuchung der Todesursachen, die Unterstützung der Opfer und gegebenenfalls die Klärung von Verantwortlichkeiten Dritter (z.B.

Intensivierte psychische Folgen

Die Opfer, Überlebenden und Angehörigen sind mit einem massiven kollektiven Trauma konfrontiert. Dies ist eine erwartende Reaktion auf das Ereignis.

Fehlende Konfrontation und Abschluss

Die Unmöglichkeit, dem Täter bzw. der Täterin zu begegnen, wirkt zusätzlich belastend. Das „Warum?“ bleibt unbeantwortet, was die Verarbeitung des Traumas und die Suche nach Abschluss erheblich erschwert. Entschuldigung oder Wiedergutmachung durch den Täter bzw. der Täterin bleiben aus.

Phänomen der Täter: innen-Opfer-Umkehr (Victim Blaming)

Obwohl der Täter bzw. die Täterin tot ist, kann Victim Blaming auf die Gemeinschaft und indirekt auf die Opfer (z.B. Debatten über angebliche Provokationen oder mangelnde "Wachsamkeit" vor der Tat) projiziert werden.

Antworten und Verständnis

Auch wenn der Täter bzw. die Täterin sich das Leben nimmt, gibt es keine Möglichkeit der direkten Befragung oder Intervention. Da der Täter bzw. die Täterin nicht mehr am Leben ist, entfällt die Möglichkeit, mit ihm bzw. ihr zu reflektieren, Antwort zu geben, Reue zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen.

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Täter: innenmotivation (posthum)

Die Motivationen für einen Amoklauf sind in jedem Fall komplex und nie eindimensional.

Verleugnungs- und Neutralisierungstechniken (vor der Tat)

Die psychologischen Abwehrmechanismen finden vor der Tat statt und ermöglichen dem Täter bzw. Absichten zu rechtfertigen und die Taten vor sich selbst zu verharmlosen. Das kann sich in Tagebucheinträgen, Manifesten oder Abschiedsbriefen widerspiegeln, in denen er bzw. Das könnte bspw. durch eine verzerrte Realitätswahrnehmung geschehen sein, die es dem Täter bzw. Selbstbild und den extremen Tötungsabsichten zu überbrücken.

Das "unerklärliche Warum?"

Trotz aller Analysen bleibt die ultimative Frage nach dem "Warum?" in der Regel unbeantwortet.

Gemeinschaftsbasierte „Restaurative Justiz“

Da ein direkter Täter bzw. muss der Ansatz der „Restaurative Justiz“ auf die Gemeinschaft ausgeweitet werden.

Unterstützung der Überlebenden, Hinterbliebenen, Angehörigen und Freundinnen und Freunde

Dabei hilft die Organisation von bspw. Symbolische Wiedergutmachung: Das kann z. B. ist das Angebot von Traumatherapie.

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Fazit

Die Bewältigung eines Amoklaufs erfordert einen Paradigmenwechsel von der traditionellen Bestrafung hin zur umfassenden Unterstützung und Begleitung der Opfer sowie der traumatisierten Angehörigen und Gemeinschaften. Das erfordert ein tiefes kollektives Verständnis, das umfassende psychologische Unterstützung, Ansätze der Restaurative Justiz sowie eine kontinuierliche Anstrengung zur Stärkung der psychischen Gesundheit und des sozialen Zusammenhalts einschließt.

Wenn Interesse und Bedarf bestehen, unterstützen wir dich gerne.

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